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KAPITEL 2

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Sonntag, 12. Juli 1987

Die gespannte Erwartung im Wohnzimmer war buchstäblich mit Händen greifbar. Alle Gäste hatten sich hingesetzt, wo sie gerade Platz fanden; teilweise teilten sie sich sogar einen Sitzplatz, die Mehrzahl jedoch hatte es sich auf dem Fußboden bequem gemacht. »Lasst Cookie durch. Sie soll sich neben Dave setzen«, rief jemand. »Aber dann muss ich über zehn Leute hinwegklettern«, wandte sie ein. »Es ist schon okay, ich setze mich hierher.« Sie ließ sich auf die Lehne des Sessels sinken, in dem ihr Vater saß. Der nahm ihre Hand – eine überraschende Geste, die sie mit Freude erfüllte und zugleich ein wenig traurig stimmte.

»Und? Wie sieht’s aus, Cookele? Kommt mich dieser alte Starrkopf besuchen? Aber nein. Das wird er nicht tun, dazu ist er ja viel zu wichtig. Ich weiß schon, ich muss in seinen noblen Club gehen, hab ich Recht? Und du kannst Deena sagen, dass dein Vater das vielleicht auch tut. Wenn Jack Strauss mich auf Händen und Knien darum bittet, dann mach ich’s vielleicht.« Er lachte.

Cookie unterdrückte einen Seufzer, während sie die Vermutung beschlich, dass es nicht ganz einfach werden würde, die beiden alten Knaben zusammenzubringen. Aber der Applaus der Gäste beim Anblick der vertrauten Luftaufnahme von New York, die in diesem Augenblick auf dem Bildschirm erschien, ersparte ihr eine Erwiderung. Zumindest vorläufig.

Als Nächstes erschien Dick Wallachs vertrautes Gesicht und der Titel des Beitrags in fetten Lettern: AUFGEDECKT. Wieder brandete Applaus auf. »Wenn Sie den Beweis hätten, dass tagtäglich hilflose Kinder in ihren eigenen vier Wänden ermordet werden, würden Sie dann diesen Missstand nicht anprangern? Dave Adler hatte die Beweise dafür in der Hand und hat genau das getan. Dave Adler ist Sozialarbeiter und Mitarbeiter der Städtischen Sozialbehörde von New York und hat zahlreiche Fälle beobachtet, in denen Anzeigen wegen häuslicher Gewalt und Kindesmissbrauch nicht nachgegangen wurde. Nun, Dave Adler arbeitete für das System und vertraute ihm. Deshalb legte er seine Berichte bei den entsprechenden Behörden vor. Und war man ihm vielleicht dankbar dafür? Wurde er befördert? Nein, das wurde er nicht. Stattdessen wurde er in seiner Kompetenz beschnitten, man hat ihn geächtet, sein Gehalt auf die Hälfte gekürzt und seine Karriere zerstört. Und laut Dave passiert das jedem, der den Mund aufmacht.«

»Huh! So was nennt man heutzutage Nachrichten«, meinte Jonah, als das Gesicht des Reporters vom Bildschirm verschwand. »Aber habe ich das nicht auch schon früher gesagt? Glaubt mir, in Wahrheit gibt es nichts Neues mehr auf der Welt.«

»Shh, Jonah, das ist Daves Sendung«, meinte Dot, was zwar nicht ganz der Wahrheit entsprach, aber es war gut gemeint, dachte Cookie. Sie sah zu Dave hinüber, der auf dem Ehrenplatz mitten auf der Couch saß und gespannt den Bildschirm anstarrte. Eigentlich war der Fernseher viel zu klein für all diese Menschen. Dave hatte eines dieser Riesendinger mit 70-Zentimeter-Bildschirm haben wollen, aber Cookie hatte keine Lust, fast 1000 Dollar auszugeben, nur damit ein riesiges blindes Auge ihr gemütliches Wohnzimmer mit all den schönen mexikanischen Töpferwaren und dem hellen Teppich dominierte.

Dave starrte wie gebannt auf den Fernseher – wie ein Kind, das sich Zeichentrickfilme ansehen durfte, und ermahnte die Schlauköpfe, die ihre Kommentare abgaben, den Mund zu halten. Er sah so lebendig aus, und Cookie war froh, endlich wieder dieses Funkeln in seinen dunklen Augen zu entdecken wie damals, als sie sich kennen gelernt hatten. Das war ihr als Erstes an ihm aufgefallen – sein dunkler Teint und die Energie, die von ihm ausging. Sie waren einander im Bus auf dem Rückweg vom Marsch auf Washington begegnet, an dem Tag, als sie auch Deena getroffen hatte. Sie standen beide noch unter dem Bann der Magie dieses unglaublichen Tages, und es war Liebe auf den ersten Blick. Oder so etwas in dieser Art. Was auch immer es gewesen ist – sie waren bis zum heutigen Tag zusammen.

Sie betrachtete ihn so, wie sie es schon seit einer Ewigkeit nicht mehr getan hatte. Er war auf attraktive Weise älter geworden; nur ein paar vereinzelte silberne Strähnen im Haar und im Bart, sonst nichts. Die dichten, kräftigen Locken waren etwas dünner geworden, aber er zeigte keine Anzeichen einer Glatze, wie so viele seiner Freunde. Und die vergangenen drei Jahre Training im Fitness-Club, die fünf Meilen, die er täglich lief, ob bei Sonne, Regen, Schnee oder Eis, hatten ihn muskulös werden lassen.

Das war auch den Frauen im Haus nicht entgangen. »Meine Güte, einen Mann mit so einem Körper zu haben muss ja ein echter Augenschmaus sein«, hatte Molly Santangelo mit ihrem losen Mundwerk bemerkt.

Cookie wusste noch, wie erschrocken sie auf diese Bemerkung reagiert hatte. Dave war eben Dave. »Er fühlt sich nicht anders an als früher.«

»Klar, Cookie. Erzähl mir doch nichts!«

Sie fragte sich, was Molly wohl dazu sagen würde, wenn sie wüsste, dass Cookie gerade an dem Abend, als Dave nach Hause kam und erzählte, dass er degradiert und sein Gehalt auf die Hälfte gekürzt worden war, die Scheidung vorschlagen wollte. Sie erinnerte sich noch an jedes Wort ihrer kleinen vorbereiteten Ansprache und war sich nicht einmal sicher, ob sie sie nicht eines Tages doch noch halten würde.

Niemand in diesem Raum hatte auch nur die leiseste Ahnung von all dem. Würde sie jetzt die Katze aus dem Sack lassen, würden sie sie mit offenem Mund anstarren. Und dann würden sie in Gelächter ausbrechen und glauben, sie hätte einen Scherz gemacht. Cookie und Dave Adler galten als perfektes Paar, die alles miteinander teilten und eine wunderbare, harmonische Ehe führten.

Das hatte sie bis vor drei Jahren auch gedacht. Die Kinder waren ausgezogen, und mit einem Mal waren sie allein. Zumindest in gewisser Weise. Sie und Dave sahen einander ziemlich selten. Er hatte seine Sitzungen, sein Training im Fitness-Club, seine wöchentliche Pokerrunde und jede Menge Arbeit, die er jeden Abend mit nach Hause brachte. Sie hatte ihre Gymnastikstunden, die Stadtteilbehörde, die Frauengruppe, ihren italienischen Konversationskurs und jede Menge Arbeit, die sie jeden Abend mit nach Hause brachte. Sie bekam ihn kaum zu Gesicht, darauf lief es letztendlich hinaus.

Und genau um diese Zeit schien die Hälfte der Frauen um sie herum zu sagen: »Schluss. Wir kriegen es nicht in den Griff. Ich gehe!« Sogar ihre beste Freundin Lois.

Und sie saß noch immer im selben alten Apartment, mit ihrem alten Leben, während all die Frauen um sie herum die Fesseln abstreiften und sich um ihr eigenes Leben kümmerten. Die Aufregung, die Freiheit, die Möglichkeiten! Allein beim Gedanken daran wurde ihr beinahe schwindlig. Vielleicht hatte sie zu jung geheiratet und sich zu früh an jemanden gebunden, nur weil er behauptet hatte, er liebe sie. Vielleicht war das der Grund, dass sie von Zeit zu Zeit das Gefühl hatte, etwas versäumt zu haben... obwohl sie nicht sagen konnte, was.

Romantik. Das war es. Das hatte sie nie gehabt. Und das würde sie auch nie haben. Sie hatte einen Mann geheiratet, weil er gut zu ihr passte und die richtige politische Meinung hatte. Und in erster Linie, weil er sie mochte.

Es war auf der Rückfahrt vom Marsch auf Washington. Der 28. August 1963. Ein dunkelhaariger, gut aussehender junger Mann saß neben ihr, und nach einer Weile kamen sie ins Gespräch.

Natürlich fühlte sich an diesem Tag jeder mit jedem verbunden. Cookie, die sich nicht für ein Mädchen hielt, zu dem sich Männer besonders hingezogen fühlten, war einigermaßen überrascht, als sie feststellte, dass er sich mit ihr unterhalten wollte. Das Gespräch drehte sich in erster Linie um Details von Dr. Kings Rede, darum, wie einem die Macht und die Eloquenz dieses Mannes einen Schauer über den Rücken gejagt hatten. Und die Menge! All diese Menschen! Das musste das Ereignis des Jahrhunderts sein!

»In meinem ganzen Leben war ich noch nie so aufgeregt«, erklärte er, packte ihre Hand und drückte sie, ohne es zu bemerken. »Heute wurde Geschichte geschrieben, und wir waren dabei... Ist Ihnen das klar?« Sie unterhielten sich weiter, und es war so leicht und unbeschwert. Er lachte sie auf diese ganz bestimmte Weise an, die ihr Herz klopfen ließ. Fand er sie attraktiv? Sie konnte es nicht genau sagen. Sie wusste zwar, dass Jungs gern Sex haben wollten, aber das hier war anders.

»Haben Sie schon mal was von der Coop-Siedlung gehört?«, fragte er sie.

»Davon gehört? Ich habe früher dort gewohnt.«

»Ehrlich. Mein Gott, ich wünschte, wir hätten auch dort gelebt. Aber meine Eltern haben mich auf eine mittel shul geschickt.« Er warf ihr einen vielsagenden Blick zu. »Ich bin froh, dass wir uns kennen gelernt haben.«

Also musste er wohl ein richtiger Linker sein. Wie schön. Das bedeutete, sie würde ihn nicht belügen, ihre Herkunft verheimlichen und irgendwelche Geschichten erfinden müssen. Sie lächelte ihn an. »Aber das haben wir doch noch gar nicht.«

Er sah sie verwirrt an. »Was meinen Sie damit?«

»Wir haben uns noch nicht kennen gelernt.« Was war denn das? Sie war nett zu diesem Jungen, scherzte mit ihm. »Ich bin Cookie Gordon. Eigentlich Karla, aber alle nennen mich Cookie.«

»Hi, Cookie. Ich bin Dave Adler. Wieso habe ich Sie noch nie in der Siedlung gesehen?«

»Weil wir 1953 von dort weggezogen sind.« Sollte sie es riskieren? »Mein Vater musste... weg von dort.«

Er nahm ihre Hand, doch ließ er sie verwirrt gleich wieder los. »Er stand auf der schwarzen Liste«, flüsterte er. »Ich verstehe.«

Papa hatte zwar nicht auf der schwarzen Liste gestanden, aber es war angenehm, mit jemandem zu reden, der über diese Zeit Bescheid wusste. Obwohl McCarthy inzwischen tot war, hatte sie noch immer Angst und das Gefühl, aufpassen zu müssen, um nichts Falsches zu sagen. Es war, als hätte sie zwei Leben – eines zu Hause und eines in der Öffentlichkeit. Sie war all das so leid.

Als sie schwieg, griff er wieder nach ihrer Hand und hielt sie dieses Mal fest. »Tut mir Leid«, meinte er. »Wir brauchen nicht darüber zu reden. Sie sind viel zu hübsch, um so traurig zu sein.«

Hübsch. Er fand sie also hübsch. Cookie errötete und stellte dankbar fest, dass es draußen dunkel wurde und er ihr Gesicht nicht sehen konnte. Ihr Herz hämmerte noch schneller. Vielleicht war er ja der Mann, der sie aufrichtig lieben würde.

Und so war es. Von diesem Tag an verbrachten sie ihre gesamte Freizeit zusammen. Das war die Liebe – zumindest glaubte sie das.

In letzter Zeit dachte sie häufig an diese erste Begegnung zurück, rief sich in Erinnerung, wie ihre Eltern einander kennen gelernt hatten. »In dem Augenblick, als wir uns gesehen haben, wussten wir ...« Genauso sollte es sein. Und so war es auch bei ihr. Sie hatte nicht einmal Gelegenheit gehabt, ihn richtig kennen zu lernen, bevor sie geheiratet hatten. Und nun war sie an ihn gebunden. Das war nicht fair! Ihre Freundin Lois war so alt wie sie, ihre Kinder waren fast erwachsen, und sie bekam eine zweite Chance.

Vor drei Jahren! Es hätten ebenso gut drei Jahrhunderte sein können. Sie hatte ihre kleine Rede vorbereitet, mit der sie ihm erklären wollte, dass sie im Grunde keine Scheidung im klassischen Sinn anstrebte, sondern eher eine Trennung, die ihr ein wenig Raum und Zeit gewährte, um ihre Gedanken und Gefühle zu ordnen. Alles ganz vernünftig und rational, sorgfältig darauf angelegt, ihm keinen Vorwurf zu machen oder irgendeine Schuld zu geben, sondern nur ihn um Verständnis zu bitten.

Sie unternahm mehrere Anläufe, aber es schien nie der richtige Zeitpunkt zu sein. Und eines Freitags lehnte sie sich gegen das Waschbecken im Badezimmer, blickte in ihr Spiegelbild und sagte zu sich selbst: »Hör endlich auf, es hinauszuzögern, Mädchen. Heute Abend. Entweder du sagst es ihm heute Abend, oder du vergisst das Ganze.« Sie war vorbereitet und hatte sich sogar umgezogen. Im Garderobenschrank hinter den Winterstiefeln stand ein fertig gepacktes Köfferchen. Sie saß im Wohnzimmer, das Gesicht der Tür zugewandt, und fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen, während sie darauf wartete, endlich das Geräusch seines Schlüssels in der Haustür zu hören. Als es so weit war, erschrak sie fast zu Tode.

Und dann kam er herein. Sein Gesicht war aschfahl, und er sah so ganz anders aus als sonst. Seine eigene Abteilung hatte ihn im Stich gelassen. Er war abgesägt worden, ein erbitterter Krieg war ausgebrochen, und es kam eine sehr schwere Zeit auf ihn zu.

An diesem Abend sagte sie nichts. Sie wusste nur allzu gut, wie es war, mit einem Mann zusammenzuleben, der unter Druck stand. Diese Lektion hatte sie auf die schlimmste Art und Weise gelernt, damals in Millville. Mit Papa. Dave würde jede Unterstützung nötig haben. Und eines brauchte er jetzt ganz bestimmt nicht: eine Frau, die von Scheidung redete. Sein Handeln war ein Beweis für seine Gewissenhaftigkeit und seinen Mut. Sie war vielleicht nicht glücklich, doch neben dem, was er tat, waren ihre Gefühle doch absolut lächerlich. Doch immer wieder lag sie in den frühen Morgenstunden wach im Bett und weinte lautlos, während er neben ihr schnarchte.

Leises Gemurmel machte sich im Wohnzimmer breit, als Daves Gesicht auf dem Bildschirm erschien. Und all diese Besserwisser mussten natürlich irgendeinen Kommentar abgeben.

»Dave, wieso lächelst du denn nicht?«

»Weswegen sollte ich?« Pause. »Außerdem war ich verflixt nervös.« Gelächter.

»Verdammt noch mal, Dave, mir ist bisher gar nicht aufgefallen, was für ein gut aussehender Kerl du bist.«

»Das ist doch Dirk Wallach!« Noch mehr Gelächter.

Dabei war Dave wirklich ein gut aussehender Mann. Er war klug und ... nett. Er verdiente eine andere Frau, eine, die ihn liebte und bewunderte und nicht pausenlos an ihm herummäkelte und unglücklich war.

Zum Teufel! Schluss jetzt mit diesen Gedanken. Sie konzentrierte sich wieder auf seine Stimme, die bestimmt aus den Lautsprechern drang.

»Ich habe dem System vertraut«, sagte er. »Ich war naiv. Ich dachte, die Sozialbehörde will es wissen, dass es Sozialarbeiter gibt, die einfach zu überarbeitet sind, um sich um Fälle von Kindesmissbrauch zu kümmern.«

»Aber Sie haben sich geirrt.«

»Geirrt ist noch zu milde ausgedrückt. Keiner bei der Behörde wollte etwas davon wissen. Stattdessen sollte ich den Mund halten, das Ganze vergessen und von der Bildfläche verschwinden.«

Cookie ließ ihre Gedanken schweifen. Sie kannte diese Geschichte von A bis Z. Dave hingegen war wie gebannt. Wie konnte es ihm Freude bereiten, all den Schmerz noch einmal zu durchleben?

Sie konnte sich noch daran erinnern, wie er mit der Faust auf den Esszimmertisch geschlagen und mit den Tränen gekämpft hatte. »Verdammt noch mal, Cookie, während sie Zeit verschwenden und alles leugnen, während sie wegsehen und so tun, als existiere all das nicht, sterben da draußen Kinder!«

An diesem Abend schrieb er einen anonymen Brief an die Zeitungen, an den Staatsanwalt, den Gouverneur und alle, von denen er glaubte, sie besäßen genug Macht, um einzugreifen. Später räumte er ein, dass es wahrscheinlich ein Fehler gewesen war. »Es hätte mir klar sein müssen, dass niemand Notiz davon nimmt.«

Aber es kam noch schlimmer. Sie nahmen nicht nur keine Notiz, sondern machten ihn mithilfe seiner Handschrift ausfindig! Das schockierte ihn mehr als alles andere.

Cookie flehte ihn an, zu kündigen und für eine private Firma zu arbeiten. »Ich hätte mir einen anderen Job suchen können«, sagte Dave jetzt, »aber es war eine Frage des Prinzips.«

Ihr Vater beugte sich in seinem Sessel vor. »Gib’s ihnen, Dave!«

»Shh, Jonah!«

Jetzt war Dave von hinten zu sehen, wie er den Korridor in seinem Bürogebäude entlangging, wobei seine Schritte unheimlich in der Stille widerhallten. »Keine Ahnung... ich war mir so sicher, dass jeder etwas tun kann, dass man nur am Ball bleiben muss. Aber jetzt... ich weiß nicht... vielleicht sollte ich ja doch kündigen.«

Cookie wandte den Blick vom Bildschirm ab und sah ihren Mann an. Doch er zuckte nur kurz mit den Schultern, was ihr verriet, dass er nicht darüber reden wollte. Wie oft hatte Jon auf ihn eingeredet zu kündigen, sich einen anderen Job zu suchen? Doch er hatte sich niemals anmerken lassen, dass er diese Idee ernsthaft in Erwägung zog. Er hatte sich geweigert, darüber zu diskutieren, und Jons Einwände mit einer knappen Geste abgetan. »Du verstehst das nicht«, hatte er gesagt. Oder: »Ich denke darüber nach«, was offenkundig gelogen war.

Verdammt noch mal, nach all den Stunden, die sie im Bett gelegen, die Arme um ihn geschlungen und gegen den Schlaf angekämpft hatte, damit er reden, reden, reden konnte, endlos das Ganze wieder und wieder durchkauen und immer wieder neu diskutieren konnte. Man sollte doch annehmen, er hätte wenigstens mit ihr über eine neue Karriere gesprochen!

Was wollte sie eigentlich von ihm? Er entzog sich doch grundsätzlich jedem intimeren Gespräch. Er würde niemals zugeben, dass er unglücklich war. Und wenn sie etwas sagte, das vermuten ließ, dass sie selbst unglücklich war, erwiderte er, ihr sei doch nur langweilig. Er ging mit ihr ins Kino, bestellte beim Chinesen Essen oder schlief mit ihr. »Jetzt geht’s dir schon besser, oder?«, sagte er dann. Er würde alles tun, nur um nicht mit ihr reden zu müssen.

Doch derselbe Mann konnte mitten in der Nacht am Telefon sitzen, reden und geduldig einem seiner Schäfchen lauschen, wenn sie ihn anriefen. Oh ja, sie bekam so oft zu hören, was für ein einfühlsamer und verständnisvoller Mann Dave Adler war.

Sie wandte sich ihm erneut zu, doch er war inzwischen aufgestanden und streckte sich, während im Fernsehen ein Werbespot für eine Versicherung lief. Jemand erhob sich und schaltete das Gerät ab. Dave Adlers großer Moment war vorüber, und alle im Raum standen nun und applaudierten ihm, während sich ein halb verlegenes, halb selbstzufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. Cookie wünschte, sie könnte sich mit ihm freuen.

Papa hob sein Glas. »Unser Held... Was für ein Glückstag, als meine Tochter Cookie ihm begegnet ist«, verkündete er, und Cookie musste sich zwingen, angemessen stolz zu wirken, während sich in ihrem Inneren ein Gefühl wachsender Einsamkeit ausbreitete.

Im Haus des Vaters

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