Читать книгу Amor Amaro und die tote Domina - Marco Toccato - Страница 10
Holger fällt aus allen Wolken
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ch war umgestiegen und auf dem folgenden Weg geht mir das Gespräch mit Skribiatin nicht aus dem Kopf. ,Warum hat er so heftig reagiert? Hatte er was mit Shanaia Trepkow? Wem will er auf den Zahn fühlen? Er weiß womöglich, wer für den Tod der Lynxie Lady in Frage kommt. Da muss ich dranbleiben!'
Doch jetzt muss ich mich auf mein Gespräch mit Holger konzentrieren. Er ist zwar mit mir befreundet, aber seitdem er beim letzten Mal kurzzeitig suspendiert war, ist er äußerst vorsichtig und formell. Er kann sich und seine Stellung im Präsidium nicht in Gefahr bringen, denn er sorgt für seine junge Familie.
„Grüß dich, Holger! Na, habt ihr schon was zur toten Domina?“
„Tach, Amor. Nee, wir haben noch nichts. Jetzt beginnt die Kärrnerarbeit. Jeden Gast und jeden Stammkunden müssen wir uns vorknöpfen, zu dritt. Das kann Jahre dauern. Aber was willst du hier. Pfusch' mir bloß nicht schon wieder in unserem Fall rum.“
„Muss ich, weil ich von Glatzow beauftragt worden bin, möglichst schnell den Mörder und den Hintergrund zu finden, damit es sich nicht auf sein Geschäft auswirkt.“
„Das hat uns noch gefehlt, dass du uns wieder zwischen den Füßen rumstapfts. HK GKs Nerven sind sowieso schon kurz vorm reißen."
Kaum hat Holger das gesagt, geht auch schon ein Gebrüll durch die Büros. Große Kleinhaus hat Besuch vom ermittelnden Staatsanwalt: „Jetzt kommen Sie mir auch noch mit Diskretion. Kehr, die gehen auch nur kacken!" schreit er Oberstaatsanwalt Gunther von Strebnitz an.
„Halten Sie sich mit Ihren Fäkalausdrücken mir gegenüber zurück, mein Lieber, sonst war's das!“
„Was war's dann, he? Und außerdem ist das nur ein Zitat eines anerkannten Ruhrpott Poeten, nämlich von Frank Goosen[2]! Aber drohen Sie mir nur. Das haben schon viele getan und ich bin immer noch hier ..." und viel leiser „... aber nicht mehr lange.“
„Genau Herr Hauptkommissar, das meine ich. Ich werde Sie sofort von dem Fall abziehen. Sie waren noch nicht ganz zurück, da hatte ich schon drei Anrufe von Kronenburger Schwergewichten. Sie müssen sich wie der berühmte Elefant betragen haben. Das können wir uns nicht leisten." schnaubt von Strebnitz.
„Haben Sie noch andere Fälle oder ist das der einzige im Moment?“
„Nee, bis auf die Domina liegt für mich nichts mehr an. Wir haben schon angesichts meiner Pensionierung alle Sachen umverteilt.“
„Wissen Sie was, dann packen Sie doch bitte Ihre Sachen zusammen und räumen Sie schon jetzt Ihren Schreibtisch. In Ihren letzten fünf Tagen können Sie sowieso nichts mehr machen."
Mittlerweile waren Holger und ich in HK GKs Büro getreten und wir bekamen alles mit. Werner Große Kleinhaus sitzt an seinem Schreibtisch mit offenem Mund und tiefrotem Gesicht. Von Strebnitz wirkt ebenfalls aufgeregt, aber auf eine distinguierte Art und Weise. Er dreht sich um, geht an uns vorbei aus dem Zimmer und verschwindet.
„Scheisse, Werner, kannst du nicht die Schnauze halten? Jetzt müssen Paul und ich alles machen. Ich weiß nicht, wo wir anfangen sollen." Holger ist ratlos.
„Holger, betrachte mich doch ausnahmsweise mal als Hilfe. Lass' die ganzen klischeehaften Animositäten ,Bulle – Detektiv‘ aus den Tatortfilmen und binde mich inoffiziell ein. Denk nur dran, wie ich letztes Mal deine Frau rausgehauen und davor das mit der toten Nachbarin [Buch 1] gewuppt habe. Bisher habe ich euch nur geholfen.“
„Stimmt, aber das kann ich doch nicht machen, ,dich inoffiziell einbinden‘, wie stellst du dir das denn vor?“
„Ganz einfach, ab und zu komme ich dich besuchen und du lässt mich einige Minuten allein in deinem Büro, wo die Akte liegt. Holst uns 'n Kaffee oder so. Schüttle nicht den Kopf, ich hab auch schon was für euch und du kriegst es, wenn du zustimmst.“
„Amor, so einfach zustimmen kann ich da nicht, aber wenn sich solche Situationen in Zukunft mal ergeben, dann ergeben sie sich. Aber Spaß beiseite, wenn du was hast, was zum Fall gehört dann MUSST du es mir sagen oder geben."
Ich greife in meine Jackettasche, hole das gefaltete Papiertuch heraus und drücke es ihm in die Hand.
„Raucht der Cornelius eigentlich?" frage ich ihn dabei.
„Welcher Cornelius?" Klingt wie eine Verlegenheitsfrage.
„Na der Alt-OB, dem wir hier das Y-Haus verdanken. Du weißt genau, wen ich meine!“
„Ach den meinst du. Nein, der raucht meines Wissens nach nicht, warum?“
„Schau mal nach, was ich dir gegeben habe. Das sind Zigarettenkippen, die dann von dem anderen Herrn sein müssen!"
Holger wird schlagartig blass.
„Welchen anderen Herrn meinst du?“
„Ich kenne den, aber mir fällt nicht ein woher und wer er ist. Cornelius und er haben sich wohl auf dem Dachboden versteckt und eure glorreiche Spurensicherung hat wohl vergessen, gründlich nach Spuren zu suchen. Außerdem habe ich noch was und auch das habe ich schon gesehen, aber wo ...?" Ich gebe ihm den silbernen Anhänger.
Jetzt ist er sehr nervös. Er fällt aus allen Wolken.
„Bitte Amor, unser Arrangement steht, aber bitte sag nichts zu niemand!“
„Weißt du etwa, dass die beiden auf dem Dachboden waren? Wer ist der zweite Mann?“
„Aber du hältst dicht, hast du gehört! Mit dem ist nicht gut Kirschenessen. Der zweite ist Randolph Kleep, der Vorstand der Kronenburger Energiebetriebe. Der liefert sich schon seit Jahren wahre Gefechte mit anderen Vorständen und ist nicht zimperlich dabei. Wenn von seiner Anwesenheit dort was publik wird, kann sich der, der es publik gemacht hat, auf's Auswandern konzentrieren. In Kronenburg kriegt der kein Bein mehr auf den Boden.
Ich sehe Holger an, wie er leidet und ich sehe auch die zwei Stühle, zwischen denen er hängt.
„OK, kann ich nachvollziehen. Umso wichtiger, dass du mich dabei hast. Du bleibst außen vor und mir kann der gar nichts, aber ich, ich kann ihn etwas kitzeln. Wenn was dabei rumkommt, erfährst du das.“
„Sei bloß vorsichtig, Amor! Helene will dich wenigstens zum Geburtstag und an Weihnachten sehen. Es wäre schlimm, wenn du dafür immer ein Flugzeug bräuchtest." Etwas gelöster sieht er schon aus. Ach und bitte, hau die SpuSi nicht wegen deines Fundes in die Pfanne. Bei denen und mir hast du was gut!"
,Sehen Sie, hab ich's nicht gesagt! Mission accomplished! Win Win Win!' Nun kann ich gehen, „Tschüss Holger! Ich melde mich! Grüße Helene und Elena von mir."