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Lieschen-Müller-Roman

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Deutsch in der 10. Klasse.

„Ich möchte in der nächsten Stunde ein Romanheft behandeln. Bringt mir bitte ein bis zwei von diesen Heften mit!“ In der nächsten Stunde lagen nicht drei Hefte auf dem Tisch, sondern zwei Stöße, vom Arzt- bis zum Heimatroman. Ich fischte wahllos ein Heft heraus, schlug irgendeine Seite auf und las mit viel Herz, Schmerz und Schmalz einen Abschnitt vor. Gelächter der Jungen und zwischendurch empörte Mädchenstimmen: „Sie wollen uns nur die Romane vermiesen!“

„Stimmt!“ Nach Behandlung dieser Art von Literatur machte ich den Vorschlag, selbst einen schnulzigen Roman zu schreiben. Damit traf ich den Nerv der Mädchen. Das war etwas für sie. „Zu welchem Thema?“

„Einen Arztroman!“ Die Mädchen übertönten die Jungen. Es sollte ein Liebesroman werden mit verbotener Liebe, Eifersuchtsszenen, rührende Liebeschwüre, gebrochene Herzen, weiblicher Kampf zwischen arm und reich um einen jungen, erfolgreichen, bildschönen Arzt und der Schluss „Mit einem langen innigen Kuss schloss er ihren Mund.“ 25 Schüler ergaben 25 Kapitel. Für jedes Kapitel eine Überschrift und zwei bis drei Wortgruppen als roter Faden. Nach zweiwöchiger Zeit erfolgte die Auswertung. Bei dem, was da heraus kam, konnte keiner ernst bleiben und ich konnte mich bei diesem waschechten Lieschen-Müller-Roman ebenfalls nicht beherrschen. Lautes Gelächter, Trampeln, Klatschen war das Ergebnis. Wir bogen uns vor Lachen. Die Klasse tobte und ich mit. Im Schulgebäude unüberhörbar. Daneben war der Computerraum. Dort lachten die Schüler mit, ohne den Grund zu kennen. Der Schulleiter riss die Klassentür auf. Bei ihren Lachanfällen bemerkten ihn die Schüler nicht, mich sah er vorn am Tisch laut lachend und gekrümmt. Er winkte mit der Hand ab und schloss wieder die Tür. Sein Abwinken bedeutete so viel wie „hoffnungslos.“ Es wird mir wohl keiner glauben, aber die Kapitel der Jungen trieften vor Herz, Schmerz und Schmalz. Wollten sie die Mädchen, ohne zu wollen, verspotten? Das Wichtigste aber war wohl, dass die Mädchen erkannten, dass diese Literatur nicht lesenswert ist.

Auf jeden Fall konnten sich alle, ob Jungen oder Mädchen, einmal so richtig mit Lust und Freude am Ausdruck austoben.

Leider habe ich es versäumt, diesen neuen Roman einzusammeln. Er hätte mir bestimmt manch trübselige Stunde vertrieben.

Schulzeit – eine Zeit schöner Erlebnisse?!

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