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Marie-Christine.

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Der Wecker? Nein, das konnte doch nicht sein. Sie rieb sich die Augen und riskierte einen kurzen Blick auf die Uhr. Erst halb sieben. Was zum Teufel ... Es war das verdammte Telefon – einer ihrer prominentesten Klienten machte sich wohl einen Sport daraus, sie zu quälen. Immer rief er zu Unzeiten an. Ob er das mit seinen männlichen Anwälten auch so hielt? Wohl kaum. Sie schluckte ihren Ärger hinunter, räusperte sich und meldete sich mit ihrer, wie sie dachte, coolsten Telefonstimme.

„Habe ich Sie geweckt?“

Scheinheiliger Scheißkerl! „Wie kommen Sie darauf? Ich bin auf dem Weg ins Büro.“ Sein Lachen klang außerordentlich sexy, wie sie widerstrebend feststellen musste.

„Ach ja?“

Sie schwieg.

„Hören Sie, ich muss mit Ihnen über das neue Bauprojekt sprechen. Die Anrainer machen Schwierigkeiten.“

„Natürlich. Wann?“

„In einer Stunde bei mir im Büro? Das müssten Sie schaffen, oder? Sie sind ja sozusagen schon fast da.“

Marie-Christine ignorierte seinen ironischen Unterton. „In dreißig Minuten, wenn Sie wollen.“

Wieder lachte er laut auf. „Sehen Sie, deshalb mag ich Sie lieber als Ihre männlichen Kollegen. Man hat viel mehr Spaß mit Ihnen. Wir sehen uns um acht bei mir.“

Ohne ihre Antwort abzuwarten, legte er auf. Erschöpft sank sie in ihre Kissen zurück. Peter Beck galt als der erfolgreichste Immobilientycoon des Landes. Der Mann war klug, charmant, humorvoll und sah auch noch umwerfend aus. Kurz: Er war genau wie ihr Ex-Freund Max und deshalb so ziemlich das Letzte, was sie im Moment brauchen konnte. Marie-Christine seufzte. Wann würde sie endlich über diese Trennung hinwegkommen? Max, ihr Traumprinz, hatte sie verlassen. Genau genommen hatte er sie erst betrogen. Mit einer Studentin, auf dem Segelboot, vor den Augen ihrer Freunde. Schon als er von seinem Segeltörn zurückkam, war ihr sein Verhalten seltsam erschienen. Er konnte ihr kaum in die Augen sehen, und als sie versuchte, ihn zu verführen, wich er ihr aus. Eine Woche lang versuchte sie, sein verändertes Verhalten zu ignorieren. Max wirkte zerstreut, fingerte ständig an seinem Smartphone herum und vermied weiterhin jede Berührung. Als er zum dritten Mal später als sonst nach Hause kam, stellte sie ihn zur Rede. Sie sähe Gespenster, warf er ihr vor, es sei alles in Ordnung. Als sie vier Tage später ihre gemeinsame Wohnung betrat, spürte sie, dass etwas anders war als sonst. Dann sah sie den Koffer. Max trat aus der Küche auf sie zu. Er war blass. Es täte ihm so furchtbar leid, sagte er, aber er könne nichts dagegen tun. Er habe sich verliebt. Und dass er gehen müsse. Dann war er fort. Marie-Christine schloss die Augen. Wann würde sie das alles endlich vergessen?

Sie gab sich einen Ruck. Selbstmitleid war an sich nicht ihr Ding, also wischte sie die trüben Gedanken fort, stand auf und ging unter die Dusche. Ein hektischer Tag lag vor ihr, und diesen neuen Termin hatte sie nicht eingeplant. Sie dachte an Peter Beck. Seine Stimme machte sie heiß, wie sie sich unwillig eingestehen musste.

Marie-Christine hielt ihr Gesicht in den warmen Wasserstrahl und entspannte sich. Sie würde das für heute geplante Meeting mit ihrem Kollegen auf morgen verschieben, das war machbar, vielleicht sogar nicht mal schlecht. Er begann ohnehin Allüren zu entwickeln. Beck hatte Vorrang.

Während sie das Duschgel langsam über ihren Körper verteilte, stellte sie irritiert fest, dass der Gedanke an ihn sie elektrisierte. Seine kühlen Augen, das markante Gesicht, die dunklen halblangen Locken, die sich über dem Hemdkragen wellten. Ihre Hände strichen über ihre vollen Brüste. Er gefiel ihr, und wie er ihr gefiel.

Sie stellte den Duschstrahl stärker und ließ das Wasser auf ihre steifen Brustwarzen prasseln. Wie von selbst fanden ihre Hände ihren Weg zwischen ihre Beine. Während sie sanft den duftenden Schaum des Duschgels auf ihrem nur mit einem schmalen Streifen behaarten Venushügel und den völlig nackten Schamlippen verteilte, entfuhr ihr ein Stöhnen. Der harte Strahl auf ihren Brüsten erregte sie. Sie bewegte ihren Oberkörper leicht hin und her, ihr Becken wand sich unter ihren immer fordernder werdenden Händen. Erst umkreisten sie ihre Klitoris, dann glitten ihre Finger wie von selbst in ihre Vagina. Sie schrie auf. Die linke Hand bewegte sich währenddessen langsam von ihrer Hüfte zu ihrem Gesäß. Sie streichelte die perfekt geformten Pobacken und hielt kurz inne. Marie-Christine atmete heftig, als ihr Finger in das enge dunkle Loch glitt. Langsam massierte sie ihre beiden Körperöffnungen, ihre Hände wohl aufeinander abgestimmt, und streckte ihre Brüste gierig dem gleichmäßig auf sie herabprasselnden Wasserstrahl entgegen. Sie spürte Schwindel in sich aufsteigen und stemmte ihre Beine fester gegen den Rand der Duschkabine. Laut stöhnend rieb sie sich unbeirrbar einem heftigen Höhepunkt entgegen.

Als sich ihr Herzschlag ein wenig beruhigt hatte, stieg sie aus der Dusche und schlang sich ein Handtuch um den Kopf. Nach einem raschen Blick in ihren Kleiderschrank entschied sie sich für ein graues, mit schwarzer Spitze besetztes kurzes Mantelkleid und ihre hohen Wildlederstiefel. Cool, edel, seriös und sexy. Genau das Richtige, um Mister Perfect den Kopf zurechtzurücken.

Zwanzig Minuten später war sie fertig. Sie warf ihre lange rote Mähne zurück, betrachtete ihr dezent geschminktes Gesicht im Spiegel und nickte zufrieden. Der Tag konnte beginnen. Gut gelaunt schwang sie sich in ihr kleines schwarzes Cabrio. Ihre unbeschwerte Stimmung verflog jedoch rasch, als sie sich im morgendlichen Berufsverkehr hinter zwei Straßenbahnzügen durch die stark befahrene Währinger Straße Richtung Universität quälte. Die Auffahrt auf den Ring war nach einem Unfall gesperrt. „Auch das noch“, schimpfte sie, bevor sie nach dem Anatomischen Institut rechts abbog, vorbei an der Votivkirche, deren schlank aufragende Türme unter den ersten Sonnenstrahlen glitzerten wie frisch gewobene Spitze.

Gereizt und in leicht überhöhtem Tempo umrundete sie das Rathaus. Noch hielt sich der Ansturm auf die Stadtverwaltung in Grenzen, und so konnte sie relativ gefahrlos einen Blick auf den Rathausmann riskieren, der sich stolz im Morgenlicht sonnte. Marie-Christine liebte es, ihren internationalen Klienten bei einem Bummel durch die Stadt seine Geschichte zu erzählen: Auf Wunsch Kaiser Franz Josephs durfte der höchste der fünf Türme des Neuen Rathauses die wenige Jahre zuvor fertiggestellte Votivkirche nicht überragen. Der Architekt beugte sich natürlich untertänigst dem allerhöchsten Wunsch und blieb exakt einen Meter unter dem erlaubten Niveau. Er ließ es sich allerdings nicht nehmen, diesen über fünf Meter hohen und fast zwei Tonnen schweren Ritter mit Standarte auf die Turmspitze zu setzen. Im Lauf der Zeit wurde dieser Ausbund künstlerischer Aufsässigkeit zu einem der geheimen Wahrzeichen der Stadt.

Marie-Christine hupte energisch, als ein Fußgänger, ohne nach links oder rechts zu sehen, ihr fast vor den Kühler lief und sie sich prompt wüste Beschimpfungen und einen hochgestellten Mittelfinger einhandelte. Auch das ist typisch Wien, dachte sie im Stillen, während sie sich für ein paar Sekunden ins wesentlich zivilisiertere heimatliche Vorarlberg zurücksehnte.

Hinter dem Parlament bog sie nun endlich auf den Ring ein. Die Kastanien, die Wiens Prachtstraße säumten, zeigten sich um diese Jahreszeit mit ihrer verschwenderischen weißen und rosafarbenen Blütenpracht von ihrer schönsten Seite. Noch war keine Spur vom zerstörerischen Werk der Miniermotte zu sehen, die den Bäumen in der ganzen Stadt Jahr für Jahr schwer zusetzte. Jetzt trennte sie nur noch ein kurzes Wegstück vom Herz der Innenstadt. Der sonst so belebte Platz vor der neobarocken Fassade des Burgtheaters, dieser historischen Bastion österreichischer Hochkultur, war früh am Morgen fast menschenleer. Nur vereinzelt umkreisten Autos das daneben gelegene Café Landtmann, beliebter Treffpunkt für Meetings, Pressekonferenzen und Geschäftsessen, in der Hoffnung auf einen der inzwischen rar gewordenen Parkplätze. Auch vor dem altehrwürdigen Hauptgebäude der Alma Mater Rudolphina Vindobonensis, der ältesten Universität im deutschen Sprachraum, war noch nicht viel los. Vor acht Uhr verirrten sich trotz verschärfter Studienbedingungen kaum Studenten in die Hör- und Seminarsäle.

Geschickt fädelte sich Marie-Christine von der linken Überholspur in die lange Reihe der Rechtsabbieger ein. Im Schneckentempo folgte sie einem der zahllosen Fiaker, die Wien-Touristen gleichermaßen liebten wie die Wiener selbst sie vor allem in der touristischen Hochsaison als ignorantes Verkehrshindernis verwünschten. Ihre Finger veranstalteten einen nervösen Trommelwirbel auf dem Lenkrad – keine Chance, den Fiaker in der schmalen Schottengasse zu überholen.

Wenige Meter später hatte sie es geschafft. Sie stellte ihr Auto in der Tiefgarage ab, hastete durch die Herrengasse, begrüßte einen ihrer Kollegen auf seinem täglichen Weg zu Melange, Kipferl und Morgenzeitung im Café Central. Sie machte noch einen kurzen Abstecher in ihr Büro, um den neuen Terminplan mit ihrer Assistentin abzugleichen.

Marie-Christines Kanzlei befand sich mitten im Ministeriumsviertel rund um den Minoritenplatz, praktischerweise in Fußnähe zu Becks beeindruckendem Firmensitz. Der kurze Spaziergang zum nahe gelegenen Michaelerplatz zauberte trotz ihrer wachsenden Anspannung ein Lächeln auf Marie-Christines Lippen. Nach einem Treffen im Café Griensteidl hatte sie Theresa die wenigen Schritte zu dem Grabungsfeld gezerrt, das seit den frühen 1990er Jahren den Platz beherrschte.

„Ich muss dir was zeigen“, hatte sie aufgeregt gemeint.

Anfangs war Marie-Christine etwas verblüfft, dass eine Handvoll alter Steine Theresa derartig in Aufregung versetzen konnten, doch schon bald verstand sie warum. Die von Archäologen in jahrelanger Präzisionsarbeit freigelegte römische Lagervorstadt sollte angeblich Wiens ältestes Bordell beherbergt haben. Das Badehaus erfreute sich bei seiner internationalen Kundschaft so großer Beliebtheit, erzählte Theresa, dass man zur besseren Verständigung und Vermeidung von Missverständnissen Münzen ausgab.

„Münzen mit Stellungen drauf, das ist doch unglaublich!“ Jetzt fiel bei Marie-Christine der Groschen. Klar, es ging um Sex. Wie sonst hätte sich Theresas plötzliche Begeisterung für Archäologie wohl erklären lassen? „Und ich dachte mir, so was werde ich auch designen. Wäre doch ein cooles Spiel, was meinst du? So wie Strip-Poker. Alles im geilen Römeroutfit natürlich. Jeder darf eine Münze werfen und muss die Stellung dann nachmachen. Das wäre doch ein Hit, oder? Kann man zu zweit spielen oder auch in der Gruppe ...“

„Sag mal Herzchen, Sexshops sind doch sozusagen dein zweites Wohnzimmer. Warst du noch nie in der Spieleabteilung?“, dämpfte Marie-Christine Theresas Euphorie. Theresa enttäuschte dabei offenbar weniger die Tatsache, dass sie mit ihrer Geschäftsidee wohl doch nicht in Beate Uhses Fußstapfen treten würde, als dass Marie-Christine ihr diesmal in ihrer ureigensten Domäne einen Schritt voraus war.

Mittlerweile hatte Marie-Christine den Kohlmarkt erreicht, wo auch um diese Uhrzeit bereits hektische Betriebsamkeit herrschte. Allerdings drängelten sich nicht wie sonst elegante Kunden und Touristen, sondern ausschließlich Lieferanten zwischen den internationalen Designerboutiquen in Wiens teuerster Einkaufsstraße mit dem spektakulären Blick auf die Hofburg. Marie-Christine schlängelte sich durch die parkenden Fahrzeuge an der schlichten Fassade des Loos-Hauses vorbei, erschrak über das wütende Hupen eines Lieferwagens und betrat endlich das repräsentative Gründerzeitgebäude, in dem Peter Beck residierte. Jetzt würde sich ja herausstellen, ob Becks Kampf mit den Anrainern ein echtes Problem darstellte oder sich lediglich als Vorwand entpuppte, sie zu sehen. Es wäre nicht das erste Mal.

Zu ihrer eigenen Überraschung nahm Marie-Christine ein wenig enttäuscht zur Kenntnis, dass Peter Beck sie heute tatsächlich in ihrer Funktion als Anwältin brauchte. Es dauerte mehr als drei Stunden, bis sie eine ebenso gute wie realistische Lösung gefunden hatten. Sie war so konzentriert, dass sie seine intensiven Blicke kaum bemerkte. Nur ein Mal, sie hatte gerade ein paar Notizen in ihren Laptop getippt, sah sie direkt in seine leuchtend blauen Augen – diese Mischung aus Gier und Bewunderung hielt sie für den Rest des Tages in ihrem Bann.

Statt sie schließlich wie gewohnt mit einem kühlen Händedruck zu verabschieden, nahm er Marie-Christine in die Arme und küsste sie zart auf die Wange. Verärgert stellte sie fest, dass sie errötete wie ein Schulmädchen. Die erstaunten Blicke der gestrengen Vorzimmerdame begleiteten sie, als sie mit hoch erhobenem Kopf und steifen Schritten Peter Becks Büro verließ.

Wiener Lust

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