Читать книгу Lob der Aphrodite - Marina Zwetajewa - Страница 23
ОглавлениеWahnsinn und Vernünftigsein,
Schande sowie Ehrgefühl,
Alles, was sich nachdenklich reimt,
Von allem hab ich viel zu viel
In mir – alle Zwangslager-Leidenschaften
Zur einen geballt!
So wie in meinem Haar, Krieg führend, haften
Alle Farben, ein ganzer Wald.
Alles Liebesgeflüster kenn ich seit Jahren
Auswendig für allezeit!
Meine zweiundzwanzigjährige Erfahrung –
Nichts als Traurigkeit.
Mein Gesicht ist unschuldig-rosig
– Das ist doch wohl klar! –
Ich bin die virtuoseste Virtuosin
In der Kunst der Lüge – so wahr!
In ihr – wie ein Ball geworfen
Und aufgefangen erneut! –
Meiner polnischen Urgroßmütter
Blut – wie es sich freut.
Ich lüge, weil in Friedhöfen Gras
So üppig wächst,
Ich lüge, weil in Friedhöfen – was?
Der Schneesturm nie nachlässt …
Von der Geige – und Automobilen –
Von Seide – Feuerschein …
Von der Folter, dass all die vielen
Nicht mich liebten ganz allein!
Vom Schmerz, dass nicht ich die Braut bin
Dem Bräutigam …
Von Geste und Vers – weil ich laut bin
Und nicht anders kann!
Von der zarten Boa, den Hals umschmiegend …
Und wie sollte ich unbedingt
Nicht lügen – wenn meine Stimme im Lügen
Soviel zärtlicher klingt …
3. Januar 1915