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Übung macht den Meister

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So auch bei einem mir bekannten Kollegen. Ihm wurde mitgeteilt, er bekäme eine 7. Klasse, die schon manchen Kollegen zur Verzweiflung gebracht hätte. Er grübelte und grübelte, bis ihm der rettende Gedanke kam. Vierzehn Tage vor Schulbeginn ging er jeden Tag in den ihm zugewiesenen Klassenraum und warf von der Tür aus die Tasche auf den Lehrertisch, eine Entfernung von ungefähr zwei bis drei Meter. Die ersten Tage blieben ohne Erfolg. Doch nach und nach gelang es ihm, die Tasche so zu werfen, dass sie auf dem Tisch liegen blieb.

Der erste Schultag kam. Er stand vor der Tür und hörte die tobenden Schüler. Das Klingelzeichen ertönte. Kurzes Luftholen. Er riss zackig die Tür auf, brüllte „Ruhe!“ und warf die Tasche von der Tür aus lässig auf den Tisch. Die Schüler standen überrumpelt auf ihren Plätzen, verblüfft staunend. Er hatte durch sein lockeres, aber bestimmtes Auftreten gewonnen. Sein Training hatte sich gelohnt. Nicht auszudenken, wenn die Tasche auf dem Fußboden gelandet wäre.

Durch diese, für ihn riskante Aktion, erlangte er Achtung und Respekt.

Meine Gedanken verlassen die große, moderne Schule mit fast tausend Kindern aus allen Teilen Thüringens, den ungewohnten Situationen und Problemen und wandern noch einmal zurück in die kleine dörfliche Schule.

Die Schülerzahl war überschaubar und schwerwiegende Probleme gab es nicht. Aus heutiger Sicht war es eine gemütliche, ausgeglichene Atmosphäre. Es gab keine psychisch kranken Lehrer und Burn out war ein unbekannter Begriff. Der Unterricht verlief ohne Störungen. Kleine Verfehlungen, schlechte Noten oder vergessene Hausaufgaben brauchte man nicht einzutragen, denn traf man einen Elternteil, wurde diesem mitgeteilt, dass das Kind Probleme hatte. Dieses vertraute Verhältnis war durch das dörfliche Zusammenleben entstanden und die Eltern selbst waren Schüler unserer Schule.

Die Kinder waren, wie Kinder eben sind, mal ausgelassen und wild, aber konzentriert im Unterricht. Hyperaktive Kinder gab es nicht. Nach Schulschluss gingen sie ihren Interessen nach, spielten und stromerten durch Wald und Flur. Es gab keine Ablenkung durch Fernseher, Computer oder Handys. Ihre Freizeit bestand aus Spiel und Sport im Freien. Freilich gab es auch Raufereien. Aber diese trugen die Schüler unter sich aus.

Auf die blutigen Knie wurde ein Pflaster geklebt, sich vertragen und alles war erledigt. Der Begriff „aggressiv“ war ebenfalls unbekannt.

Streiche gab es kaum. Der Respekt vor Eltern und Lehrern war wohl zu groß.

Als sich einmal ein Schüler für eine Stunde im Schrank versteckte, war die Aufregung seitens des Kollegen, der gerade unterrichtete, groß und die Bestrafung konnte nicht streng genug ausfallen. Aber nur bei diesem Lehrer. Die Schüler hatten ihren Spaß und die anderen Kollegen schmunzelten darüber.

Im Winter war nur Lernatmosphäre, aber im Frühjahr mit den ersten Sonnenstrahlen wurden die Gemüter lebendig. Und das war verständlich. Das Dorf liegt am Fuße eine Berges. Und der lockte, da gab es kein Halten.

Wurden Schüler dieser Jahrgänge nach Streichen befragt, kommt nur eine Antwort: „Die haben wir gar nicht gemacht, aber wir sind manchmal abgehauen und haben uns auf dem Frankenstein versteckt.“

Wenn an der Tafel stand: „Der Himmel ist blau, das Wetter ist schön, Herr Lehrer, wir wollen spazieren geh’n!“, waren die Kollegen auf eine leere Klasse vorbereitet. Das schrieben wohl auch schon die Eltern und Großeltern an die Tafel. Was lag da nahe, dass der Lehrer seine Stunde auf den Berg verlegte und wohl auch jedem Stundenthema gerecht werden konnte, wenn es Biologie, Geographie, Deutsch oder Geschichte betraf.

Aber was trieb unsere Kinder dorthin. Streiche? Abenteuerlust? Oder auch Bewegungsdrang nach der langen Winterzeit?

Die Erinnerungen von heute Siebzigjährigen begannen immer gleich. „Einmal sind wir abgehauen und hoch auf den Frankenstein. Oben hatte jemand einen Garten. In diesem standen Kirschbäume und an denen hingen die schmackhaftesten Kirschen vom Ort. Die haben wir geklaut.“

„Einmal ... abgehauen und haben oben auf dem Frankeinstein Räuber und Gendarm gespielt.“

Ein beliebtes Spiel von Eltern und Großeltern übernommen.

„Einmal ... abgehauen. Das merkte der Lehrer sehr schnell. Da er jung und sportlich war, ist er hinter uns her. Wir haben ihn, da wir ja den Frankenstein kannten, immer in die Irre geführt. Er ist uns trotzdem auf den Fersen geblieben. Wir lockten ihn bis hoch, versteckten uns in dem Turm und er folgte uns immer noch. Wir kletterten von außen am Turm hinunter, schlossen ihn ein und liefen weg. Wir wissen aber bis heute noch nicht, wie er wieder herausgekommen ist. Wahrscheinlich ist er aus einem Fenster geklettert.“

„Einmal ... abgehauen, da hatten wir gestreikt. Wir sollten eine Arbeit schreiben, hatten aber am Tage zuvor schon eine große Klassenarbeit geschrieben. Da sind wir alle aufgestanden und gemeinsam aus der Klasse marschiert und dann auf den Frankenstein geflitzt.“

Aber es war nicht immer der Frankenstein, der reizte. Eine Klasse hatte ihren Klassenraum in einem Nebengebäude. Dieses war einst eine Gastwirtschaft mit Saal (auf dem wurde der Sportunterricht erteilt). Ein Gebäude, welches Anfang 1800 gebaut wurde. Über dem Saal war ein Boden und dieser war schon jahrzehntelang nicht betreten worden. In der 6. Klasse fiel der Unterricht aus. Banges Warten, hoffentlich merken sie drüben nichts. Und dem war auch so. Das war die Gelegenheit für den Besuch des Bodens. Leise und langsam wie Diebe schlich die Klasse die morschen Treppen hoch bis zum ersehnten Ziel. Was bot sich außer Schmutz und Gerümpel? Alte Kulissen aus der Vorkriegszeit, alte Tische, kaputte Stühle, uralte Gläser und Flaschen. Sogar ein uralter Rollstuhl war vorhanden. Jeder Gegenstand wurde bestaunt oder bejubelt. Vergessen die Belehrungen über Einsturzgefahr und fast vergessen, die nächste Stunde. Verdreckt und verschwitzt, wie sie waren, wurde ihr Ausflug bald bekannt. Aber diesmal gab es eine Strafe: „Wir mussten einen Aufsatz schreiben, warum wir das nicht durften!“ Der Kollege, der diese Aufgabe stellte, war ganz bestimmt früher ein artiger und gewissenhafter Junge und wusste nicht, wie abenteuerlich Kramen auf einem alten Boden sein konnte.

Diese Art von Streiche hatte aber ansonsten keine Folgen. Sie wurden heiter und verständnisvoll zur Kenntnis genommen. Man war ja selbst einmal Schüler und hatte an Aktionen dieser Art selbst teilgenommen.

So dörflich-heiter wie die Schule war, so waren eben auch die Streiche.

Diese Zeit war 1976 vorbei.

Mehr Schüler – mehr abwechslungsreiche Streiche – mehr raffiniertere Streiche. Die Mentalität des Lehrers war entscheidend, wie er mit diesen Lausbübereien umgehen konnte.

Die heiteren Momente und Episoden, die sich ergaben, werden heute von Schülern und auch von Lehrern belächelt.

Im Vergleich zu den filmischen Streichen, die unwirklich sind, über die aber trotzdem gelacht wird, entstanden die unserer Schüler meistens aus Situationen oder Begebenheiten. Auch ihnen ging es darum, ihre Lehrer auszutesten, ihren Spaß zu haben, sie „reinzulegen“ oder „eins auszuwischen“. Sie entsprachen allerdings der Wirklichkeit und waren in den seltensten Fällen bösartig. Dabei spielte aber auch ihr Verhältnis zum Lehrer eine entscheidende Rolle. Auf jeden Fall zeigten sie sich phantasievoll, kreativ, erfinderisch und humorvoll.

Bei derartigen „vorbereiteten Zufälligkeiten“ sollte der Lehrer schlagfertig und humorvoll auf die Schüler eingehen, um den Unterricht weiter gestalten zu können. Egal wie, er sollte jede Gelegenheit zum Lachen nicht ungenutzt lassen. Lachen ist gesund und es sollte sowieso jeden Tag einmal gelacht werden. Außerdem lockert es den Unterricht und auch das Verhältnis zum Lehrer.

Die Lausbübereien, ob bewusst oder unbewusst, sind noch heute für einen bestimmten Personenkreis unterhaltsam.

Wenn auch die Namen bei den nachfolgenden Episoden und Begebenheiten geändert wurden, wird sich dieser oder jener wieder erkennen. Wie bereits gesagt, das Wichtigste ist die Schule als Lehranstalt. Die Lehrer lehren und die Schüler lernen. Aber nicht alle Schüler sind lernbegierig oder fügen sich dem Unterricht. Unter ihnen sind auch die sogenannten Rabauken. Sie sind nicht mit Rowdys gleichzusetzen. Es sind Schüler, die kess, lebhaft und unbeherrscht sind. Sie fallen durch außergewöhnliche Handlungen auf und schießen manchmal über das Ziel hinaus, obwohl sie Normen und Grenzen kennen. Letztendlich aber siegt die Einsicht. Baut der Lehrer mit Geduld oder Humor ein gutes Verhältnis zu diesen Rabauken auf und gewinnt ihre Sympathie, wird es keine Probleme geben.

Wenn er aber glaubt, seine Schüler zu kennen, soll er immer bedenken, dass ihn seine Schüler besser kennen, als er denkt.

Soweit das Vorwort zu diesem Thema.

Der erste Schultag in einer 1. Klasse verlief wie eben der erste Schultag in üblicher Weise verläuft. Mitten im Unterricht stand ein kleiner Knirps auf, packte seinen Ranzen und mit den Worten: „Ich gehe nach Hause, hier gefällt es mir nicht!“, setzte er seinen Ranzen auf und verschwand.

Es ist durchaus möglich, dass dieser in späteren Jahren an nachfolgenden Schüleraktionen beteiligt war.

Episoden und Begebenheiten aus dem Schulalltag, die für die Schüler erinnerungswert sind und für mich als Lehrer an schöne Stunden, aber auch an kritische Situationen, die oftmals vom Normalen abwichen, erinnern.

Schulzeit – eine Zeit schöner Erlebnisse?!

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