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SCHRÖPFGLAS UND PFERDEBLUT

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Sie hieß Clémentine. Eine Korsin, in Schwarz gekleidete Witwe, klein, stolz, Postangestellte, energisch und dünnhäutig.

Alt, wie mir schien.

Sie brachte ihren Sohn Jean und mich, die schwangere Schwiegertochter, in ihrer Wohnung in der Rue de Bretagne Nr. 43 unter, klein, beengt, mit abgenutzten Möbeln aus lackiertem Holz.

Morgens reicht mir Clémentine ein Glas Pferdeblut, gut für die werdende Mutter, sobald ich huste – nur ein ganz klein wenig, während dieses verregneten Frühlings –, bietet sie an, mich zu schröpfen. Um sie nicht zu kränken, lasse ich sie machen.

Sie hingegen macht sich über mein Verlangen nach heißen Bädern lustig:

– Also wirklich, Marguerite, Sie haben sich an Luxus und Verschwendung gewöhnt!

Ich mag es nicht, wenn man mich ein verzogenes Kind nennt.

Meine Eltern zählten niemals zu den Reichen.

Ich halte etwas Abstand. Bemühe mich, nicht zu viel Platz einzunehmen. Lächle höflich. Schweige.

Schweige auch dann, als die alte Frau mit einem lebenden, an den Beinen gefesselten Huhn vom Markt zurückkommt, Anstalten macht, dem sichtlich nervösen Vogel die Kehle durchzuschneiden, mich bittet, den Teller voller fein gehackter Zwiebeln zu halten, um das Blut aufzufangen:

– Das gibt einen feinen Braten!

Schweige immer noch, als Mutter und Sohn über das enthauptete Tier lachen, das in der engen Küche hin und her rennt.

– Fang’s doch ein, ruft mir der Sohn zu.

Ich lächle nicht mehr.

Nein! Nicht dass mir die Worte fehlten.

Ich habe Angst, das, was ich sagen möchte, herauszuschreien.

Durch das Meer von allem getrennt, was ich kenne,

fürchte ich die unbekannte Zukunft

den Mann, von dem jetzt

mein tägliches Leben abhängt

die alte Frau, über die er zu mir sagt,

sie könne in Rage geraten, »wenn es sie überkommt«.

Es – was soll das sein?

Das Kind wird in meine Ungewissheit hineingeboren werden.

Ich, eine schlechte Mutter

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