Читать книгу Ich, eine schlechte Mutter - Marguerite Andersen - Страница 15
EINSIEDLERIN
ОглавлениеEine Sozialwohnung am Ende der Avenue Jules-Ferry.
Von meinem Küchenfenster aus erhasche ich, wenn ich mir den Hals verrenke, einen Zipfel des Mittelmeers.
Ich wende mich dem Innenraum zu. Ich beobachte meinen Sohn. Ich gehe sanft mit ihm um. Das ist nur natürlich, ganz natürlich, das versteht sich von selbst, das ist selbstverständlich.
Es heißt, die Mutterliebe setze ein, wenn die Milch einschießt. Dabei füttere ich Martin mit dem Fläschchen …
Buttermilchpulver von Nestlé, mit abgekochtem Wasser angerührt, wie vom Kinderarzt vorgeschrieben. Wie von der Gebrauchsanweisung angeregt, die an der gelben Dose klebt.
Meine Milch schießt nicht ein.
Ich gebe meinem Kind nicht die Brust.
Hat man mir dazu geraten? Hat man mir davon abgeraten?
Habe ich Angst vor einer solchen Nähe?
Stillen war damals nicht in Mode.
Man hat es mir gegenüber nicht einmal erwähnt.
Ob meine Brust ihm fehlt?
Ist er nicht zufrieden?
Praktisch jeden Tag stelle ich seine Fortschritte fest: Ach, jetzt lächelt er, hör doch, wie er brabbelt; sieh an, er lutscht am Daumen; man könnte meinen, er folgt mir mit seinem Blick, ich gebe ihm die Rassel, er nimmt und schüttelt sie, er ist von seinen Händen fasziniert, er ahmt meine Laute nach, dreht sich um; ah, er möchte sich setzen; und hier ist schon sein erster Zahn, darum hat er gestern so viel geweint.
Es gibt keine zartere Haut als seine.
Ich singe ihm das Lied von den Händen vor, die so und so machen, ainsi font, font, font …
Und da lacht er, da krabbelt er, sieh doch, er versucht auf zustehen, hält sich beim Gehen fest …
In meinen Augen ist er vollkommen.
Tag und Nacht
sind wir zusammen
der Innenraum ist unsere Welt
wir gehören einander.
Für mich zählt allein das Kind.
Ob das Mutterliebe ist?