Читать книгу Den du nicht siehst - Ein Schweden-Krimi - Mari Jungstedt - Страница 20

Оглавление

Knutas trank einen Schluck Kaffee aus seinem Becher, den das Emblem des Fußballvereins AIK schmückte. Der Becher war ein Geschenk von seinem Bruder. Erik Sohlman, der schon als Fan der Konkurrenzmannschaft Djurgården geboren worden war, ärgerte sich immer schrecklich über diesen Anblick.

Knutas schaute auf die Wanduhr. Viertel vor zwölf. Sein Magen knurrte. Er hatte zu wenig geschlafen, und das musste er immer mit Essen ausgleichen. Bald war endlich Mittagszeit.

Das Ermittlungsteam traf sich, um die bisherigen Ergebnisse zusammenzufassen. Auch der Oberstaatsanwalt war anwesend.

Im Zimmer war es heiß und stickig. Wittberg öffnete das Fenster, das auf den polizeieigenen Parkplatz blickte. Die Sonnenstrahlen spielten zwischen dem hellgrünen Laub der Bäume. Ein Lastwagen voller gut gelaunter Abiturienten mit weißen Studentenmützen fuhr durch die Birkegatan. Schulschluss und Nationalfeiertag. Und hier saßen sie und redeten über den vielleicht schlimmsten Mord, der je auf Gotland passiert war.

»Wir sind hier, um den letzten Stand der Dinge zusammenzufassen«, begann Knutas. »Helena Hillerström wurde gestern irgendwann zwischen 8 Uhr 30 und 12 Uhr 30 ermordet. Schuhabdrücke, Blut und Schleifspuren am Strand zeigen, dass der Mord bei Gustavs geschehen ist. Der Leichnam wurde also nicht von anderswo dorthin gebracht. Aus dem vorläufigen Bericht der Gerichtsmedizin geht hervor, dass Helena Hillerström durch heftige Schläge auf den Kopf getötet wurde. Die gerichtsmedizinische Untersuchung hat bestätigt, dass es sich bei der Tatwaffe aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Axt handelt. Auch der Rumpf weist mehrere entsprechende Wunden auf. Ob sie vergewaltigt worden ist, wissen wir noch nicht. Äußere Zeichen, die auf sexuelle Gewalt hinweisen, gibt es nicht. Auch wurden keine Verletzungen der Geschlechtsorgane festgestellt. Der Leichnam wird gerade zur Gerichtsmedizin in Solna gebracht. Es kann zwei Tage dauern, ehe wir mit einem vorläufigen Obduktionsergebnis rechnen können. Die Unterhose ist zur Analyse ans SKL geschickt worden. Weder am Körper noch in der Unterhose der Toten sind bisher Spermaspuren gefunden worden. Wir werden ja sehen, was bei der weiteren Analyse herauskommt. Ihre übrigen Kleidungsstücke wurden noch nicht gefunden.«

»Und die Mordwaffe?«, fragte Wittberg.

»Die haben wir auch noch nicht«, meldete Sohlman sich zu Wort. »Wir haben die Umgebung des Tatorts durchkämmt. Aber da haben wir nur ein paar Kippen gefunden, die wir ebenfalls ans SKL geschickt haben. Wir haben mit den Anwohnern gesprochen, aber niemand hat etwas gehört oder gesehen. Bisher haben wir keinerlei brauchbare Spuren.«

Sohlman erhob sich. Mühsam faltete er eine Karte auseinander und befestigte sie an der Wand. Sie zeigte den Strand bei Gustavs und seine Umgebung. Sohlman wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn und deutete auf den Fundort.

»Hier wurde der Leichnam entdeckt. Die Spuren zeigen, dass Helena Hillerström einmal den Strand hoch und runter gelaufen ist. Am einen Ende des Strandes, an Helenas Ausgangspunkt, ist das Gras platt getreten. Da scheint er auf sie gewartet zu haben. Er kann gewusst haben, welchen Weg sie nehmen würde, und hat sie eingeholt. Vermutlich hat er sie dort ermordet. Die Blutflecken auf dem Boden weisen darauf hin. Und danach hat er den Leichnam ins Wäldchen geschleift.«

»Und der Hund?«, fragte Karin Jacobsson.

»Den musste er wohl zuerst aus dem Weg schaffen. Per Bergdal bezeichnet ihn als aufmerksamen und gehorsamen Wachhund, der sich immer in der Nähe seiner Herrin aufhielt und bereit war, sie zu verteidigen. Der Mörder hat ihn nicht nur fast geköpft, sondern ihm auch eine Pfote abgehackt. Ich wüsste gern, warum.«

Die anderen rutschten unruhig hin und her. Karin schnitt eine Grimasse.

»Wer wusste, dass sie sich auf der Insel aufhielt?«, fragte Norrby.

»Das müssen so um die dreißig Personen sein, wenn ich richtig gezählt habe«, sagte Karin und blätterte in ihren Papieren. »Ihre Familie, Arbeitskollegen und einige Bekannte in Stockholm, ihre Freundin Emma Winarve, die nächsten Nachbarn und natürlich die Partygäste.«

»Warum glauben wir, dass es Per Bergdal gewesen sein könnte?« Wittberg drehte sich zum Oberstaatsanwalt um.

»Belastend für ihn ist die Tatsache, dass er sie als Letzter lebend gesehen hat, und dass sie in der Nacht vor dem Mord handgreiflich aneinander geraten sind. Ich sehe ja ein, dass wir im Moment noch nicht genug haben. Um ihn in U-Haft stecken zu können, brauche ich noch mehr. Wenn ihr keine neuen Beweise bringen könnt, müssen wir ihn auf freien Fuß setzen. Ihr habt maximal drei Tage.«

»Was wissen wir über Helena?«, fragte Karin. »Wie hat sie gelebt?«

Knutas schaute in sein Notizbuch.

»Sie wurde am 5. Juli 1966 geboren, ist also vierunddreißig Jahre alt geworden. Nächsten Monat wäre ihr fünfunddreißigster Geburtstag. Geboren und aufgewachsen auf Gotland. Die ganze Familie ist 1986 nach Stockholm umgezogen; damals war Helena zwanzig. Ihr Ferienhaus in Fröjel haben sie behalten, sie waren jedes Jahr mehrere Male da, haben oft ganze Sommer dort verbracht. Helena hat in Stockholm Informatik studiert und arbeitete seit drei Jahren bei einer Computerfirma. Sie hatte viele Freunde. Vor Bergdal scheint sie keine längere Beziehung gehabt zu haben. Sie war niemals verlobt oder verheiratet. Bergdal zufolge hatte sie mal etwas mit diesem Kristian, der auch auf der Party war. Aber das kann pure Einbildung sein. Die anderen Partygäste konnten das nicht bestätigen. Und irgendwer hätte davon doch wissen müssen. Kristian Nordström ist am Tag nach der Party nach Kopenhagen geflogen. Dort leben seine Eltern. Er kommt morgen aufs Präsidium.«

»War Helena Hillerström vorbestraft?«, erkundigte sich Wittberg.

»Nein. Die Frage ist, wie wir jetzt weitermachen sollen. Wir werden die Partygäste noch einmal vernehmen. Vor allem will ich mit Kristian Nordström sprechen. Irgendwer muss nach Stockholm fahren und mit Helenas Familie, ihren Arbeitskollegen, Freunden und anderen Personen aus ihrem Umfeld reden. Und das muss so schnell wie möglich geschehen. Wir müssen unvoreingenommen arbeiten – es steht durchaus nicht fest, dass es Bergdal war. Und wenn er es nicht war, dann wissen wir nicht, ob der Mörder von der Insel stammt oder ob er ihr vom Festland her gefolgt ist.«

»Ich fahre gern nach Stockholm«, sagte Karin. »Ich kann gleich heute Nachmittag aufbrechen.«

»Das ist gut«, sagte Knutas. »Nimm noch jemanden mit. In Stockholm gibt es viel zu tun. Natürlich wird dir dort das Landeskriminalamt helfen, aber ich finde, ihr solltet zu zweit sein.«

»Ich kann mitkommen«, sagte Wittberg.

Karin lächelte ihn dankbar an.

»Dann ist das geklärt. Außerdem müssen wir feststellen, wie Helenas Bekanntenkreis hier auf der Insel aussah. Mit wem außer ihrer besten Freundin hatte sie zu tun, wenn sie hier war? Wir werden noch einmal mit den Nachbarn sprechen. Und ich unterhalte mich genauer mit Emma Winarve. Was hat Helena an den Tagen vor dem Mord gemacht? Hat sie ihr Mobiltelefon benutzt? Gibt es Kurzmitteilungen? Ihr Lebensgefährte behauptet, dass sie ihre Telefone ausgeschaltet haben, sowie sie von der Fähre kamen. Aber wir müssen trotzdem beide Nummern überprüfen. Wo sollen wir nach ihren Kleidern suchen? Wir erweitern das Suchgebiet rund um den Tatort und führen weitere Befragungen der Anwohner in der Gegend durch. Das halte ich für die beste Vorgehensweise. Was sagt ihr?«, fragte Knutas.

Niemand hatte Einwände, und sie machten sich an die Arbeit.

Den du nicht siehst - Ein Schweden-Krimi

Подняться наверх