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Vorwort

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Ich hatte eigentlich nie die Absicht, ein Buch zur Sexualethik zu schreiben. Und als ich zu unterrichten begann, plante ich auch keine Kurse zu diesem Thema. Ethische Themenstellungen werden jedoch selten von Ethikern vorgegeben, sie folgen den Fragen, die von den Studierenden und im größeren gesellschaftlichen Umfeld aufgeworfen werden. Meine hier entwickelten Überlegungen zu einer »fairen Sexualität« sind in vielen Jahren des Zuhörens, Unterrichtens, Beratens, Forschens und Nachdenkens entstanden. Jedes Seminar, das ich gehalten habe, hat mich etwas gelehrt, und jedem Vortrag folgte ein Gedankenaustausch mit Menschen aus ganz verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen. Zahllose Personen haben mich bei diesem Projekt unterstützt, indem sie mir ihre Fragen, Erfahrungen, Einsichten und Sorgen anvertraut haben.

Von Anfang an wurde deutlich, wie dringlich die aktuellen Probleme der Sexualethik sind und wie eng sie mit anderen akuten ethischen Problemen zusammenhängen. Was im sexuellen Bereich des menschlichen Lebens geschieht, ist nicht unabhängig von dem, was in anderen Bereichen geschieht – seien es Familie, Religion, Gesellschaft, Politik oder Wirtschaft. Ob sich Menschen frei entfalten können, ist nicht zuletzt eine Frage der Sexualität. Jeder weiß um die Erfüllung und Freude, welche die menschliche Sexualität verspricht, aber auch um die Verletzungen, die Gewalt, die Stigmata und die Ungerechtigkeiten, die unserem sexuellen Selbst zugefügt werden können. Vielleicht waren Worte des Heilens und der Hoffnung noch nie so notwendig wie heute, besonders vonseiten der Kirchen. Mein Buch hat in dieser Hinsicht den Charakter einer Aufforderung, denn es versucht, neue Möglichkeiten aufzuzeigen, wie wir als Individuen – oder wie unsere gesellschaftlichen Institutionen – über Sexualität nachdenken können.

Obgleich das Ziel dieses Buches damit eher praktisch als theoretisch ist, versuche ich zu zeigen, wie wichtig wirkliches Wissen und Verstehen, Urteilsvermögen und Abwägen sind, wenn wir angemessen über Sexualität sprechen wollen. Ein Blick in unsere eigene Geschichte, aber auch in die Geschichte anderer Völker und Kulturen wird uns dabei helfen, die vielen Bedeutungen des Körpers, von Gender und Sexualität zu verstehen. Es wird auch um den Zusammenhang von Liebe, Sex und Gerechtigkeit gehen und um die Bedeutung von Liebe und Begehren. Was für Menschen wollen und müssen wir eigentlich sein, um richtig zu lieben? Meiner Ansicht nach liegt der Schlüssel zu dieser Frage – im sexuellen wie in jedem anderen Bereich des menschlichen Lebens – in der Gerechtigkeit. In der Gerechtigkeit unserer Liebe, unserer Wünsche und unserer Handlungen.

Die Suche nach Weisheit im Zusammenhang mit Fragen des Geschlechts und der Sexualität ist ein schwieriges Unterfangen, und dieses Buch zielt nicht darauf ab, diese Suche zu vereinfachen – aber es will neue Perspektiven eröffnen und Leitlinien für eine christliche Sexualethik entwerfen. Christlich ist in diesem Zusammenhang keinesfalls exklusiv zu verstehen – es geht mir immer darum, diese Leitlinien als Teil einer allgemeinen Sexualethik verständlich und überzeugend zu gestalten. Der historische Ansatz wird deswegen von einem interkulturellen Ansatz begleitet. In den letzten Jahren hat meine Zusammenarbeit mit afrikanischen Theologinnen, die auf die AIDS-Pandemie reagieren, meine Überzeugung bestärkt, dass Fragen der Sexualethik trotz aller kulturellen Unterschiede in gewissem Maß allgemeinmenschlich sind. Was jedoch nicht heißt, dass die soziale und kulturelle Konstruktion von Körpern, Geschlecht und Sexualität zu vernachlässigen ist.

Die Komplexität dieser und anderer Fragen mag einige Leser ab schrecken, und ich möchte deshalb auf mögliche Abkürzungen hinweisen. Es ist etwa möglich, nach der Einführung in Kapitel 1 direkt zu den Vorschlägen von Leitlinien für eine Sexualethik in Kapitel 6 zu springen. Sollte jemand diesen Weg wählen, hoffe ich, dass sein Interesse so weit geweckt wird, dass er doch noch einen Blick in Kapitel 4 und 5 riskiert. Lesern, die gezielt Antworten auf Fragen zu sexuellen Beziehungsmustern suchen, empfehle ich, mit Kapitel 7 anzufangen. Auch wenn das Buch Schritt für Schritt vorgeht und jeder Schritt zum Verständnis des Ganzen beiträgt, ist es also möglich, an mehr als einer Stelle mit der Lektüre zu beginnen.

Es ist ebenso möglich, die zahlreichen Anmerkungen einfach zu ignorieren. Auch wenn die Anmerkungen bestimmte Punkte näher ausführen oder umfangreiches bibliografisches Material zur Verfügung stellen, steht der Text für sich. Um es kurz zu machen: Jeder hat das Recht, sich auf seine Art auf die Suche nach Einsicht in diese quälenden und interessanten Fragen zu machen.

Verdammter Sex

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