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6 Die Ischler Hotelierstochter Friedl Harrer und der Filmregisseur Walter Straus Hotel Goldenes Kreuz, Kreuzplatz 7

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Am 6. April 1937 berichtet die Zeitschrift Der Wiener Film über die Vermählung von Oscar Straus’ jüngstem Sohn Walter mit Friedl Harrer aus Bad Ischl. Viel mehr ist über das Leben und Wirken der beiden nicht zu erfahren, Walter Straus schafft es aber unter eher unkonventionellen Umständen immer wieder in die Tageszeitungen. So unternimmt etwa einer seiner Freunde im Jahr 1934 in seiner Untermietwohnung einen Selbstmordversuch aus unglücklicher Liebe. Ein anderes Mal im selben Jahr hat Walter Straus selbst ein paar Medikamente zu viel erwischt und muss ins Brünner Spital eingewiesen werden. Seine Branche ist der Film, und es liegt nahe, dass ihm sein Vater unter die Arme greift. Denn Walter gerät in eine Strafuntersuchung, da er für einen Film bereits zahlreiche Mitwirkende engagiert hat, die Finanzierung aber nicht zustande bringt – sicherlich eine peinliche Situation für den prominenten Vater, der diese Schwierigkeiten wohl diskret aus der Welt schafft. Ob ihm jedoch die Heirat mit der Ischler Hotelierstochter gefallen hat, soll einmal dahingestellt bleiben.

Dabei ist das Hotel Goldenes Kreuz hoch angesehen, eine Gedenktafel erinnert an Karl Kraus, der hier 1909 und 1910 logiert hat. Seit 1845 steigen Kurgäste in diesem Hotel ab – einem alten Etablissement, das stets ein mittelständisches Publikum beherbergt. Holzhändler und Kunstmaler, Kaufleute und Bankbeamte, Ärzte und Rechtsanwälte, Journalisten und Privatiers von Czernowitz bis New York bevölkern das Haus. Prominente Namen sucht man meist vergeblich, es steigt hier das »normale« Publikum ab, das die Sommerfrische Ischl ausmacht. Auffallend ist die internationale Herkunft der Gäste. In dieser Atmosphäre wächst Friedl Harrer als Tochter des Eigentümers auf, erhält viele Eindrücke und erlebt Begegnungen, die den anderen Ischler Kindern verschlossen sind.

Eine faszinierende Welt, die sich auftut – und Walter und Friedl finden einander in wahrlich nicht einfachen Zeiten. 1937 heiraten sie und glauben an eine gemeinsame, erfolgreiche Zukunft – doch weit gefehlt. 1938 muss Walter rasch das Land verlassen, seine Frau kommt mit ihm. Das ist erwähnenswert, denn es ist damals alles andere als selbstverständlich, dass eine nichtjüdische Ehefrau ihrem Mann in eine äußerst ungewisse Zukunft folgt, doch Friedl lässt sich nicht beirren, wie sie 1948 ausführt: »Ich war am 13. März 1938 mit einem Juden im Sinne der Nürnberger Gesetze verheiratet und lebte mit diesem im Ausland, um mich nicht den Ausschreitungen gegen Juden und ihre Angehörigen, die im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Machtergreifung erfolgten, aussetzen zu müssen.«27

Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1940 leiten Friedls Bruder Karl, der im Jahr 1942 fällt, und dann dessen Witwe Grete das Hotel. Tragisch genug für die Witwe, die nach dem Tod ihres Mannes unter Druck gesetzt wird, das Hotel zu verkaufen. »Dieser Druck gründete sich in erster Linie auf der Tatsache, dass ich, die Hälftebesitzerin der Liegenschaften, mit einem Juden verheiratet war«28, gibt Friedl 1948 zu Protokoll. Dass es tatsächlich so war, beweist das Faktum, dass der Notar Dr. Zimmermann im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung nach dem Tod des Vaters Wilhelm Haenel als Abwesenheitskurator für Friedl Straus vorschlägt. Haenel gilt als »Arisierungs- und Entjudungsbeauftragter von Bad Ischl, der sämtliche Arisierungen im Salzkammergut durchgeführt hat.«29 Das Gericht bestellt jedoch statt Haenel den Rechtsanwalt Dr. Amann, der nach dem Tod von Friedls Bruder versucht haben soll, mit Friedl Kontakt aufzunehmen, um eine Vollmacht zu bekommen, auch im Hinblick auf einen späteren Verkauf. Friedl verneint dies: »Ich habe jedoch keine Zuschriften erhalten und hätte solche auch unbeantwortet gelassen, da ich zu jener Zeit sicher sein konnte, dass man mit mir, als Gattin eines Volljuden, was ja, wie es im Verlassenschaftsakt heißt, ›stadtbekannt‹ war, sicher nicht so verfahren wäre, wie es in dieser wichtigen Angelegenheit notwendig gewesen wäre.«30 In einem Brief an den Ischler Dentisten Hans Ecker macht sie deutlich, »dass ich nicht daran denke, mein väterliches Erbe aufzugeben, sondern im Gegenteil bereit bin, dasselbe mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln zu erhalten.«31

Amann gibt also an, Friedl nicht erreicht zu haben, und übt daraufhin sein Amt aus. In einer Sachverhaltsdarstellung schreibt er, »es ist richtig, dass die Antragstellerin mit einem Juden verheiratet war. Es wird aber bestritten, dass die Antragstellerin deswegen irgendeiner Verfolgung im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Machtergreifung ausgesetzt gewesen ist.«32 Alle Mittel sind recht, um einen Rechtsstreit zu gewinnen.

Und immer wieder dasselbe: Es lasten Schulden auf der Liegenschaft, Grete Harrer wird unter Druck gesetzt, hat nicht genügend Barmittel und sieht sich gezwungen, ihren Anteil zu veräußern. Und Amann verkauft auch gleich die zweite Hälfte mit Vertrag vom 1. August 1942. Friedl schildert die Situation: »Ich selbst war jedoch durch meine Heirat in wohlsituierten Verhältnissen, sodass es mir nicht schwergefallen wäre, die Nachlassschulden zu bezahlen und das väterliche Erbe zu erhalten. Mein Vermögen bestand allerdings durchwegs in ausländischer Valuta und hätte ich zur Verbringung eines Betrages zwecks Begleichung der Schulden die devisenrechtliche Genehmigung benötigt, die ich als Gattin eines Juden sicher nicht bekommen hätte.«33 Der Verkaufspreis beträgt statt des geschätzten Betrages von 246 000 RM nur 185 000 RM, also 75 Prozent. Else und Grete Simon, die das Hotel 1942 erworben haben, müssen die Liegenschaften samt Inventar rückstellen, jedoch nur vorerst. Der Bescheid wird aufgehoben, und sie werden als rechtmäßige Eigentümerinnen bestätigt.

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