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4: Lissy

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Der Tag, an dem Lissy von einem Dienstaustausch aus Ägypten heimkehrte, nach dem sie ein Jahr zuvor, ihre kriminalistische Ausbildung für Kunstraub abgeschlossen hatte, war ein emotioneller, zwiespältiger Tag. Aber die Vorfreude auf den Abschluss ihres Studiums und die Natur ihrer Heimat ersetzten die Unsicherheit und Angstgefühle. Mal wieder in der Heimat zu sein, die Erinnerungen an Personen und Kindheitserlebnisse schwankten wie eine Hängebrücke. Aufbewahrte Gefühle hielt sie unter Verschluss. Ihren Vater neu zu erfahren, war ihr sehr wichtig. Diesen starken unbeugsamen Mann, dessen Leben vollgepackt war mit der Erforschung seiner Heimat. Publiziert hatte er, dass das gesamte Gebiet der Mittelgebirgsregion „Bergisches Land“ ihren Namen einer fast 1000-jährigen Zugehörigkeit zum Herzogtum Berg verdankte. Mit seinen Recherchen machte er sich nicht nur Freunde.

„Zuspruch mancher Ländereien, auf die sich heute manche Städte noch berufen, waren manipuliert worden“, erinnerte sich Lissy. Aber das war ihr damals egal. Sein Herz hing besonders an der Entwicklung der Sieg mit ihren Auen seit seinen Ahnen derer von Berg. Er sprach oft von den geheimnisvollen Tiefen der Sieg. Sie stellte sich oft als Kind die Frage, ob sie ihm genau so wichtig war, wie seine Forschung.

Mit Justus besprach sie, ihn anzurufen, um eine bestimmte Zeit für ein Treffen zu vereinbaren, vielleicht auch erst morgen. Sie wusste, dass Justus von Kaspar für zwölf Uhr ins Troisdorfer Kommissariat gebeten wurde.

Kaspar hatte sie auf ihren Wunsch in ihre Wohnung nach Troisdorf gefahren. Lissy wollte einen Moment alleine sein, bevor ihre Mitbewohner Tina Weber und Shukran Fischer eintrudelten. Jetzt traf sie der harte Schlag des unerwarteten Todes ihres Vaters mit voller Wucht.

„Ich habe keinen Vater mehr“, schrie sie in den Raum. Sie war hin- und hergerissen zwischen Trauer und Wut. Für sie war der plötzliche Tod ihres Vaters unbegreiflich.

Was war ihm wirklich zugestoßen? Sie brauchte Informationen der Mordkommission. Nichts hatte sie, um den Tod des Vaters zu begreifen. Sie öffnete ihren Pferdeschwanz und ihr blondes schulterlanges Haar fiel auf ihre verspannten Schultern. Fahrig suchte sie im letzten Heimatbuch ihres Vaters nach der bewussten Seite 65. Jetzt erst fiel ihr auf, dass sie keine komplette Sammlung seiner Bücher hatte.

„Mein Gott, diese Endgültigkeit. Ihn nie mehr fragen zu können. Nie mehr ihm sagen zu können, dass sie ihn liebte.“ Ihr Blick auf die Uhr zeigte 10:45 Uhr. Der Raum wurde ihr zu eng. Unruhig blickte sie in Richtung des halb geöffneten Fensters, als erwarte sie eine Gefahr. Die Rollgeräusche von Reifen und Schienenlaufrädern sandten den allmorgendlichen Berufsverkehr in ihr Wohnzimmer. An diese konstante Lärmbelastung vor ihrer Haustür musste sie sich wieder gewöhnen. Innerhalb von Sekunden wechselte ihre Körpertemperatur von eiskalt bis Ofenhitze.

Die Seite 65 lag nun aufgeblättert vor ihr, sie knickte eine Ecke als Lesezeichen um. Sie vergaß den Raum und die Geräusche. Die Vermutung wurde zur Gewissheit. Es war Mord!

Aus den Tiefen der Sieg

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