Читать книгу Schulzeit – eine Zeit schöner Erlebnisse?! - Margot Wilke - Страница 21
1000 Wörter
ОглавлениеWurde im Deutschunterricht eine schriftliche Arbeit verlangt, ob Aufsatz, Einschätzungen oder literarische Ausführungen, kam unweigerlich die Frage: „Wie viele Wörter?“, obwohl die Schüler wussten, ich kann nur das schreiben, was ich weiß. So auch bei der Aufgabenstellung einer Charakterisierung Diederich Heßlings aus dem „Untertan“ von H. Mann. Eine leistungsstarke Schülerin, sie wollte mich wohl provozieren: „Wie viele Wörter?“ Diese ewige Fragerei reichte mir und deshalb meine lässige Antwort: „1000 Wörter!“ Andere Schüler hätten einen Schreck bekommen. Sie nicht, nickte ebenso lässig.
Ihre Lässigkeit machte mich stutzig. Gesagtes kann man aber nicht wieder einfangen.
Mir fiel eine Angelegenheit aus dem Jahre 1937 ein, die in der alten Schule geschah und über die im Dorf noch heute gelacht wird, als sich ein Lehrer unüberlegt äußerte. Ein Schüler sollte eine Strafarbeit schreiben. „Herr Lehrer, ich habe kein Papier!“
„Dann schreib es auf die Stalltür!“ Am nächsten Morgen lag die Stalltür auf dem Lehrertisch.
Eine spontane Lehreraussage wörtlich ausgeführt.
In diesem Moment wusste ich, was auf mich zukam.
Zu Beginn der nächsten Stunde: „Entschuldigen Sie, ich habe es nicht geschafft, den Text ins Reine zu schreiben, aber es sind genau 1000 Wörter“, und zur Bekräftigung, „mein Vater hat sie nachgezählt.“ Wir sahen uns an. Ich konnte ihre Gedanken lesen. „Wie reagiert sie?“ Sie neckisch triumphierend, ich lässig. Ich kannte sie genau, wie sie auch mich. Es waren genau 1000 Wörter. Nicht 999, nicht 1001. Kein Wort zu wenig, kein Wort zu viel. Nachzählen wäre lächerlich gewesen und diesen Gefallen tat ich ihr nicht.
In Zukunft meine Antwort: „Schreib immer so viel, wie du weißt.“ Auch Schüler können ihre Lehrer erziehen.