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ОглавлениеRegen tropfte an das Fenster, es war grau in grau. Inga murmelte: » Jetzt kommt der trübe, lange Winter. Wenn es schon am ersten Oktober unter zehn Grad bleibt, wird der Winter bestimmt wieder so hart wie im letzten Jahr.«
»Der vergangene Winter war unangenehm, nur die Hauptstraßen waren geräumt und in allen kleineren Straßen hatte sich ein Eispanzer mit Spurrillen gebildet. Manchmal war das Eis in der Mitte so hoch, dass man fürchten musste, sich den Auspuff abzureißen.«
»Und wenn ein Fahrzeug am Straßenrand parkte, kam man kaum aus den Spurrillen und musste aufpassen, dass man nicht wieder hineinrutschte und das Fahrzeug touchierte.«
Inga war total erschöpft aber zufrieden, denn sie hatte ihren ersten Etappensieg errungen. Sie saß gerade im Taxi, welches sie vom Krankenhaus Ost nach Hause fahren sollte und freute sich, mit dem südländischen Taxifahrer einige nette Worte während der etwa dreißigminütigen Fahrt zu wechseln.
Herr Strecker, ihr frisch engagierter Anwalt, war ihr sehr wohl gesonnen gewesen und hatte sich beeilt. Noch am Donnerstagnachmittag war er für sie tätig geworden und hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, so dass er sie schon heute, am ersten Oktober, gleich morgens besucht hatte und sie sofort mit in die Freiheit nahm.
Petra würde den grauen Winter nicht mehr über sich ergehen lassen, das war klar. Inga hatte erahnt, wie sich Petra mit den Zimmer- und Schrankschlüsseln befreien wollte, deshalb war sie auch hart geblieben und hatte ihr die Schlüssel erst heute bei ihrem Abschied überlassen.
Petra hatte zwar schon gestern Nachmittag unaufhörlich gejammert und gebettelt, aber Inga brauchte noch Bedenkzeit, ob sie Petra die Schlüssel unter diesen Umständen überhaupt überlassen konnte. Außerdem hätte Petra am Ende noch Ingas Freiheit gleich mit auf Spiel setzen können, wenn sie zu unvorsichtig ans Werk gegangen wäre.
Inga hatte lange mit sich gerungen und sich dann für Konsequenz entschieden: Erstens hatte sie mit Petra die Vereinbarung getroffen, dass sie ihr das Schlüsselbund bei der Abreise übergibt und zweitens war sie nach wie vor der Überzeugung, dass jeder Mensch das Recht hatte, seinem Leben selbstbestimmt ein Ende zu setzen.
Dieses Recht nahm sie auch für sich selbst in Anspruch. Nicht umsonst trug sie in ihrem Jackensaum genügend gesammelte Beruhigungsmittel durch die Gegend, um sich zehnmal frei zu fühlen. Petra stellte sich vielleicht genau jetzt einen starken Cocktail aus den Medikamentenschränken zusammen, um genüsslich ins Nirwana zu entschwinden.
Inga fühlte einen Stich im Herzen, mit Petra hatte sie so eine Art Seelenverwandte getroffen. Oder war es bereits eine abgewandelte Form von Stockholmsyndrom, dass sie sich nach längerer Gefangenschaft einer Leidensgenossin und nicht dem Entführer an den Hals warf. Sie bedauerte in diesem Moment zutiefst, dass sie Petra nie wieder sehen würde.
Das Taxi war jetzt schon in der Pappelstraße und näherte sich ihrem Zuhause. Inga traute ihren Augen nicht, als sie Rainer und eine sehr junge Frau an einer Fußgängerampel stehen sah. Sie unterhielten sich angeregt und trugen beide große undefinierbare Pakete im Arm. Inga erinnerte sich, dass sie bei ihrem letzten Osterurlaub Skifahrer mit ähnlichen Paketen in der Gondel der Seilbahn gesehen hatten. Diese Skifahrer transportierten ihre Paraglidingschirme vor dem Bauch, mit denen sie sich kurz darauf steile Abhänge hinabstürzten und dann mit angeschnallten Skiern und geöffneten Paraglidingschirmen über ihre Köpfe hinweg flogen. Aber Inga glaubte nicht eine Sekunde daran, dass Rainer unter die Paraglider gegangen war. Zudem hätte er dann den Schirm nicht einfach so aufgerollt durch die Straßen getragen. Außerdem war diese Sportart eher etwas für Lebensmüde, hatten sie beide damals festgestellt, denn schon eine schräge Windböe konnte einen tödlichen Absturz verursachen.
Auf diese Art aus dem Leben zu scheiden, wäre auch eine Option, überlegte Inga. Wenn man mit klarem Kopf nachdachte, war es doch nicht so schwer, sich umzubringen, ohne für die Hinterbliebenen die Lebensversicherung zu riskieren.
Das Taxi bog in ihre Straße ein. Inga griff in die Tasche und fühlte, ob die Hundert Euro von Anwalt Strecker noch in Sicherheit waren. Strecker hatte ihr das Geld vorgestreckt und angemerkt, dass er den Betrag mit auf die erste Rechnung setzen würde. Für ihn begann die Arbeit jetzt erst richtig, denn das Betreuungsverfahren war durch Ingas aktuelle Freiheit nicht ausgesetzt, es wurde nicht mal davon tangiert. Inga lief Gefahr, schon sehr bald unter Rainers Betreuung zu stehen. Der Rechtsanwalt und Notar hatte Inga die Lage eindringlich und präzise erläutert, worauf sie ohne zu zögern entschied, Herrn Strecker einen Folgeauftrag zu erteilen.
Inga zahlte und gab dem Taxifahrer ein anständiges Trinkgeld. Sie sah dem Wagen nach, bis er um die Ecke gebogen war. Nun hoffte sie, dass Trudi zu Hause war, damit sie sich den Ersatzschlüssel besorgen konnte, um die Haustür zu öffnen. Dass sie sich mit der tratschenden Trudi dabei unterhalten musste, war ein geringeres Übel, als Rainer auf seinem Handy anzurufen. Sie stutzte, seine Handynummer hätte sie eh nicht gehabt. Inga war sogar ganz froh, dass Rainer nicht zu Hause war. Und Marc war sicher sowieso in Süddeutschland in seinem Internat.
Genüsslich nahm sie den Schlüssel aus ihrer linken Hand und steckte ihn mit rechts ins Schloss. Welche Macht einem die richtigen Schlüssel im Leben doch gaben. Dieser Schlüssel war ihr vertraut, er war in ihrer Hand warm und wärmer geworden, während sie bei Trudi im Flur ausharrte und ihr Rede und Antwort stand. Inga war sehr zufrieden mit sich, denn sie hatte bis zum Ende ausgehalten und Trudi ganz viel vom Vorgefallenen erzählt. Das hatte sie nicht ganz ohne Berechnung getan, denn sie war unsicher, was Rainer während ihrer Abwesenheit für Geschichten über sie in Umlauf gebracht hatte. Und Trudi würde jetzt sofort loslaufen und die Neuigkeiten von Inga brühwarm in alle Richtungen verteilen. Es war Inga wichtig, nicht als halbirre durchgeknallte Frau zu gelten, sie wollte hier weiterhin wohnen!
Inga trat in den Flur und meinte, einen zarten Duft wahrzunehmen, den sie nicht kannte. Ob Rainer Probleme hatte, den Männermief rauszubekommen, wenn er den ganzen Tag arbeitete und niemand lüftete oder aufräumte? Sie sah sich um, aber nirgends war ein Duftspender zu entdecken. Eigentlich passte der Duft auch nicht zu solch einem Raumlufterfrischer, es duftete eher nach einem sorgsam ausgewählten, dezenten Parfüm.
Sie überlegte, dass sie jetzt am besten beim Bahnhof anrufen sollte, um sich eine Zugverbindung nach Augsburg zusammenstellen zu lassen..
Sie ging zielstrebig ins Wohnzimmer, fand das Telefon auf dem Couchtisch, holte sich Papier, Kugelschreiber und Telefonbuch und wählte bald die Nummer der Deutschen Bahn. Während sie in der Warteschleife hing, lief sie im Wohnzimmer auf und ab. Sie merkte, dass sie sich lieber etwas schonen sollte, und setzte sich auf das Sofa. Die schwarze Strickjacke, die über der Lehne lag, schob sie zu Seite. Sie stutzte, als sie wieder diesen Duft aus dem Flur in der Nase hatte, diesmal sogar noch viel intensiver. Sie betrachtete die Jacke genauer. Am Kragen war ein Aufnäher mit Strasssteinchen in Form des Buchstabens J befestigt. Es war also nicht Rainers Jacke, sondern eindeutig eine Damenjacke. Deshalb auch dieser feminine Duft. Warum sollte denn Marcs Freundin hier gewesen sein, hatte er überhaupt eine Freundin? Hielt sich Marc zurzeit wieder in Bremen auf? Ein Hoffnungsschimmer durchfuhr sie, war er vielleicht der Liebe wegen zurückgekehrt? Inga musste gleich in Marcs Zimmer nachsehen. Sie stürmte zur Treppe, jetzt meldete sich endlich ein Berater der Deutschen Bahn.
Inga entschied sich für eine Bahnverbindung, die um dreizehn Uhr neunzehn am Bremer Hauptbahnhof begann. Sie bestellte sich gleich ein Leihfahrrad für Augsburg dazu, so war sie dort unabhängiger. Der Zug kam zwar erst gegen 21 Uhr in Augsburg an, aber um diese Jahreszeit sollte es in der Augsburger Innenstadt kein Problem sein, ein Hotelzimmer zu finden.
Inga legte das Telefon im Flur auf der Station ab, ignorierte fürs Erste den hektisch blinkenden Anrufbeantworter und machte sich auf den Weg in Marcs Zimmer. Sie musste Gewissheit erlangen, ob er wirklich in Bremen war. Aber selbst wenn er da sein sollte, wusste Inga, dass sie auf alle Fälle nach Augsburg fahren musste, obwohl es ihr ein ungutes Gefühl in der Magengrube verursachte. Sie wollte ihn nicht gleich wieder alleine lassen. Andererseits brannte sie darauf, nach der apathischen Phase der Depression etwas vom verpassten Leben aufzuholen. Sie wollte nicht wieder wie die Glucke am Bremer Rathausbogen zu Hause sitzen und allen ein schönes Nest bereiten. Inga schweifte ab und dachte an die Sage von der Gründung Bremens, wonach Fischer sich hier an der Weser ansiedelten, weil sie eine Gluckhenne beobachtet hatten, die sich mit ihrem Nachwuchs auf einer Düne niederließ. Diese Sage wurde erst im 19. Jahrhundert von Friedrich Wagenfeld geschrieben und war heute trotzdem fester Bestandteil der Bremer Geschichten, und für viele auch der Bremer Gründungsgeschichte, vermutete Inga. Sie stand in Marcs Jugendzimmer und betrachtete das abgezogene Bett und den leeren Schreibtisch. Nein, er war sicher nicht in Bremen.
Vielleicht gar nicht schlecht, so konnte sie ohne Gewissensbisse nach Augsburg fahren und dort tiefe Einblicke in die Psyche eines Rasers erhalten. Manchmal tauchten schließlich die guten Ideen auf, wenn man eine Sache Schicht für Schicht sezierte. Vielleicht hatte sie während des Prozesses einen Einfall, womit man die Raser auf psychischer Ebene packen und von der Raserei abhalten konnte.
Falls Marc wirklich in Bremen gewesen wäre, noch dazu mit Freundin, hätten es zu Hause auch einige nette Familientage werden können, dachte Inga, wenigstens dieses eine Wochenende, der Prozess begann erst am Montag. Ein Zug am Sonntagabend hätte gereicht, um rechtzeitig in Augsburg zu sein.
Obwohl, grübelte sie, in Bremen herrschte an diesem Wochenende so etwas wie Ausnahmezustand, denn die offiziellen Feierlichkeiten zur Wiedervereinigung fanden dieses Jahr turnusgemäß in Bremen statt. Dazu gehörten verschiedene jahrmarktähnliche Veranstaltungen, zu denen jeweils Tausende von Gästen erwartet wurden. Sie hatte viel darüber im Weser-Kurier gelesen, dazu war in Bremen Ost genug Zeit gewesen.
»Einheitsfeier hin oder her«, murmelte sie, »auch wenn die Millionen Gäste der Einheitsfeier am dritten Oktober fast gleichzeitig am Sonntag wieder nach Hause fahren wollten, für mich hätte es sicher noch einen Stehplatz im Zug nach Augsburg gegeben.« Aber Rainer, kam es ihr in den Sinn, wer weiß, was der mit ihr anstellen würde. Aus lauter Fürsorge würde er sie sicher unter einem Vorwand wieder in einer Psychiatrie abliefern, vielleicht diesmal bei der Klinik Dr. Heines im Stadtteil Oberneuland. Sie kicherte leise vor sich hin, Harald Juhnke hatten sie dort auch nicht wirklich helfen können. Manchmal konnte man sich nur selbst helfen.
Oh ja, Rainer, überlegte sie, wenn das Krankenhaus Ost ihn inzwischen per Handy von ihrer Abreise informiert hatte, könnte er jeden Moment hier auftauchen und sie suchen, weit weg war er nicht, sie hatte ihn d och gerade erst in der Pappelstraße gesehen. Sie hatten einander im Laufe der vielen gemeinsamen Jahre liebevoll ergründet, ihm musste klar sein, dass ihr erster Weg von der Klinik nach Hause führen würde. Jetzt aber schnell, bevor er hier auftaucht, trieb Inga sich an. Sie glaubte schon Schritte im Vorgarten zu hören und blickte vorsichtig hinaus. »Die Nerven!« stieß sie mit einem Seufzer hervor und kümmerte sich um das Wesentliche.
*
Eine Viertelstunde später verschloss Inga die Haustür gewissenhaft. Sie hatte nur eine kleine Reisetasche dabei, den Personalausweis und ihre EC–Karten. Was sie im Gästezimmer vorgefunden hatte, verwirrte sie sehr. Es war eindeutig bewohnt, von einer Frau mit jugendlichen Jeans und Shirts in Größe M. Diese Unbekannte hatte auch eine Kulturtasche im Badezimmer abgestellt. Wahrscheinlich waren es die Sachen von der Brünetten, die mit Rainer an der Ampel gestanden hatte, durchfuhr es Inga. Arbeitete Rainer heute nicht? Hatte er Urlaub genommen, während sie in die Anstalt verbannt war?
Im Schlafzimmer waren die Betten mit neuer farbiger Bettwäsche bezogen. Inga hatte sie vorsichtig angefasst und die neuen Kunstfaserbettdecken in den Bezügen ertastet. Keine Spur mehr von ihren schönen Daunendecken. Das kam alles sehr plötzlich und ließ bei gefühlloser Betrachtung nur einen Schluss zu. Obwohl es nicht zu Rainer passte, sich gleich eine junge Nachfolgerin für seine Ehefrau ins Haus zu holen.
Inga stand auf der Straße, blinzelte in die Sonne, die sich inzwischen gegen die dicken Regenwolken durchgesetzt hatte, und sog die frische, kühle Luft ein. Sie genoss den Hauch von Freiheit, der sie umspülte. Klar, es gab viele Baustellen in ihrem Leben, aber sie wollte jetzt nach Augsburg und fühlte sich lebendig und unternehmungslustig. Marie, ich komme, dachte sie und stutzte. In den Wochen nach dem Unfall war Marie in ihren Träumen jede Nacht mehrfach zerquetscht worden, aber seit sie den Kampf gegen ihre Entmündigung aufgenommen hatte, war Marie nicht mehr erschienen. Und jetzt hielt sie sogar Zwiesprache mit ihr, dadurch wurde sie so etwas wie ihre Vertraute oder Komplizin, obwohl sich an Maries Tod nichts geändert hatte. Die Änderungen waren in ihrem eigenen Leben eingetreten und der zeitliche Abstand zu dem schrecklichen Ereignis hatte wohl auch etwas bewirkt, sinnierte Inga.
Sie schritt energisch Richtung Straßenbahnhaltestelle und sah dabei in die gepflegten herbstlichen Vorgärten der schmalen einstöckigen Bremer Reihenhäuser. Orangener Sonnenhut, lilafarbene Astern und gelbe Kletterrosen strahlten mit der Sonne um die Wette. Wie schön es Ende September sein kann, wenn das Laub noch an den Bäumen und Pflanzen ist, dachte sie. Das könnte sich innerhalb weniger Tage ändern, wenn die Temperaturen weiter in den Keller rutschten. Sie näherte sich der Langemarckstraße, wo sie in die Straßenbahn der Linie 1 einsteigen wollte.
An der Haltestelle Pappelstraße angekommen, musste sie nur kurz warten, bevor sie sich genüsslich auf einen freien Platz in der Bahn setzen konnte. Als die Bahn über die Bürgermeister-Smidt-Brücke fuhr, welche die Weser überspannte, konnte sie einen Blick auf Bremens Weser Tower werfen. Dieses hohe gläserne Gebäude war erst vor wenigen Wochen fertiggestellt worden und markierte den Anfang der Überseestadt.
Da in Bremen viele der alten Hafenbecken nicht mehr benötigt wurden, hatte man ebenso wie in Hamburg damit begonnen, das riesige Hafenareal auf andere Art zu nutzen. So war eine Mischung aus mehrgeschossigen Wohnhäusern, Restaurants, Gewerbe und Einzelhandel im Entstehen. Auch der Großmarkt, ein Teil der Hochschule sowie ein kleines feines Hafenmuseum hatten hier Quartier bezogen.
Um den Bau des Weser Towers hatte es einige Aufregung gegeben, denn in Bremen, welches sich als Hansestadt gerne großstädtisch darstellt, herrschte in Wirklichkeit ein kleinstädtischer Geist, besonders in den Behörden. So war es ein Novum, einen Büroturm in der Stadt zu genehmigen, der sage und schreibe achtzig Meter, beziehungsweise zweiundzwanzig Stockwerke maß. Solch ein Hochhaus war in Bremen nie zuvor genehmigt worden. Höher hätte das Gebäude allerdings nicht sein dürfen, denn die neunundachtzig Meter des Bremer Doms durften nicht angetastet werden. Der Investor musste zudem auch noch so lange um die Ausrichtung des Gebäudes an der Weser kämpfen, bis der zuständige Leiter der Baubehörde endlich einen Posten in einer anderen Stadt antrat.
Vielleicht war es gerade dieser Gegensatz von Weltoffenheit und Kleinkrämerei, der Bremen so gemütlich und lebenswert erscheinen ließ, dachte Inga, die ihre Heimatstadt nach wie vor mochte.
Ob Bremen bei genauer Betrachtung wirklich für alle Einwohner so lebenswert war, bezweifelte sie allerdings, denn es gab viele soziale, politische, städtebauliche und auch verkehrsplanerische Probleme, die Menschen zur Verzweiflung treiben konnten. Diese Verzweifelten lungerten dann als Obdachlose in der Innenstadt herum.
Obwohl, vielleicht war sie auch auf dem falschen Dampfer und es gab diese traurigen Gestalten überall und nur in Bremen durften sie ungehindert in der Innenstadt campieren und betteln. Das wiederum spräche für Bremen als liebenswerte, tolerante Stadt. Sie drehte sich mit ihren Überlegungen im Kreis, ohne statistische Zahlen kam sie nicht weiter.
Inga bemerkte gerade noch rechtzeitig, dass die Bahn am Hauptbahnhof hielt. Schnell drängte sie sich an mehreren älteren Schülern vorbei, die mit ihren dicken Schultertaschen aus Lkw-Plane oder groß gemusterten Segelstoffen in die Bahn strömten und schritt entschlossen Richtung Bahnhof, um ihre Fahrt nach Augsburg anzutreten.