Читать книгу Wiener Lust - Marie von O. - Страница 13
Oliver.
ОглавлениеEin Bus voll hormongeplagter Teenager! Kathrin seufzte. Jedes Jahr wieder fragte sie sich, warum sie sich das antun musste. Landschulwoche mit den fünften Klassen. Jede Menge Arbeit, Verantwortung und Nervenkitzel. Letztlich erfüllten sie diese Tage aber doch mit Befriedigung. Inspirierende Gespräche, der jugendliche Anarchismus und diese schier unendliche Energie ihrer Schülerinnen und Schüler erweckten in ihr unbändige Lebensfreude. Und sie hatte das Gefühl, gebraucht zu werden. Nachdenklich sah Kathrin aus dem Fenster. Was sie ihren Freundinnen nicht verraten hatte, war ihr wahrer Herzenswunsch: Sie sehnte sich nach einem Kind, vielleicht sogar mehreren. Deshalb hatte sie Jürgens Geständnis härter getroffen, als sie zugeben wollte.
„Frau Professor“, Irinas energische Stimme riss sie aus ihren schwermütigen Gedanken, „der Herr Hartmann möchte sich zu Ihnen nach vorn setzen. Ich könnte mit ihm den Platz tauschen, wenn es Ihnen recht ist.“
Kathrin lächelte. Irina, die kleine, drahtige Weißrussin, war eine ihrer Lieblingsschülerinnen, auch wenn sie manchmal anstrengend war. Im Moment wollte sie zum Rest ihrer Clique in den hinteren Teil des Busses. Genau das hatte Kathrin vermeiden wollen, indem sie das Mädchen neben sich gesetzt hatte. „Na gut, dann geh nach hinten. Aber bitte seid nicht zu laut!“, antwortete sie mit einem Achselzucken, bereute ihre Entscheidung jedoch sofort. Jede Inkonsequenz hieß, vor dieser unbarmherzigen Meute Schwäche zu zeigen, und wenn die Schülerinnen erst einmal Oberwasser hatten, war es mit ihrem eigenen Seelenfrieden vorbei.
Aber Irina schien sich nur zu freuen und strahlte. „Danke!“ Schon war sie mit ihrem iPod und den großen Kopfhörern, die offensichtlich gerade wieder angesagt waren, verschwunden.
Kathrin lehnte den Kopf zurück. Sie musste für einen Moment eingeschlafen sein, denn als sie die Augen öffnete, sah sie direkt in ein freundlich lächelndes Männergesicht.
„Schlafen Sie ruhig weiter. Die Mädchen wollten zusammensitzen, und ich konnte ihnen doch nicht gleich am Anfang den Spaß verderben.“
„Ah ja, Sie wollten also gar nicht neben mir sitzen?“ Hatte sie noch alle Tassen im Schrank? Warum flirtete sie mit ihm? Kathrin sah ihren Sitznachbarn genauer an. Er hatte ein angenehmes, gut geschnittenes Gesicht, blondes, kurzes Haar und – ja – grüngoldene Augen. Was für wunderbare Augen.
„Wenn Sie mich weiter so anschauen, möchte ich nie mehr wieder anderswo sitzen.“ Er musterte sie. „Wir hatten übrigens bei dem Trubel vorhin gar keine Zeit, uns bekannt zu machen. Ich bin Oliver Hartmann. Und ich darf Sie daran erinnern, dass Sie sich vor diesem halsbrecherischen Unterfangen hier nicht mit mir treffen wollten.“
Kathrin lachte. „Ich weiß, Sie sind Tobias’ Vater und der erste Mann in der Schulgeschichte, der sich als Begleitperson für eine Schullandwoche zur Verfügung gestellt hat. Gratuliere! Sie werden Ihre Entscheidung bitter bereuen.“
Oliver lächelte. „Na, da bin ich mir im Augenblick nicht so sicher.“
Verlegen wich Kathrin seinem Blick aus. Als seine rechte Hand sich bei einem etwas ruppigen Bremsmanöver des Busses gegen die Lehne des Vordersitzes stützte, stellte sie fest, dass er kräftige, sehnige Hände hatte. Sehr schöne Hände. Sie räusperte sich. „Nun, man wird sehen.“
In den folgenden zwei Stunden unterhielten sie sich, anfangs stockend, dann immer angeregter über die geplanten Aktivitäten der kommenden Tage, Tobias, Olivers Job als freischaffender Journalist und die Scheidung von seiner Frau Cordula. „Das letzte Jahr war ein Horror, aber seit zwei Wochen ist es amtlich. Und zum Schluss ging dann alles doch recht freundschaftlich über die Bühne.“ Die Scheidung sei auch einer der Gründe gewesen, warum er sich bereit erklärt habe, als Begleitperson für eine erkrankte Mutter einzuspringen. „Ich wollte Tobias zeigen, wie wichtig er mir nach wie vor ist, und dass die Trennung seiner Eltern nichts mit ihm zu tun hat.“
Kathrin nickte. „Das ist sicher ein gutes Signal für ihn.“ Sie lehnte sich zurück. „Eine Trennung kann einen ganz schön fertigmachen.“
„Sie also auch?“, fragte er.
Kathrin nickte. „Seit ein paar Monaten. Es war Heiligabend, genau genommen. Vor Kurzem habe ich erfahren, dass seine Freundin ein Kind von ihm erwartet.“
Oliver betrachtete sie aufmerksam. „Und? Sind Sie über ihn hinweg?“
„Ja.“ Sie sah ihm offen ins Gesicht. „Ja“, wiederholte sie erstaunt, „ich bin über ihn hinweg.“ Als seine Hand ihr Knie streifte – war es Zufall oder Absicht? –, fuhr ein prickelnder Schauer über ihren Rücken. Sie fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr.
„Wir sind da“, ertönte plötzlich ein Freudenschrei aus der letzten Reihe.
Fast enttäuscht stand Kathrin auf. „Dann kann es ja losgehen.“
Oliver lächelte. „Sie helfen mir doch, wenn mir das wilde Rudel über den Kopf wächst, oder?“
Kathrin lachte. „Natürlich. Pfadfinderehrenwort.“
„Ihre Hand drauf!“
Sie schlug ein und stellte irritiert fest, dass ihre Knie bei der Berührung weich wurden. Auch er sah sie überrascht an und räusperte sich verlegen. Dann öffneten sich die Türen des Busses, und die vorbeidrängenden Kinder machten jede weitere Kommunikation unmöglich.
Den Rest des Tages waren sie mit Organisationsaufgaben und der Klärung logistischer Fragen beschäftigt. Oliver, so viel konnte Kathrin unauffällig in Erfahrung bringen, war eine Etage höher untergebracht. Eine Verbindungstreppe führte von ihrem Zimmer direkt zum Jungentrakt.
Erst gegen elf Uhr abends kehrte nach einem turbulenten Abendessen Ruhe ein. Seufzend schloss Kathrin die Tür zu ihrem Zimmer. Endlich. Und wie so oft nach einem anstrengenden Tag überkam sie die unbändige Lust, ihren Stress mit einem Powerlauf abzubauen. Ihre Kollegin hatte sich mit einem Buch auf ihr Zimmer zurückgezogen, sie konnte sich also beruhigt für eine Stunde aus dem Haus wagen.
Rasch zog sie sich um, schaltete ihre Stirnlampe ein und lief los. Eine Dreiviertelstunde später kam sie durchgeschwitzt, aber glücklich zurück. Während sie sich auf ihr abschließendes Stretching-Programm konzentrierte, hörte sie Schritte.
„Beeindruckend, wie Sie die überdrehte Meute gebändigt haben. Jetzt sind sie mucksmäuschenstill.“
Sie fuhr herum. Oliver stand, die Arme verschränkt, nur ein paar Meter von ihr entfernt. Mit einer raschen Bewegung nahm Kathrin die Stirnlampe ab und schüttelte ihre braunen Locken.
„Berufserfahrung, würde ich sagen“, stieß sie, noch ein wenig außer Atem, hervor.
Lachend trat er auf sie zu. „Woher nehmen Sie bloß Ihre Energie? Ich bin vollkommen erledigt. Eigentlich wollte ich noch etwas schreiben, aber mehr als ein kleiner Abendspaziergang war heute beim besten Willen nicht drin. Sie sind übrigens zweimal an mir vorbeigelaufen.“
„Ach ja? Ich habe Sie gar nicht gesehen.“
„Ich weiß.“ Als er sie im schwachen Schein der Laterne aufmerksam musterte, wich sie einen Schritt zurück und spürte die Hauswand in ihrem Rücken.
„Sie sind ja ganz nass“, bemerkte er.
Kathrin brachte kein Wort hervor. Seine körperliche Nähe lähmte sie. Mit einer sanften Bewegung fuhr er ihr vorsichtig durchs Haar. Sie wehrte sich nicht. Langsam, ganz langsam, zog er sie an sich. „Und Sie riechen gut. Nach frischer Landluft. Unwiderstehlich.“
Kathrin konnte seinen Atem auf ihrem Gesicht fühlen und schloss die Augen. Er küsste ihre Augenbrauen, ihre Lider und Wangen, schließlich senkte sich sein Mund auf den ihren. Zart, kaum spürbar. Impulsiv schloss Kathrin ihre Arme fest um seinen Nacken, presste ihren Mund auf seinen und öffnete ihre Lippen. Sie stöhnte, als sie seine Hand auf ihrer Brust spürte. Oliver atmete heftig, während er mit sanften Bewegungen ihren vollen Busen erkundete. Als sein Bein zwischen ihre leicht geöffneten Schenkel glitt, spürte sie seine Erregung.
„Komm, lass uns reingehen“, flüsterte er, bevor er sich von ihr löste und ihre Hand nahm. Kathrin folgte ihm, außerstande auch nur einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Vor ihrem Zimmer blieb er stehen. Sie öffnete die Tür und sah ihn fragend an. Doch er küsste sie nur zart auf die Wange.
„Wir sehen uns morgen. Schlaf gut“, sagte er.
Leise schloss sie die Tür hinter sich. Was war das eben? Wie in Trance zog sie sich aus und ging ins Bad. Sie betrachtete ihr Spiegelbild. Ihre krausen, dunklen Locken, die ungebändigt auf ihre Schultern fielen, ihre braunen Augen, die ihr jetzt ratlos entgegenblickten, die schweren Brüste, die alle Männer in Entzücken versetzten und die sie selbst immer wieder mit großer Freude berührte.
Gedankenverloren umfasste sie die prallen Halbkugeln mit beiden Händen, während sie sich im Spiegel dabei zusah, wie sie sie knetete und mit den Brustwarzen spielte. Wie erregt sie war ... Ihre Hände glitten über ihren durchtrainierten Bauch hinunter zwischen ihre Beine. Sie war so feucht. Nachdenklich betrachtete sie ihren kräftigen Körper im Spiegel. War es das, was ihre Freundinnen gemeint hatten?
Kathrin seufzte und stellte die Dusche an. Jetzt brauchte sie dringend eine Abkühlung. Völlig entspannt stieg sie wenig später aus der Dusche und trocknete sich ab. Nach dem Frühstück standen morgen Klettern und ein Ausflug zu einer nur wenige Kilometer entfernten Flying-Fox-Anlage auf dem Programm. Sie freute sich darauf, wie sie überrascht feststellte. Und wie sie sich freute. Wenig später sank sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf.