Читать книгу Nanne - Eine Kindheit im 2. Weltkrieg und Jugend in der DDR - Marianne Heinrich - Страница 10
ОглавлениеWinterzeit
Der Winter kam wie immer bei uns in der Oberlausitz früh, mit viel Schnee und großer Kälte. Für uns Kinder eine willkommene Abwechslung. Der Schulweg wurde zum kleinen Abenteuer. Morgens, wenn die Haustür frei geschippt war, fuhren wir auf mehr oder minder gebrechlichen Skiern zur Schule.
Der Rückweg führte parallel zum Gehsteig entlang auf regelrechten Schneegebirgen, die durch die nun frei geschippten Gehwege entstanden. Das war lustig und ein bisschen verwegen, auch bekamen wir viel Schimpfe von den Anwohnern, da wir den sorgfältig aufgetürmten Schnee wieder auf den Fußweg drückten.
Nach dem Mittagessen kamen die Schularbeiten an die Reihe und dann ging es hinaus zum Schlittenfahren. Meine Erinnerungen daran sind eher schmerzhafter Natur. Meine große Schwester, welche mich sowieso nicht leiden konnte, war immer schlecht gelaunt, wenn sie mich mitnehmen musste. Sie war hart im Nehmen und fror anscheinend nie. Mir dagegen war schnell kalt und nach etwa drei Abfahrten wollte ich immer wieder nach Hause und habe dann fürchterlich geheult, was wiederum meine Schwester auf die Palme brachte. So war ich bald als „Ningelliese“ bekannt, was so viel wie Heulsuse hieß.
Viel lieber war ich mit meinen mittelalterlichen Schlittschuhen auf den zugefrorenen Tümpeln am Bahngelände unterwegs. Die Schlittschuhe gehörten zwar meiner Schwester, aber glücklicherweise hatte sie keine passenden Schuhe mehr dazu, sodass ich in zwar heruntergekommenen, aber noch tauglichen Schlittschuhstiefeln fröhlich davon stapfen konnte.
Oft spielte ich in den Wintermonaten viel mit meinen Puppen, dem Teddybär, den ich immer fachgerecht verarztete und unserer Katze Peterle. Wenn eine meiner Freundinnen Zeit hatte, spielten wir am großen, schwarzen Wohnzimmertisch auch mit Begeisterung „Kinderpost.“ Da wir keine echte hatten, setzten wir uns jeweils gegenüber hinter zwei aufgeklappte Kinderkoffer. Darin war dann alles was wir brauchten: Briefpapier, Kuverts, Postkarten, Paketkarten, Zahlscheine und jede Menge Briefmarken, alles im Miniformat natürlich. Dazu kamen Stempel, Stifte und Radiergummis.
Nach Weihnachten kam im Januar in der Oberlausitz noch der schöne Tag der Vogelhochzeit. An diesem Tag bekamen die Kinder immer auf einen Teller, den man den Abend vorher auf eine Fensterbank stellte, ein paar Süßigkeiten und Äpfel! Wir Kinder glaubten lange, dass es die Vögel waren, die sich bei uns Kindern bedankten, dass wir sie im Winter gefüttert haben. Dieser Brauch kam ursprünglich aus dem Sorbischen.