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Vorwort von Jörg A. Hoppe

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Mentale Stärke, Resilienz, innere Widerstandsfähigkeit? Modetrends sind das, dachte ich, die sich in der Esoterik-Szene gut verkaufen lassen und allenfalls für Fußballtrainer, die ihren Teams Mut machen wollen, relevant sind. Wie einst Trainer Otto Rehagel, der seinen am Boden liegenden Herthanern aufmunternd zurief: „Heulen hilft nicht.“ Der Meinung war ich auch. Das Thema mentale Stärke ging mich nichts an; ich fühlte mich mental stark, ja, vielleicht sogar mental überlegen. Und gab mir das Leben nicht auch Recht? Ich war erfolgreich. Ich hatte einen Karrierelauf hinter mir. Journalist, Musik-Verleger und -Manager, Film- und Fernsehproduzent, mit eigener Firma, die ich an die Börse brachte, Entdecker von TV-Stars und Sternchen, Entwickler erfolgreicher TV-Formate, Shows, Soaps und Magazine, die in aller Munde waren. Meinen mit Herzblut gedrehten Film B-Movie über mein West-Berlin und die Musikszene der 80er-Jahre durfte ich auf der Berlinale zeigen. All das war viel mehr als ein Job, es war Lust und Leidenschaft, ja, Erfüllung! Geliebt habe und wurde ich auch. Geheiratet habe ich, dreimal sogar und zuletzt unendlich glücklich. Und wenn ich unseren Sohn aufwachsen sah, schien das Glück kein Ende zu nehmen. „Zwei Dinge braucht der Mensch zum Glück: Arbeit und Liebe“, sagte Sigmund Freud. Ich hatte beides, im Übermaß, ich war auf der sunny side of life.

Was Sigmund Freud nicht sagte: Gesundheit gehört irgendwie auch zum Glück. Das erfuhr ich schlagartig im Winter 2016. Da bekam ich die Diagnose Krebs, Leukämie: „Herr Hoppe, Sie sind alt genug, um das zu verstehen: Ihre Chancen liegen bei 50:50.“ Ich hatte schon so viele dicke Bretter gebohrt, dann werde ich wohl auch noch dieses schaffen, dachte ich. Doch jetzt hatte ich mich verschätzt, maßlos überschätzt.

Kurz nach Beginn der Therapie und Komplikationen brach meine Welt zusammen. Ich hatte keine Kraft mehr, konnte es nicht ertragen, war am Ende. Ich wollte nicht weitermachen. Zermürbende Fragen stiegen auf: Wieso ich? Was habe ich falsch gemacht? Woher kommt diese Krankheit? Das heulende Elend, von mentaler Stärke keine Spur. Diese Challenge wollte ich nicht mehr angehen. Lass uns noch fünf geile Monate haben und dann war‘s das, sagte ich meiner Frau.

Dass es nicht so kam und ich meinen Willen wiederfand, hatte mit meiner Familie und ziemlich besten Freunden zu tun: Jörg, wir schaffen das…, haben sie mir gesagt. Nicht, DU schaffst das schon oder wird schon wieder, nein, WIR schaffen das. In diesem Moment habe ich verstanden, dass ich mit der Krankheit nicht alleine bin. Das hat mir die Kraft gegeben, mit dem Heulen aufzuhören, mich auf meine Stärken zu besinnen und sie zu aktivieren. Jetzt konnte ich anknüpfen an das, was mir vor der Erkrankung immer eigen war: Mich nicht im eigenen Elend zu verlieren, sondern das Leben in die Hand zu nehmen. Es eigenverantwortlich zu gestalten und nicht auf die anderen, die es schon irgendwie richten werden, zu warten. Ich muss es tun, nicht die anderen – das wurde mir klar.

Physisch war ich zwar am Boden, aber mental ging es bergauf. Ich wollte es schaffen. Und nur weil ich es wollte, ist es mir auch gelungen. So habe ich Chemotherapien und Bestrahlungen überstanden, die Stammzelltransplantation, einen Magendurchbruch, das anschließende depressive dunkle Tal. Wohlgemerkt: Ich brauchte dafür die Energie meiner Familie und Freunde. Sie gaben mir den Impuls, meine eigene mentale Stärke zu entfalten. Das ist wichtig zu verstehen. „It takes a village“, heißt es in einem afrikanischen Sprichwort, „to raise a child.“ Ich habe gelernt, es braucht ein Dorf, um mit einer lebensbedrohlichen Krise wie dem Krebs umzugehen. Wenn Du nicht allein bist, kannst Du viel leichter und wirkungsvoller Resilienz gegen die Gefahr mobilisieren. Das zeigen übrigens auch viele Studien.

Aus dieser Erfahrung heraus habe ich Ende 2018 gemeinsam mit Freunden yeswecan!cer ins Leben gerufen. Ein Netzwerk von Krebserkrankten und Angehörigen, die in der größten Krise ihres Lebens Kraft aus der Gemeinschaft schöpfen können. Der Claim bringt es auf den Punkt: Du bist nicht allein. Heute, Anfang 2021, sind 12.000 Krebs-Betroffene in der YES!APP registriert. Und ja, manche schreiben uns, dass sie in der Vernetzung mit anderen Betroffenen die Kraft gewonnen haben, den Kampf gegen den Krebs aufzunehmen.

Marc Chapoutier hat in diesem Buch Beiträge von Menschen zusammengetragen, die durch eine ähnliche Krise gegangen sind wie ich. Es ist nicht nur unglaublich berührend und auf- und anregend, sondern auch überaus lehrreich zu lesen, wie es jeder und jedem einzelnen gelungen ist, ihre oder seine Resilienz zu mobilisieren. Ich kann den einzelnen Autorinnen und Autoren gar nicht genug danken für ihre Offenheit und Ehrlichkeit danken. Es hat mir einmal mehr gezeigt: Du bist nicht allein. So unterschiedlich die einzelnen Lebenswege und Schicksale der hier zu Wort kommenden Menschen auch sind – allen gemeinsam ist, dass sie angesichts einer Krise gelernt haben, genau in sich hineinzuhören, auf sich zu vertrauen und eigene Energien in Bewegung zu setzen. Sie alle hat das Ringen um Leben und Tod nachhaltig verändert. Auch mich.

Das Geheimnis mentaler Stärke ist keins: Ihr findet es in den bewegenden Geschichten dieser Mutmacherinnen und Mutmacher.

Ich wünsche diesem wichtigen Buch und seinen Autorinnen und Autoren viele Leserinnen und Leser.

Jörg A. Hoppe

Das Geheimnis mentaler Stärke

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