Читать книгу Aus den Tiefen der Sieg - Maria Reinartz - Страница 9

2: Dienstag, 9:30 Uhr

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Kaspar hielt nach zwanzig Meter an. Bergheim, das Dorf lag erhöht. Unmittelbar rechts vor ihm im Hang, das Haus derer von Berg, Heinrichs Haus. Schweißtropfen standen auf seiner kalten Stirn. Er griff wie automatisch zu seinem Handy. Lissy musste er anrufen, bevor sie sich auf den Weg zur Vorbereitung der Geburtstagsfeier ihres Vaters machte.

„Hier ist der AB von Lissy von Berg, bitte sprechen sie.“

Kaspar schluckte trocken. Einen kurzen Augenblick Ratlosigkeit drückte sich ihm auf die Luftröhre. Er machte die Autotür auf.

„Wo finge ich dat Lissy?“, beunruhigte er sich.

Lissy hatte ihre kriminalistische Ausbildung in Wiesbaden mit Bravour beendet und im Dienstaustausch bei ausländischen Behörden Erfahrungen gesammelt.

„Sie ist noch auf einen Kurztripp nach Ägypten und ist pünktlich an meinem Geburtstag zurück“, berichtete ihm Heinrich von Berg vor ein paar Wochen, als er ihm telefonisch die Einladung zu seinem Geburtstag mitteilte.

In einer Woche war Dienstbeginn in ihrem neuen Job, als Hauptkommissarin für Kunstraub Bonn/Rhein-Sieg im Troisdorfer Polizeigebäude. Als das vorbeifahrende Taxi um Haaresbreite seine Autotür gerammt hatte, klopfte sein Herz bis zum Hals. Er hatte das Auto nicht kommen sehen, aber in einem Sekundenbruchteil die Beifahrerin. Lissy!

„Verdamp, verdamp, wer hat Lissy informiert?“, schrie er dem Taxi hinterher und riss sein Steuer herum, um sein Auto in Richtung Siegfähre zu drehen und fuhr hinterher.

Vor dem rot-weißen Absperrband zwischen den Brückenpfeilern standen Frank und Guido.

„Hast Du die Informationen des Arztes notiert?“, befragte Frank den Jüngeren.

„Ja“, erwiderte Guido, der dem herannahenden Taxi neugierig entgegensah.

„Ist wohl schon die Presse vor Ort“, meinte er höhnisch.

„Der Dame zeige ich gleich die rote Karte“, schimpfte er.

Lissy sprang aus dem Auto, bückte sich unter dem Band her und lief zur Leiche. Alles Rufen von Kaspar, der mit einer scharfen Bremsung sein Auto hinter dem Taxi zum Stehen brachte, nutzte nichts mehr.

„Schnauze halten“, zischte Frank zwischen geschlossenen Zähnen, um Guido abzublocken, der im Begriff war, Lissy zu stoppen. Mit eisenhartem Griff hielt Frank Guidos Arm fest. Und mit der anderen Hand fühlte er den dicken Kloß in seinem Hals. Die plötzliche Erinnerung an Rosenmontag vor einigen Jahren, schnürte Frank die Luft ab. Als er angetrunken mit der beschwipsten Lissy ein paar Stunden an der Theke verbrachte. Sie warf bei einem Telefonat nach den Karnevalstagen Frank vor, dass er ihren Heimaturlaub ausgenutzt habe, um sie mit Alkohol abzufüllen. Frank zog den Reißverschluss seiner braunen Lederjacke zu, als ob er sich verschanzen wollte und bemühte sich, Lissy nicht anzusehen.

„Vater“, flüsterte sie und hielt beide Hände vor ihren Mund, um nicht laut loszuschreien.

„Wieso ist er tot?“, heulte Lissy und schaute mit verzweifelten Augen auf den Arzt. Sie starrte auf die geschlossenen Augenlidern.

„Was ist ihm passiert? Wieso hat er eine Kopfwunde?“

„Lissy, das Unglück muss untersucht werden, Dein Vater ist vermutlich keines natürlichen Todes gestorben. Es gibt Anzeichen, dass sich Gift in seinem Körper befindet“, wählte Kaspar sorgfältig seine Worte.

„Vergiftet? Mord?“, stieß sie hervor.

„Ja, dass wird untersucht, sie dürfen ihn nicht berühren, wegen der Spuren die noch gesichert werden müssen“, befahl Guido in einem rauen Ton.

Lissys erstaunter Blick auf Frank, sah niemand. Kaspars Gesicht lief tomatenrot an. „Guido wir sprechen uns später.“

In diesem Moment wusste Guido, als er den Chef in reinem Hochdeutsch hörte, dass er wieder unsensibel vorgegangen war. Mit seinen 24 Jahren fehlte ihm auch noch eine Menge Lebenserfahrung. Kaspar berührte Lissy leicht am Arm.

„Komm mit, lass uns zum Siegufer gehn.“

Widerwillig ging Lissy mit ihm. An diesem besonderen Fleck, vor der Einmündung der Sieg in den Rhein, einer der ältesten und letzten Gierseilfähren Deutschlands. Das Vorgängermodell „Sieglinde“ der jetzigen Gierponte war abgelegt am Flussufer und diente als Pflanzkübel. Mit ihrem Rücken lehnte Lissy sich an einem Buchenstamm und schaute Kaspar mit großen ungläubigen Augen an. Der Morgenwind raschelte in den Wipfeln. So viele Antworten wollte sie finden.

„Was hat er am Kopf? Und wieso vergiftet? Das kann nicht wahr sein, wieso liegt mein Vater dort im Dreck und ist tot?“ Mit einem mulmigen Gefühl fragte Kaspar: „Was wollte er gestern Abend hier? Hatte er einen Ortstermin?“

„Ich bin erst gestern zurückgekommen und hatte ihn noch nicht gesprochen. Das ist so unglaublich“, schnäuzte sich Lissy.

„Ich muss mit dem Wirt reden, willst Du dabei sein?“

„Ja Kaspar, ich muss wissen, was Alex weiß. Aber ich will auch gleich wieder zurück zu meinem Vater“, stöhnte Lissy leise. Obwohl sie sich schwindelig fühlte, als ob sie angetrunken wäre, gewann das Drängen einer Klärung in ihrem Bewusstsein.

Der Wirt, Alex, kam auf Lissy zu und schloss sie in die Arme. Sie waren Schulfreunde. „Wann haben sie gestern Schluss gemacht?“, sondierte Kaspar seine Ermittlung.

„Montag ist Ruhetag, da fahre ich abends nur mal hierhin, um nach dem Rechten zu schauen. Das war gestern ca. 20 Uhr.“

„Und sie gehen auch um die Pfeiler, das sind doch ein paar Meter weg vom Restaurant?“

„Mit der Taschenlampe leuchte ich die direkte Umgebung aus, ob es sich jemand hier gemütlich gemacht hat, oder ob tote Tiere hier liegen. Inmitten der Natur ist man einigem ausgeliefert, da muss ich schon selber kontrollieren.“

„Wann machen sie an den anderen Tagen Schluss?“

„Dienstag und Mittwoch so ca. 22 Uhr und zum Wochenende hin wird es später.“ „Abends ist es unter den Pfeilern doch absolut dunkel?“

„Ja, meine Angestellten und ich parken direkt neben dem Restaurant, um nicht im Stockdunklen ins Auto zu steigen.“

„Wann sind sie heute Morgen hier angekommen?“, erkundigte sich Kaspar bei dem Wirt.

„Um 8 Uhr bin ich als erster hier. Mein Personal trifft um 8:30 Uhr ein, um das Frühstücksbüfett herzurichten, dass ab 10 Uhr beginnt. Aus einem Gefühl heraus, bin ich zum Parkplatz unter den Pfeilern gegangen und fand Heinrich dort liegen. Ich sah ihn unbeweglich liegen und getrocknetes Blut neben seinem Kopf, da habe ich sofort den Notruf gewählt.“

„Haben sie ihn in der Stellung gefunden, wie er dort liegt?“

„Ja, ich habe nichts verändert“, beantwortete er die Frage. Kaspar winkte Frank und Guido dazu.

„Als erstes müssen wir klären, was der Heinrich von Berg gestern Nacht hier gemacht hat. Und mir stellt sich die Frage, warum in der Montagnacht? Am Ruhetag des Restaurants und der Gierponte. War das ein Zufall?“

Kaspars hellblaue Augen schienen auf einen Punkt fixiert. Ein Windstoß raunte durch die mächtigen Baumkronen. Alle wurden einen Augenblick von Unbehagen erfasst.

„Ist Heinrich hierhin gelockt worden?“ Frank schaute nachdenklich auf Kasper.

„Dies herauszufinden ist unsere dringlichste Arbeit. Wenn er keinen Terminkalender führte, müssen wir Zeugen suchen.“

„An die Arbeit. Heute Mittag Treffen im Kommissariat. Um zwölf. Informiert die Staatsanwältin über diesen Termin“, bestimmte Kaspar. „Blümchen sage ich Bescheid“, meinte Guido. „Natürlich, Frau Dr. Blum.“

„Bitte keine Respektlosigkeit gegenüber der Frau Dr. Blum, die möchte ich nicht als Feindin haben“, argwöhnte Kaspar und ging mit Lissy in das Restaurant. Alex stellte eine große Tasse Kakao vor Lissy hin.

„Danke Alex, was machen wir mit Deinen Vorbereitungen für Vaters Fest?“

„Mach dir keinen Kopf, dass Essen kann ich einfrieren. Justus bringt den Kuchen in die Altentagesstätte.“

„Justus weiß Bescheid?“, fragte Lissy erwartungsvoll.

„Ich habe ihn angerufen“, berichtete Kaspar.

„Er kommt gleich. Justus brauche ich unbedingt als Psychologen, Journalist und als Heinrichs Freund.“

„Justus kenne ich auch so lange ich denken kann, er ist mein väterlicher Freund“, äußerte sich Lissy und schloss für einen Moment die Augen.

„Justus hat sich vor Kurzem im Obergeschoss des Hauses von Berg in Bergheim eingemietet, er müsste über die Gewohnheiten der letzten Tage meines Vaters Bescheid wissen.“

Diesen guten, alten, weisen Freund brauchte sie jetzt unbedingt an ihrer Seite.

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