Читать книгу Ich, eine schlechte Mutter - Marguerite Andersen - Страница 16
DIE LIEBE
ОглавлениеUnd die andere Liebe? Die große Liebe, von der die Dichter sprechen? Die ich für meinen Ehemann empfinden sollte, den Mann meines Lebens?
Nichts dergleichen hege ich heute. Auch nicht gestern.
Dabei hatte es früher doch Lust gegeben, zwischen uns?
Die Liebe ist zu einem Akt geworden, der am späten Abend vollzogen werden muss, um den Tag zu beschließen, die Nacht zu eröffnen.
Ein vorausgeplantes Dessert, schreibt Flaubert, nach der Eintönigkeit des Abendessens.
Lähmende Routine.
Allgegenwärtiger Dauerfrost.
Ob mein Sohn wohl auch friert?
In dieser Wohnung am Hafen beugt sich der Mann zu mir, küsst mich. Spürt er denn nicht, dass ich mich kaum rege? Nein, er setzt seine Annäherungen fort, und ich will ihm nicht sagen, dass es mich leider kalt lässt. Ich will ihn nicht kränken, seine Verachtung auf mich ziehen, seinen Ekel, seine Übellaunigkeit.
Der Mann dringt schließlich in mich ein, und ich reagiere so gut wie gar nicht.
Langeweile befällt mich.
Jeden Abend sehe ich der Nacht bang entgegen, dem Mann, der glaubt, er dürfe mich einfach nehmen, wenn ihm danach ist. Ich will nur schlafen. Nicht gestört werden. Mich in den Schlaf fallen lassen, den bewegungslosen, und, wenn es sein muss, sogar traumlosen Schlaf.
An einem noch grauen Morgen verirrt sich eine Ratte durch die weit geöffnete Fenstertür, springt aufs Bett, durchquert es. Offenbar hat sie ihren Irrtum bemerkt, ist gleich wieder zur Tür hinaus.
Der Hafen ist nah.
Der Hafen. Boote. Dampfer.
Zwei blinde Passagiere im Frachtraum eines Schiffs?
Eine Mutter und ihr Kind?
Verrückter Einfall.
Ich hätte es gern
Ich konnte uns nicht retten.
Mir fehlte der Mut.