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„Aale Gage“

Ich erinnere mich noch ganz genau an meinen Geburtstag im Juni 1944. Mein Vater war überraschenderweise auch da und ich durfte einige Klassenkameradinnen einladen. Er stand an der Tür und ich weiß noch, dass er nach dem achten Mädchen entsetzt rief: „Um Himmels Willen, wie viele kommen denn noch?“ Es kamen noch drei und somit waren wir 12.

Meine Mutter war in der Küche damit beschäftigt, duftende Äpfel im Schlafrock zu backen. Ich hatte ein hellblaues Seidenkleidchen an und ein frisches Blumenkränzchen im Haar.

Es war ein großes Glück, dass ich meinen Geburtstag so groß feiern durfte und ich denke, das hatte ich der Tatsache zu verdanken, dass mein Vater Urlaub hatte. Denn mit meiner Mutter war an diesem Tag nicht gut Kirschen essen. Sie war sehr ärgerlich auf mich und ich ging ihr tunlichst aus dem Weg.

Angefangen hatte alles einen Tag vor meinem Geburtstag in der Küche. Irgendetwas hatte mir meine Mutter verboten, was mich so erboste, dass ich sie als „Aale Gage“ beschimpfte und dann schnell das Weite suchte. Doch ich hatte nicht damit gerechnet, dass mich meine Mutter verfolgte. Ich rannte in den Garten zu einem großen Komposthaufen. Und sie hinterher. Wir rannten eine Weile im Kreis um den Haufen und ich glaubte, sie endlich abgehängt zu haben, als sie plötzlich mit einem großen Satz darüber sprang. Sie packte mich und schlug auf mich ein. Ich schrie so laut, dass Spaziergänger am Zaun stehen blieben und nun meine Mutter beschimpften, weil sie „das arme Kind so heftig malträtierte.“ So kam ich noch mal glimpflich davon. Jedoch hieß es später: „Ab in die Kammer!“, was soviel hieß wie Stubenarrest und ohne Abendbrot ins Bett.

„Aale Gage“ heißt übrigens im Oberlausitzer Dialekt „alte Gans“ und sollte man eigentlich überhaupt nicht zu seiner Mutter sagen, egal in welchem Dialekt.

Nanne - Eine Kindheit im 2. Weltkrieg und Jugend in der DDR

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