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5: Shukran und Tina

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Shukran setzte sich ihr gegenüber. Ihn hatte sie nicht hereinkommen gehört. Ihre Wangen glühten. Aus ihren Augen sprach ein Meer an Gefühlen.

„Lissy, was ist los, irgendwas passiert?“, rief er besorgt.

Eine Weile herrschte völlige Stille in dem gemütlichen Wohnraum.

„Mein Vater wurde ermordet! Heute Morgen an der Siegfähre fand ihn Alex tot unter einem Brückenpfeiler.“

Deutlich und langsam sprach sie diesen Satz in den Raum, obwohl ihr Puls raste.

„Aber er hat doch heute Geburtstag!“

Tränen schossen ihr in die Augen. Die aufgeschlagene Seite 65 legte sie mit zittriger Hand vor Shukran hin.

„Diese Seite und die Entdeckung des Giftes an der Kleidung, die Kopfwunde und die Fesselung meines Vaters sind der Beweis!“

Sie drehte Shukran ihren Rücken zu und ging zum Fenster.

„Was meinst Du?“, warf er hilflos die Frage auf. Hastig drehte sie sich zu ihm hin und stemmte beide Hände auf den Tisch.

„Es kann nur so sein. Einen Mord wert war die Ahnenforschung und Recherche über die Ahnen von Berg“, entgegnete sie ihm ungeduldig. Leise setzte Shukran seine Tasse Tee ab, räusperte sich und unterbrach sein spätes Frühstück. Er klemmte seine langen schmalen Beine hinter die Stuhlbeine.

„Komm“, fordert er sie auf, „setze dich hin und erzähle. Hilf mir, dich zu verstehen“, und legte seine Hand auf ihren Arm.

„Mann, aus Hassgefühl wurde mein Vater getötet.“

Shukran rückte langsam seinen Stuhl zurück, richtete sich auf und schüttelte ungläubig den Kopf. Heinrich von Berg hatte ihn wie ein Familienmitglied aufgenommen. Er mochte ihn sehr. Lissy folgte Shukrans Bewegungen und meinte, ihn in einem Trancezustand zu sehen. Lissy stand blitzschnell neben ihm und hielt seinen Arm fest. Sie kämpfte mit den Tränen.

„Es ist wahr, er ist tot, ich habe ihn unter der Siegbrücke liegen gesehen.“

Shukran sah, dass ihre hellen Slipper sehr verschmutzt waren und ihre beige Jeans hatte grasgrüne Flecken.

„Säuerlich, erbrochener Tabakgeruch stellte der Pathologe als einen vermutlichen Gifttod fest. Er hatte Asthma und war Nichtraucher. Wo kam das Gift her? Wie heißt das Gift? Mit welchem Monster hatte mein Vater sich getroffen? Oder wurde er überfallen? Ich kann es selber noch nicht begreifen.“

Ihre Stimme versagte und sie sank händeringend auf den Stuhl. Sie raufte ihre hellblonden Haare, dass ihre leicht abstehenden Ohren daraus hervorlugten. Shukran suchte krampfhaft nach den richtigen Worten. Lissy kannte er bisher als die Nervenstarke. Sie war für ihn wie eine große Schwester, die ihm in manch misslichen Lage beistand. Er schätzte sehr die wissenschaftlichen Arbeiten ihres Vaters. In dieser Wohngemeinschaft mit Tina und Lissy fühlte er sich zu Hause.

„Mein Kopf glüht bereits und doch habe ich unzählige Fragen“, sagte Lissy.

„Was war ihm so wichtig an diesem Abend, um zu dieser Zeit dorthin zu gehen? Wurde er dorthin gelockt?“ Shukran holte einen Schreibblock und setzte sich neben sie.

„Welche Spuren sind dir bekannt? Sage sie mir und lass uns Deine Verdachtslage beschreiben.“

„Hih, Ihr Beiden“, platzte Tina in diese angespannte Situation. Jetzt war die Wohngemeinschaft komplett. Tina, Lissy und Shukran bewohnten für zwei Jahre gemeinsam in Troisdorf die erste Etage eines schönen alten Geschäftshauses in der Wilhelmstraße. Troisdorf lag für alle zentral. Mit Fahrrad, Bus oder Zug war man schnell in Bonn und genauso schnell in der Siegaue, Lissys Heimat. Tina und Shukran betreuten als Kunstwissenschaftler mehrere Museen, z.B. auch die Troisdorfer Museen, wollten aber wieder zurück nach Ägypten. Lissy hatte sich um die neu eingerichtete Abteilung in der Polizeistation Troisdorf, „Kunstraub in NRW“ beworben. Nach dem Lissys Buch über den „Jagdinstinkt einer Kunstraubermittlerin“ erfolgreich war, standen ihr viele Türen offen. Jedoch der Reiz der neuen Abteilung und dazu in der Heimat, überwog die anderen Angebote. Sie wollte hier vor Ort ermitteln. Bonn/Rhein-Sieg und als Standort Troisdorf mit seiner ganzen Vielfalt, der Industriestadt im Grünen. Nicht nur die Nähe des Naturschutzgebietes Siegaue, sondern auch die Angrenzung an die Wahner Heide. Mit den beiden Troisdorfer Stadttoren an beiden Enden der Fußgängerzonen. Die beiden hell erleuchteten Edelstahlbögen mit den transparenten, spiegelnden und Wasser überlaufenen Glasflächen. Fast schon Kult-Status hat der „Dicke Mann“ auf dem Fischerplatz. Tina und Lissy hätten Schwestern sein können mit ihrem blonden Pferdeschwanz und der sportlichen Figur. Jedoch die Augenfarbe deutete den unterschiedlichen Charakter an. Lissy strahlte mit ihren dunkelbraunen Augen Wärme und Ruhe aus. Tina mit ihren kornblumenblauen Augen und ihrem mitreißenden Temperament konnte im Nu einem den Kopf verdrehen. Die „Drei Ägypter“ wurden sie zur Studentenzeit gerufen. Das Studium der Ägyptologie und die Wissenschaft hatte sie fünf Jahre lang in Ägypten fasziniert. Über das Erscheinen von Tina zu diesem Zeitpunkt war Shukran heilfroh. Lissys unglücklich aussehendes Gesicht machte selbst Tina stumm. Shukran füllte drei Gläser mit Mineralwasser. Unsicher schaute er auf Lissy. Sie nickte.

„Mein Vater wurde ermordet“, sprach Lissy sehr zögerlich zu Tina. Mit aufgerissenen Augen rief Tina: „Wie bitte, er hat doch heute Geburtstag!“

Leises Schluchzen, dann Stille. Diese stockende Unklarheit, in der Lissy sie zurückließ, machte Tina nervös. „Das ist nicht zu glauben. Was ist passiert?“

Lissy weinte und gab Shukran ein Zeichen, dass er reden solle. Er berichtete von ihren Bemühungen, Hintergründe zu sammeln und umriss mit ein paar Sätzen, was Lissy ihm gesagt hatte. Shukran wollte diese grausame Situation überbrücken und führte fort: „Weil Lissy nicht bei den direkten polizeilichen Ermittlungen sein darf, fertigen wir unseren Ermittlungsstand an: Feststellungen am Tatort: Todeszeitpunkt ist später Montagabend, erbrochener Tabakgeruch, Verletzung am Kopf, Spuren einer Handfesselung. Anhaltspunkte: Vater war Asthmatiker und Nichtraucher und hatte mit Tabak oder Drogen nie zu tun. Blutige Kopfwunde. Fesselspuren an den Händen. Herausgerissene Seite 65 aus seinem Buch mit Recherchen über das Großherzogtum von Berg. Siehe die Seite im Buch auf dem Tisch.

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