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Jungfernfahrt.

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Faul räkelte sich Marie-Christine auf ihrer Liege neben dem Swimmingpool und streifte mit einer nachlässigen Bewegung die Träger ihres paillettenbesetzten Bikinioberteils von den Schultern. Was für ein herrliches Augustwochenende. Max war nicht gerade in Begeisterungsstürme ausgebrochen, als sie ihm von ihrem Plan erzählt hatte. Er würde dann eben beim diesjährigen Segeltörn mit den Mendorffs, wenn auch sehr ungern, auf ihre Begleitung verzichten müssen, hatte er mit großer Geste erklärt und sich ein Glas Portwein eingeschenkt.

Nun war sie hier, irgendwo im Niemandsland nahe der tschechischen Grenze und genoss den Wellnessurlaub mit ihren Freundinnen in vollen Zügen. Marie-Christine wusste, dass sie Max ein Dorn im Auge waren. Nina, die bildhübsche Zahnärztin aus Salzburg, konnte vor seinem kritischen Auge noch am ehesten bestehen. Ihren Freund Christian hielt er jedoch für einen jener neureichen Aufsteiger, die er als Spross einer alteingesessenen Wiener Anwaltsfamilie aus dem tiefsten Inneren seines Herzens verachtete. Kathrin und ihren Mann Jürgen, beide Sportlehrer an einem Badener Gymnasium, bezeichnete er als langweilige Spießer. Und Theresa, Grafikerin in einer hippen Wiener Werbeagentur, bedachte er mit wenig schmeichelhaften Attributen wie leichtfertig, ungebildet oder vulgär – wenn er nicht gerade auf Teufel komm raus mit ihr flirtete.

Dass ein Leben mit Max nicht einfach werden würde, war Marie-Christine bei ihrer ersten Begegnung klar gewesen. Doch sie hatte sich Hals über Kopf in ihren gutaussehenden Kollegen verliebt. Er war arrogant, anmaßend, klug, außergewöhnlich kompetent und wahnsinnig sexy. Und er bot ihr ein Leben, wie sie es sich nie zu erträumen gewagt hätte. Ein Penthouse mit Dachgarten in der Wiener Innenstadt, das in seinen Kreisen obligate Ferienhaus im Salzkammergut, eine Segelyacht inklusive Skipper, unbezahlbare gesellschaftliche und berufliche Kontakte und natürlich Reisen in die exklusivsten Luxushotels der Welt. Altes Geld gepaart mit Erfolg und umwerfendem Aussehen – noch heute konnte Marie-Christine kaum fassen, welchen Goldfisch sie da an Land gezogen hatte. Nur ihre Freundinnen waren von Max nicht ganz so begeistert wie sie. Gerade deshalb hatte sie auf dieses Wochenende so viel Wert gelegt. Nina, Theresa und Kathrin waren fast wie eine Familie für sie. Daran würde niemand etwas ändern. Nicht einmal Max.

„Was hast du? Du wirkst so nachdenklich.“ Ninas verschlafene Stimme riss sie aus ihren Gedanken.

„Ach nichts“, erwiderte Marie-Christine rasch. „Ich dachte nur gerade, wie froh ich bin, mit euch hier zu sein, statt mit Max’ langweiligen Freunden irgendwo die Adria entlangzuschippern.“

Theresa schüttelte den Kopf. „Irgendwie tickst du nicht richtig. Du könntest gerade bombastischen Sex mit deinem Traummann an Bord seiner Yacht haben, statt mit uns rumzuhängen. Und findest das auch noch toll. Was stimmt bloß nicht mit dir, Chrissy?“

Marie-Christine seufzte. „Das hat mich Max auch gefragt. Ich sage euch was, ich liebe euch drei, und es ist genau richtig so, wie es ist.“

Kathrin stand auf. „Und zur Feier des Tages hole ich uns jetzt was zu trinken. Wie wär's mit einem Sektchen?“

Blitzschnell sausten drei Daumen in die Höhe. Wenig später kam sie mit einer Flasche Prosecco und vier Gläsern zurück.

„Lasst uns anstoßen, Chicas. Auf unser erstes gemeinsames Wochenende.“ Nina hob ihr Glas.

„Auf unseren ersten gemeinsamen Urlaub!“ Theresa trank ihr Glas in einem Zug leer. „Apropos erstes Mal. Was ich euch schon längst fragen wollte ...“

„Tessa“, stöhnte Kathrin. „Warum denkst du eigentlich immer nur an das eine?“

„Ehrlich“, entgegnete Marie-Christine ungerührt, „dass wir mit Mitte Dreißig überhaupt noch eine Premiere erleben ...“

„Mensch, ihr seid solche Spaßbremsen.“ Theresa bedachte Kathrin mit einem finsteren Blick.

Kathrin stellte ihr Glas ab und ließ sich geschmeidig ins Wasser gleiten. Mit einer raschen Handbewegung strich sie ihre nassen Locken zurück. „Ach Tessa, hör auf zu schmollen und schieß los. Ich hab’s nicht so gemeint.“

Das ließ sich Theresa nicht zweimal sagen. Sie machte es sich auf ihrer Liege bequem. Nina setzte sich neben sie an den Rand des Swimmingpools, Marie-Christine legte sich bäuchlings auf ihr Liegetuch und sah erwartungsvoll zu ihr hoch.

„Also“, Theresa schien die Aufmerksamkeit ihrer Freundinnen sichtlich zu genießen. „Ich war vierzehn.“

„Was?“ Fassungslos starrte Kathrin sie an. „Du warst so jung?“

„Wieso jung?“ Theresa schüttelte verständnislos den Kopf. „Meine Freundin Barbara war ein halbes Jahr jünger und hatte schon seit ein paar Monaten einen festen Freund. Meiner hieß Julian, war siebzehn und hatte sogar schon ein Motorrad.“ Theresa kicherte. „Ich war unsterblich in ihn verliebt. An einem Wochenende hatten wir endlich sturmfreie Bude. Er besorgte Kondome, ich jede Menge Teelichter. Kaum waren meine Eltern aus dem Haus, habe ich ein großes rotes Tuch über meinem Bett drapiert – wenn man schon seine Jungfräulichkeit verliert, dann bitte mit Stil. In der Disco hatten wir vorher so heftig rumgeknutscht, dass sie uns fast rausgeworfen hätten. So gegen elf sind wir zu mir gefahren. Aber als er die Kerzen und den Baldachin sah, hat er plötzlich Panik gekriegt und ist einfach abgehauen.“

„Das war's dann?“, fragte Nina enttäuscht.

„Natürlich nicht. Ich konnte nicht schlafen und habe heulend im Bett gelegen, als es plötzlich an der Tür läutete. Julians bester Freund Marc stand draußen und hat fürchterlich über ihn gelästert. Was für ein Charakterschwein Julian doch sei und so. Kein Wunder, dass er sauer war – dieser Sack ist doch tatsächlich mit Marcs fester Freundin Petra nach Hause gefahren. Dann hat mich Marc in die Arme genommen, getröstet, geküsst und, Mädels, was soll ich euch sagen? Ich habe in dieser Nacht doch noch mein Jungfernhäutchen eingebüßt. Und ein paar Illusionen dazu. Marc war nämlich gleich darauf weg wie der Blitz und hat am Montag überall in der Schule herumerzählt, dass Julian bei mir keinen hochgekriegt hätte und er für ihn eingesprungen sei. Auf der nächsten Party habe ich mir Julian noch einmal vorgenommen und ihn vor allen Leuten eiskalt abserviert. Petra hat davon erfahren und ihm daraufhin den Laufpass gegeben.“ Sie leerte den Rest ihres Glases. „Rache ist süß, sage ich euch.“

Nina seufzte. „Arme Tessa, das klingt ja furchtbar.“

„Ach was“, erwiderte Theresa achselzuckend. „So habe ich wenigstens schnell gelernt, mich nur auf einen Menschen zu verlassen, nämlich auf mich. Sex ist toll, solange man nicht verliebt ist. Ich habe meinen Spaß und die Jungs auch. So kommt niemand zu Schaden, und alle sind zufrieden.“

„Oder zumindest befriedigt“, warf Marie-Christine süffisant ein.

„Ich will ja nicht prahlen, aber mein erstes Mal war sehr romantisch.“ Nina lächelte verträumt. „Es war im Urlaub in Italien, ich war sechzehn, und er hieß Giorgio.“

„Oh“, fielen die drei anderen ihr ins Wort.

„Jaja, macht euch nur lustig“, schmollte Nina. „Aber er war Kapitän des regionalen Volleyball-Meisters und wirklich groß. In jeder Hinsicht. Er hat mich in der Nacht am Strand verführt. Meine Eltern dachten, ich wäre mit meinen Cousinen unterwegs. Giorgio war wirklich gut drauf. Er hat es verstanden, mich in Stimmung zu bringen. Allein sein Sixpack“, sie seufzte tief. „Naja, er hat mich beim Petting schon in der ersten Runde zum Höhepunkt gebracht. Dann hat er mir gezeigt, was ich außer küssen mit meinem Mund noch machen kann.“ Nina legte eine wirkungsvolle Pause ein. „Und er ist sogar gekommen.“

„In den Mund?“, fragte Theresa erstaunt.

„Nein, natürlich nicht“, wehrte Nina ab. „Wo denkst du hin. Schön brav in den Sand. Aber dadurch war er nachher sehr gelassen und geduldig. Der schlaue Kerl hatte es nun gar nicht mehr eilig und konnte sich ganz auf mich konzentrieren. Er hat mich geleckt, ein Kondom übergestülpt, höflich gefragt und mich dann fast schmerzfrei entjungfert."

„Hast du ihn jemals wiedergesehen?“, fragte Kathrin neugierig.

Nina nickte. „Ja, leider. Er hat es sich nicht nehmen lassen, mich in Salzburg zu besuchen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie schlimm das war. Er musste bei meinem Bruder im Zimmer schlafen. Und Giorgio in Salzburg – das funktionierte einfach nicht. Sixpack hin oder her.“

„Bei mir war es der Bruder meiner besten Freundin. Sebastian.“ Marie-Christine nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Glas. „Sie hat mich regelrecht gedrängt, es mit ihm zu treiben, und wollte dabei unbedingt zusehen. Das war schon irgendwo abgefahren, aber lustig. Es passierte an einem verregneten Samstagnachmittag. Ihre Eltern besuchten Freunde, wir langweilten uns zu Tode. Also beschlossen wir, es zu tun, so blieb es ja gewissermaßen in der Familie. Vorher haben sie mich dermaßen abgefüllt, dass ich fast nichts gespürt habe. Ich war nur froh, es endlich hinter mir zu haben.“

„Chicas, das ist ja alles irgendwie seltsam“, meinte Nina nachdenklich. „Wo bleibt da die Romantik? Wie war es denn bei dir, Kathrin?“

„Kein Kommentar!“ Kathrin tauchte mit einer eleganten Bewegung unter Wasser.

„Das ist unfair“, rief Theresa empört. „Kneifen gilt nicht! Spiel jetzt gefälligst nicht die Geheimnisvolle!“

Nach einer schnellen Länge zog sich Kathrin mit geübtem Griff über den Swimmingpoolrand aus dem Wasser und ging zu ihrer Liege. „Na gut, wenn ihr es unbedingt wissen wollt“, stieß sie ein wenig atemlos hervor, während sie sich abtrocknete. „Es passierte auf einem Sportcamp. Ich war achtzehn. Drei Jungs aus dem Nachbardorf sind plötzlich aufgetaucht, und wir haben uns böse betrunken. Mein Freund hat mit einer anderen rumgemacht. Dann haben die drei mich hinter ein Gebüsch gezerrt. Ich kann mich nicht erinnern, was genau passiert ist, aber ich hatte noch Tage danach dunkelblaue Flecken an den Handgelenken. Ach ja, mein Freund wollte nach diesem Abend nichts mehr von mir wissen. Und ich war schwanger.“ Sie blickte auf ihre Freundinnen hinunter, die sie fassungslos anstarrten.

„Seid ihr jetzt zufrieden?“, fragte Kathrin. Sie warf ihr Handtuch über die Schulter und wandte sich zum Gehen. „Wir treffen uns zum Abendessen. Und heute kein Wort mehr über Sex, verstanden?“

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