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7 Der 18. August. Kaisers Geburtstag Kaiservilla, Jainzen 38

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Ein geflügeltes Wort besagt bis heute: Zu Kaisers Geburtstag ist die Saison zu Ende. Zu Kaisers Geburtstag bricht das Wetter. Doch wie ist es möglich, dass sich der Geburtstag des längst verstorbenen Monarchen Kaiser Franz Joseph I. so festgesetzt hat?

Aus der Tradition der kirchlichen Feste entwickelte sich vor allem in der Barockzeit die Gewohnheit, auch weltliche Feiertage zu begehen – der Geburtstag eines Herrschers bot sich dafür besonders an. Gerade der Geburtstag Kaiser Franz Josephs gehört bis zum heutigen Tag zu den Fixpunkten des Ischler Jahreskreises, wie eh und je wird er mit einem Hochamt in der Pfarrkirche begangen. Und bis heute wird inbrünstig, laut und selbstbewusst die Kaiserhymne als Abschluss gesungen.

Doch was hat das zu bedeuten? Geht es heute wirklich nur mehr darum, den Sommergästen ein pittoreskes Schauspiel zu bieten? Oder den Traditionsvereinen die Möglichkeit zu geben, in alten Uniformen und Trachten durch Bad Ischl zu defilieren und vom Hausherrn der Kaiservilla, Markus Habsburg-Lothringen, empfangen zu werden? Was bewegt die Menschen hundert Jahre nach dem Tod des Monarchen, diesen Tag zu feiern und ihn hochleben zu lassen?

Feiertage tragen zur Identitätsstiftung bei, sind zwar keine Erfindung des 19. Jahrhunderts, in diesem Zeitalter des aufkommenden Nationalismus aber besonders beliebt – doch gerade in dieser Tradition steht Kaisers Geburtstag nicht: Der Kaiser ist das Symbol der Monarchie, des Vielvölkerstaates, und lässt sich nicht von einer Nationalität vereinnahmen. Natürlich bezeichnete sich Franz Joseph als »deutscher Fürst«, trotzdem sieht er sich als Kaiser aller Untertanen, als verbindender und integrierender Faktor.

Selbstverständlich werden daher Gottesdienste in Kirchen und Synagogen abgehalten, Kaiser Franz Joseph steht über Konfessionen und Nationalitäten. Ein Mythos entsteht, der ganz bewusst gepflegt und von den großen Städten bis in die kleinsten Dörfer transportiert wird. Die immer gleichen Ingredienzien von Kaisers Geburtstag umfassen ein Hochamt, den Empfang der Delegationen, ein Diner, eine Festvorstellung im Theater und Illumination.


Die Kaiservilla

Die Illumination spielt von Anfang an bei allen Geburtstagfestlichkeiten Kaiser Franz Josephs in Ischl (und nicht nur hier) eine enorme Rolle. Die Zeitungen berichten Jahr für Jahr begeistert von kunstvollen Feuerinstallationen und Beleuchtungen. Und wer Ernst Marischkas ersten Sissi-Film genauer ansieht, erkennt auch dort die Bedeutung des Lichtes: Die Initialen des Kaisers samt der Jahreszahl 1853 werden in Feuer in den Nachthimmel geschrieben.

Brennende Berge, entzündete Türme, die bunte Beleuchtung der Esplanade, der Brücken und Häuser, leuchtende Gondeln, die auf der Traun fahren – was für ein Schauspiel, das dem Volk da geboten wird. Bereits beim ersten Geburtstag, den Franz Joseph als Kaiser in Ischl begeht, spielt die Beleuchtung eine große Rolle: »Am Vorabend des a. h. Geburtstagsfestes, war in Ischl großartige und feierliche Beleuchtung«, berichtet die Salzburger Constitutionelle Zeitung am 23. August 1849. »Ganz Ischl wogte in einem Lichtermeer, und eine sternenlose, stockfinstere Nacht erhöhte dieses Schauspiel. Lange Reihen von Lampen, die in allen Farben strahlten, und ihr magisches Licht über den smaragdenen Spiegel der Traun ergossen, liefen an beiden Ufern des Flusses dahin. Die Brücke und der Triumphbogen, am Eingange der Esplanade, glichen lodernden Feuerbogen. Von dem Gipfel des Hundskogels strahlte herab der Namenszug Sr. Majestät, von tausend Lichtern umflossen. Auf dem andern Berggipfel erhob sich der Kolowrats-Thurm wie eine Feuersäule.«

Was für ein Riesenunterschied zu den anderen Nächten des Jahres, in denen es stockfinster war: Kaum Straßenbeleuchtung, nur wenige Lichtquellen in den Häusern und gerade einmal ein paar Sterne und der Mond spenden Licht. Heute ist der enorme Stellenwert von Beleuchtung gar nicht wirklich vorstellbar. Auch die Villen werden Teil des Spektakels: »Hie und da tauchte aus der dunklen und sternenlosen Nacht eine in Feuer strahlende Villa hervor, gleich einem aus Diamanten erbauten Feen-Palaste. Die Villen Wrbna, Sickingen und Kolowrat gewährten einen zauberhaften Anblick, da ihre Bauart sie zu einer Beleuchtung wie geschaffen macht«, heißt es weiter in der Zeitung.

Dazu die Beflaggung. Große schwarz-gelbe Fahnen vereinen sich mit dem Doppeladler, alle Häuser sind geschmückt und werden Teil der patriotischen Inszenierung. Und dazu die Aufzüge: Sind es in den ersten Jahren Fackelzüge der Salinenarbeiter und Bergleute, ändert sich dies mit der wirtschaftlichen Entwicklung Ischls. Immer öfter defilieren nun Trachtengruppen und diverse Vereine durch den Ort, immer aufgeputzt mit weiß gekleideten Mädchen.

Dass der Kaiser früh aufsteht, bewirkt einen äußerst frühen Beginn der Feierlichkeiten: »Der heutige Festtag wurde mit einem von der k. k. Salinencapelle um 5 Uhr Morgens ausgeführten Weckrufe eingeleitet«, so das Deutsche Volksblatt am 19. August 1900. Es ist der 70. Geburtstag des Monarchen, der gefeiert wird, auch mit äußerst originellen Ideen: In der Kaiservilla gibt es eine Gratulationskundgebung der besonderen Art in fünf Altersabstufungen: »Urgroßeltern, Großeltern, Eltern, Jüngling und Jungfrau, Knabe und Mädchen in Originaltrachten des jeweiligen Zeitalters und der entsprechenden Gegend. Der Kaiser geruhte die Huldigungsabordnung in Gegenwart sämmtlicher hier weilender Mitglieder des allerhöchsten Kaiserhaues um ½ 12 Uhr huldvollst zu empfangen.« Aber der Höhepunkt der Skurrilität ist noch nicht erreicht, denn nun folgen die Gemeinden mit »allerunterthänigsten Sträußen aus Alpenrosen, und zwar Gosau Edelweiß, Hallstadt Cyclamen, St. Wolfgang Alpenrosen, Goisern Gentianen, Ebensee Alpenvergißmeinnicht und Ischl Kohlröschen.«


Kaisers Geburtstag im Jahre 1906

Auch das Theater spielt eine große Rolle. Interessant ist, dass in der Zeitung immer besonders betont wird, wenn ein Mitglied des Kaiserhauses einer Vorstellung bis zum Ende beiwohnt – es muss sich dabei um eine ganz besondere Auszeichnung gehandelt haben. Der Kaiser besucht an seinen Geburtstagen sehr selten das Theater, sondern zieht sich in die Kaiservilla zurück. Man bekommt fast Mitleid mit ihm: Zu seinem 80. Geburtstag im Jahr 1910 muss er eine Aufführung des von seiner Tochter Marie Valerie verfassten Stückes Die Huldigung der Alpenblumen über sich ergehen lassen, Kinder und Kindeskinder wirken mit.34

An diesem seinem letzten Geburtstag, den er in Ischl verbringt, tauchen die Bergfeuer und die Traunbeleuchtung die Stadt in ein fast mystisches Licht. »Alle öffentlichen Gebäude und alle Privathäuser waren feenhaft illuminiert. In den Straßen wogte eine freudig bewegte Menschenmenge, welche ihrer Bewunderung über die märchenhafte Pracht, in der heute Ischl erstrahlt, in lautem Jubel Ausdruck gab. Um 8 Uhr Abends gaben Pöllerschüsse das Zeichen zur Höhenbeleuchtung. Auf allen Bergeshöhen rings um Ischl loderten mächtige Freudenfeuer. Auf dem Katrin-Gebirge ist in riesiger Feuerschrift die Zahl 80 zu lesen. Von der Franz-Josephs-Warte auf dem Siriuskogel leuchten die Ziffern 1830–1910, überstrahlt von der Kaiserkrone und den kaiserlichen Initialen, herab. Ein überaus effektvolles Feuerwerk, das hier abgebrannt wurde, wurde mit großem Jubel aufgenommen.« Dies darf aber nicht zu sehr von der Stadt selbst ablenken, denn »einen entzückenden Anblick bieten die Traun-Brücken und -Ufer, die mit Tausenden von Lämpchen beleuchtet sind und die rauschenden Fluten der Traun in magischem Lichte erstrahlen lassen. Längs des rechten Ufers der Traun sind in Flammenschrift die Worte zu lesen: ›Gott erhalte unseren Kaiser, Gott beschütze unseren Kaiser.‹«35

Sechs Jahre später stirbt der Monarch, doch der Mythos um seinen Geburtstag bleibt bestehen. 1917, mitten im Krieg, stehen jedoch weniger Vergnügungen als Wohltätigkeit auf dem Programm. Einige Damen der Gesellschaft veranstalten zugunsten des k. u. k. österreichischen Militär-Witwen- und Waisenfonds einen Blumentag, der mit einem Hochamt in der Kirche beginnt. »Eine große Tombola im Kurhause und ein unter der Leitung des Musikdirektors André Hummer vom Wiener Tonkünstler Orchester aufgeführtes Festkonzert beschlossen die Bad Ischler Kaiserfeier.«36 Schon der Vorabend steht mit einem Festkonzert ganz im Zeichen der Wohltätigkeit – eine würdige Art, den verstorbenen Kaiser zu ehren.

Auch der 100. Geburtstag des Kaisers wird entsprechend begangen: Nun, im Jahr 1930, organisieren das Grüne Kreuz und der Verband der Landesjagdschutzvereine Österreichs die Feierlichkeiten – dies entspricht sicherlich den Vorlieben des Kaisers. Nach dem üblichen Hochamt marschiert die Festgesellschaft zum Kaiserstandbild am Lauffener Waldweg, Kränze werden niedergelegt, Reden gehalten und ein überaus eklektisches Musikprogramm zur Untermalung gespielt: der Königsruf aus Lohengrin in Kombination mit dem Radetzky-Marsch und Oh Du mein Österreich. Nur an der Beflaggung fehlt es, denn die Bezirkshauptmannschaft Gmunden verbietet schwarz-gelbe Fahnen und den Doppeladler – offenbar herrschen Unsicherheit und Angst vor restauratorischen Kundgebungen.


Karikatur zu Kaiser Franz Josephs 100. Geburtstag, Der Morgen, 18.8.1930

Danach wird es viele Jahre still um Kaiser Franz Joseph, doch nach dem Zweiten Weltkrieg muss das Land langsam wieder auf die Beine kommen und sich eine neue – alte – Identität schaffen. Der Blick zurück in die vermeintlich »gute alte Zeit« hilft dabei, Filme tun ihr Übriges – und so kommt der Sissi-Trilogie ein enormer Stellenwert zu, die den Blick auf Franz Joseph und Elisabeth bis heute prägt. Sie färbt auch auf Ischl ab, das sich dieser Tradition gern erinnert und das Wiederaufleben als Chance sieht, mit zuckerlrosa Nostalgie Gäste anzulocken. Und dieser Blick zurück funktioniert noch immer sehr gut.

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