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Prolog

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Raph

»Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Der Angeklagte ist schuldig des Totschlags in Tateinheit mit Körperverletzung. Das Gericht verhängt dafür eine Freiheitsstrafe in Höhe von acht Jahren und sechs Monaten. Zur Anwendung kommen die Paragrafen §212 Abs. 1, §213, §224 Abs.1 Nr. 5, §226 Abs 1 Satz 3 Abs. 2 ...«

»Gott, wie langweilig! Können wir uns den Scheiß nicht einfach sparen? Wie wäre es mit: Der Angeklagte wird verurteilt und gut ist. Versteht jeder«, murmele ich vor mich hin, wobei mir mein Anwalt zischend andeutet, dass ich jetzt den Mund halten soll!

»... des Strafgesetzbuchs. Der Haftbefehl vom 26.06.2015 bleibt aufrechterhalten. Bitte nehmen Sie Platz!«

Ein kurzes Raunen geht durch den Gerichtssaal und wir setzen uns. Ich schließe meine Lider und blende alles aus, obwohl das gar nicht so einfach ist, wenn alle Augen auf mich gerichtet sind. Das ist so unwirklich. Hätte mir vor einem Jahr jemand erzählt, dass ich einmal auf die schiefe Bahn geraten würde, hätte ich denjenigen ausgelacht! Ich und eine Verurteilung? Im Leben nicht!

Und jetzt? Jetzt sitze ich hier in Handschellen und nehme teilnahmslos mein Urteil entgegen. Es bleibt mir ja auch gar nichts anderes übrig! So schnell können sich die Dinge ändern.

Dabei hatte ich mein Leben im Griff gehabt, alles war gut gewesen, bis eben zu jenem Tag. Seither suchen mich Albträume heim. Nacht für Nacht quälen sie mich und rauben mir die Erholung, torpedieren meinen Schlaf. Bin ich nicht schon genug bestraft? Alles hat sich verändert, seit dem 26. Juni, dem Tag, an dem sich meine Welt aufgehört hat zu drehen. Seitdem ist alles anders und ich muss nun mit den Konsequenzen leben.

Meine Gunst habe ich verspielt, doch das ist mir gleich. Ich hatte das Recht dazu, es zu tun und habe die Chance genutzt, um die Ordnung wiederherzustellen. Was die Justiz dazu sagt, ist mir scheißegal, denn auf ihr Urteil gebe ich sowieso einen feuchten Dreck. Und lieber gehe ich in den Knast, als zu wissen, dass dieser Bastard noch einen einzigen Atemzug nehmen kann.

Ja, ich stehe zu meiner Tat, denn sie ist gerecht. Das wird sie immer bleiben. Daher recke ich nun meinen Kopf nach oben, sehe dem Richter fest in seine Augen und nehme äußerlich gelassen die Urteilsbegründung entgegen.

»Herr Neumann hat einem Menschen das Leben genommen. Daran besteht für das Gericht kein Zweifel. Unter Berücksichtigung und ausführlicher Würdigung der einzelnen Beweise, muss festgestellt werden, dass dabei die besonderen ›Mordmerkmale‹ nicht gegeben waren. Zumindest sind diese nicht nachweisbar, weshalb eine Verurteilung wegen Mordes ausgeschlossen werden kann. Nach Ansicht des Gerichts geschah der Totschlag im Affekt, da der Angeklagte durchaus in einem Erregungszustand des kraftvollen Zorns gehandelt hat, was als tatmildernder Aspekt Berücksichtigung finden muss. Herangezogen werden dafür als Beweise die Aussagen …«

Ich weiß, dass meine Eltern im Saal sitzen und mich anstarren. Vermutlich hat meine Mutter sogar Tränen in den Augen, doch ich sehe mich nicht um. Ihren Anblick könnte ich nicht ertragen. Seit ich in Haft genommen wurde, habe ich keinen Ton mehr mit ihnen gesprochen. Es reicht mir wirklich, dass sie vermutlich morgen mein Gesicht in der Zeitung sehen werden, wenn die Presse über meine Verurteilung berichten wird.

Sie haben mich in Untersuchungshaft besucht, mich angefleht, den Mund aufzumachen, doch ich blieb stumm. Die einzige Person, mit der ich seitdem gesprochen habe, ist mein Anwalt, Andreas von Sahlheim. Mein Vater hat ihn engagiert und sich dafür vermutlich hoch verschuldet. Er ist sein Geld wert, keine Frage. Aber ist das, was er versucht … das, was meine Eltern wollen, auch das, was ich will?

Auch wenn Andreas vor Gericht beteuert hat, dass ich dem Arschloch lediglich körperlichen Schaden zufügen wollte, stimmt das nicht ganz.

Ich hatte vor ihm die Fresse zu polieren, ja. Doch es war ebenso mein Ziel, ihn umzubringen! Ich war fest entschlossen, ihn dafür bezahlen zu lassen, für das, was er getan hat. Er hat mich beraubt! Macht mich das zu einem schlechten Menschen? Dass ich Selbstjustiz habe walten lassen? Sicher nicht! Zu einem guten jedoch bestimmt genauso wenig.

»Notwehr kann angesichts des eindeutig belegten Tatherganges ausgeschlossen werden ...«

Seit etwa einer halben Stunde sitzen wir schon hier und der Richter ist immer noch nicht fertig mit seinem Monolog. Nachdem der Sachverhalt ausführlich vorgetragen worden ist und im Detail erläutert wurde, inwieweit die Beweise überzeugt haben, ging das Gericht auf die Plädoyers von Verteidiger, Nebenklagevertreter und Staatsanwalt ein.

Am liebsten würde ich meinen Kopf einfach auf die Tischplatte legen und einschlafen! Dieses hochgestochene Juristendeutsch kann sich auf Dauer keiner anhören, ohne dass die Ohren anfangen zu bluten. Es ist so unglaublich ermüdend, diesem Müll zu folgen, weil ich davon sowieso nur die Hälfte verstehe. Und nun maßen sie sich auch noch an, eine psychologische Begutachtung meiner Person zum Besten geben zu können. Wann ist diese Farce bloß endlich zu Ende?

»Die Strafe kann aufgrund ihrer Höhe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden. Gegen dieses Urteil können Sie binnen vier Wochen Berufung …«

»Ja, ist gut jetzt«, murmele ich nur.

Mein Hirn schaltet ab und ich höre nicht mehr hin. Andreas raunt mir schon zu, dass er auf jeden Fall Berufung einlegen wird, obwohl der Richter momentan noch die Schlussinformationen vorträgt, doch ich schüttele den Kopf, sehe dabei aus dem Fenster. Es regnet in Strömen und das Wetter passt damit zu meiner Stimmung. Besser noch, es passt zu meinem Leben!

»Nein. Ich trete diese Strafe an«, erwidere ich fest entschlossen. Nachdem ich die Worte ausgesprochen habe, schaue ich mit standhaftem Blick zu ihm hinüber. Erstaunt hebt er eine Augenbraue, doch ich nicke nur. Ich will, dass all das hier ein Ende hat. Die Ungewissheit, was weiter passiert, die vielen Wochen in Untersuchungshaft … Mit dem Strafvollzug weiß ich wenigstens, woran ich bin. In U-Haft zu sitzen und nicht zu wissen, was morgen kommt, ist hingegen die Hölle! Das Urteil ist für mich endgültig und ich kann damit leben, denn jetzt weiß ich zumindest, wie es weitergeht und was mich erwartet. Ungefähr jedenfalls.

Zwar war ich noch nie im Knast, aber ganz im Ernst: Es wird keine dreckige Baracke im Ausland sein, wo ich vom Boden essen und nachts Angst haben muss, abgestochen zu werden. Wie schlimm kann das schon werden? Dort ist es warm, es gibt regelmäßige Mahlzeiten und ich muss mir keine Gedanken um meine Mietzahlungen machen. Die acht Jahre sitze ich auf einer Arschbacke ab!

Wenn man andere fragt, ist dies vermutlich so etwas wie meine gerechte Strafe, sodass ich da jetzt durchmuss, auch wenn ich die Sachlage selbst ein klein wenig differenzierter sehe. Aber gut, sie wollen es so und ich werde dahingehend Folge leisten. Was habe ich schon für eine Wahl, außer weiteren Monaten, in denen ich zwischen Bangen, Hoffen und dem Einstecken von neuen Tiefschlägen Tag für Tag in Haft oder im Gerichtssaal hocken muss? Bevor ich es nur noch schlimmer mache, ergebe ich mich meinem Schicksal. Ich halte das aus! Brechen werden sie mich dadurch sicher nicht!

Sie führen mich ab, sperren mich gleich wieder in eine Zelle wie ein Tier. Und wahrscheinlich bin ich das sogar. Unberechenbar, durchtrieben und angsteinflößend. Ein gemeiner und gefährlicher Verbrecher.

Sollen sie doch denken, was sie wollen und mich tiefer in die Mühlen der Justiz hineinziehen! Es juckt mich nicht mehr.


BEHIND BARS

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