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Zwischen Hungern, Essen und Idealen

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Beim Thema Essen befinden wir uns in unserer Gesellschaft (wie in allen westlichen Industrienationen) in einem enormen Spannungsfeld: Auf der einen Seite werden wir mit einem extremen Schlankheits- und Schönheitsideal konfrontiert, das über eine Bilderflut in Medien und Werbung allgegenwärtig ist und von dem sich immerhin ein Drittel der Erwachsenen unter Druck gesetzt fühlt (bei den 18- bis 24-Jährigen sogar jeder Zweite).6 Auf der anderen Seite erleben wir ein Nahrungsüberangebot und ständige Stimulation. Dazu versprechen Industrie, Werbung und Gesundheitsapostel, dass wir auf immer neuen Wegen – bei ausreichend Disziplin! – in kürzester Zeit unsere Traumfigur erreichen könnten.

Aus diesem Spannungsfeld erwachsen oft hohe Ansprüche an sich selbst – was dazu führt, dass viele Menschen mit ihrem Essverhalten und ihrem Körper unzufrieden sind: Die Jugendliche, die sich nur von Light-Produkten ernährt. Der Student, der vor jeder Klausur nächtliche Heißhungeranfälle erlebt. Die frischgebackene Mutter, die hungert, um schnell ihre frühere Figur wiederzubekommen. Der junge Mann, der seinen Körper über stundenlanges Muskeltraining und Nahrungsergänzungsmittel formen will. Die Frau in den Wechseljahren, die ihre körperlichen Veränderungen mit strenger Diät aufzuhalten versucht. Mit ihrer Fixierung auf Selbstoptimierung und Fitness – und mit vielstimmigen Debatten um Übergewicht und die einzig „richtige“ Ernährung – fördert und honoriert unsere westliche Kultur solche Verhaltensweisen.

Die permanente Beschäftigung mit Essen und Figur ist also einerseits gesellschaftlich akzeptiert – gleichzeitig belastet sie das Leben vieler Menschen. So gaben bei einer Befragung unter US-amerikanischen Frauen drei Viertel an, dass die Sorge um Figur und Gewicht ihr Lebensglück beeinträchtigt.7 Und diese Sorgen fangen früh an, wie die großangelegte HBSC-Kinder- und Jugendgesundheitsstudie zeigte: Bei den in Deutschland befragten 11- bis 15-Jährigen fanden sich rund 40 Prozent der Mädchen und 30 Prozent der Jungen zu dick. 90 Prozent der Jugendlichen gaben an, im Jahr zuvor auf empfohlene oder sogar gesundheitlich riskante Strategien (wie Mahlzeiten auslassen, sich übergeben) zurückgegriffen zu haben, um das eigene Gewicht zu kontrollieren.8 Dabei ist die Körperwahrnehmung allerdings oft verzerrt: In einer DAK-Befragung unter Kindern und Jugendlichen aus Deutschland waren von den Jungen, die sich als „viel zu dick“ bewerteten, nur knapp die Hälfte tatsächlich übergewichtig – bei den Mädchen sogar nur ein Viertel.9 Welche Folgen aber hat es, wenn eine verzerrte Wahrnehmung über unser Lebensglück – und unsere Gesundheit – entscheidet?

Das eigene Maß

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