Читать книгу Den du nicht siehst - Ein Schweden-Krimi - Mari Jungstedt - Страница 15

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Die Polizeibeamten von Visby hatten einen langen Tag. Die helle Juninacht erleichterte die Arbeit unten am Strand. Sie hatten noch bis spät in den Abend hinein die Anwohner befragt. Alle, die am Vorabend bei Helena Hillerström zum Essen gewesen waren, waren vernommen worden, mit Ausnahme von Kristian Nordström, der nach Kopenhagen geflogen war, um seine Eltern zu besuchen. Die Polizei hatte Kontakt zu ihm aufgenommen; er wurde erst am Donnerstag in Visby zurückerwartet.

Als die wichtigsten Vernehmungen beendet waren, ging es auf ein Uhr nachts zu. Am frühen Abend hatte Knutas seine Frau angerufen, um zu sagen, dass es spät werden würde. Wie immer zeigte sie Verständnis und fragte, ob sie mit Tee auf ihn warten solle. Doch er hatte abgelehnt. Er konnte nicht absehen, wann er kommen würde. Als er jetzt durch die Straßen von Visby wanderte, bereute er diese Entscheidung. Es hätte gut getan, sich eine Weile hinzusetzen und über die Eindrücke dieses Tages zu sprechen. Es tat ihm immer gut, mit seiner Frau Gedanken auszutauschen. Es geschah häufig, dass sie neue Blickwinkel eröffnete, da sie ja nicht direkt mit den Ermittlungsarbeiten zu tun hatte. Oft schon hatte sie ihn so dazu gebracht, in neuen Bahnen zu denken, und ihm damit bei der Lösung eines Falles geholfen. Knutas spürte Wärme in seinem Herzen. Er liebte sie über alles. Abgesehen von den Kindern natürlich.

Ihren Zwillingen, Petra und Nils. Im Sommer würden sie ihren zwölften Geburtstag feiern. Noch immer teilten sie ein Zimmer. Im Herbst sollte endlich jedes Kind ein eigenes bekommen. Er baute das Arbeitszimmer gerade in ein Schlafzimmer um. Den Arbeitsplatz würden sie dann in einen Kellerraum verlegen. Sie benutzten ihn ja doch nur selten.

Als Knutas zu Hause ankam, schliefen die Kinder. Sie atmeten tief und regelmäßig. Er öffnete die Tür zum Schlafzimmer einen Spalt. Seine Frau Line lag quer über dem Doppelbett und hatte die Arme unter dem Kopf verschränkt. Dass sie immer so viel Platz brauchte! Sie machte alles intensiv – schlafen, essen, arbeiten, lachen und lieben. Sie gab sich dem Leben wirklich hin. Wenn sie etwas tat, dann mit Haut und Haaren. Beim Backen begnügte sie sich nicht mit einem einzigen Blech, nein, es mussten schon zweihundert Zimtbrötchen sein. Wenn sie einkaufen ging, konnte man meinen, es drohe ein Krieg, und die Tiefkühltruhe quoll vor Vorräten geradezu über. Das war einer der Gründe, warum er sie so liebte. Ihre überschwängliche Hingabe. Jetzt schlief sie tief in einem langen, orangefarbenen T-Shirt mit großen Blumen. Die Haare zerzaust, die Wangen rosig. Ihre Arme von Sommersprossen übersät. Sie war das Schönste, was er kannte. Ihre Arbeit passte absolut zu ihrem Wesen. Hebamme. Sie hatte schon so viele Kinder entbunden. Line arbeitete halbtags auf der Wochenstation des Visbyer Krankenhauses und liebte ihren Beruf. Sie war an unvorhergesehene Ereignisse gewöhnt, daran, dass nichts so kam, wie man es erwartet hatte. Und deshalb dachte und handelte sie nicht kleinlich. Oft blieb sie bei einer werdenden Mutter, weil sie es nicht übers Herz brachte, sie allein zu lassen, obwohl sie längst Feierabend hatte. Oder sie blieb aus purer Neugier. Wenn sie seit vielen Stunden eine Entbindung vorbereitet hatte, wollte sie nicht gehen, ehe alles vorüber war. Ihre Kolleginnen ärgerten sich bisweilen darüber. Line war das egal.

Sie war stark und die wunderbarste Frau, die ihm je über den Weg gelaufen war.

Vorsichtig zog er die Tür zu und ging die Treppe hinunter in die Küche, goss sich ein Glas Milch ein und kramte in einer Plätzchenpackung. Mit einer Hand voll Keksen setzte er sich an den Küchentisch. Oft konnte er nach einem ereignisreichen Tag nicht einschlafen. Er streichelte die Katze, die auf den Tisch gesprungen war und sich verspielt an ihm rieb. Sie ist eher wie ein Hund, überlegte er. Gesellig und treu. Außerdem apportierte sie gern. Er warf einige Male einen Schaumgummiball. Die Katze stürzte los, holte den Ball und legte ihn dann vor seinen Füßen ab. Du bist witzig, dachte Knutas und ging ins Bett. Anders als sonst schlief er sofort ein.

Den du nicht siehst - Ein Schweden-Krimi

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