Читать книгу Lob der Aphrodite - Marina Zwetajewa - Страница 34

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Gedichte an Ossip Mandelstam

1

Keiner hat es je überwunden!

Wie schön sind wir zwei uns – fremd.

Ich küsse dich – über Hunderte

Wersten von dir getrennt.


Ungleich sind, ich weiß, unsere Gaben,

Meine Stimme zum ersten Mal – still.

Ist dir, du mein junger Derschawin,

Mein Vers nicht zu ruppig, zu schrill?


Für den schrecklichen Flug gesegnet:

Junger Adler, zum Himmel gekehrt!

Die Sonne ertrugst du, ohne Regung –

Mein Blick ist dir plötzlich zu schwer?


So zärtlich und unwiderrufen

Hat dir noch keiner nachgeblickt …

Nimm diesen Kuss – über Hunderte

Trennender Jahre geschickt.


12. Februar 1916


Gawrila Derschawin (1743 bis 1816): bedeutendster russischer Lyriker des 18. Jahrhunderts, Klassizist, Erneuerer der Ode.

2

Die ich liebe führ ich zum Weg,

Singe Lieder für ihr Gedenken –

Sollen sie’s nehmen, leicht gewebt:

Was sie selber mir einmal schenkten.


Über grünende Pfade hin

Sie zum Wegkreuz hinaus begleitend –

Unermüdlich nun sing, du Wind,

Werde, Weg, ihnen immerzu leichter!


Blaue Wolke, du wein jetzt nicht,

Denn sie gehen in ihren schönsten Schuhen!

Du Schlange, verkneif dein Gift –

Räuberchen, lass dein Messer ruhen!


Vorbeigehende Schönheit, sei

Ihre Braut, die stets fröhliche-frohe.

Du beweg meine Lippen – frei,

Unser Himmlischer Herr wird’s dir lohnen!


Lodert, Feuer, jetzt auf im Wald

Und verscheucht alle wilden Gestalten,

Muttergottes im Himmelsgewand –

Beschütz meine lieben Passanten!


17. Februar 1916

3

Du wirfst den Kopf zurück beim Reden –

Du Stolzkopf, immer lügenschwer.

Welch einen lustigen Gefährten

Hat mir der Februar beschert!


Gefolgt von abgerissenen Hemden

Den blauen hellen Dunst verpafft,

Gleich feierlichen Fremden, Fremden

Gehn wir dahin durch unsre Stadt.


Und wessen sanfte Hände rührten

Die Wimpern dir, du Schönheit – und

Seit wann, schon oft? und wer wohl küsste

Dir deine Lippen, deinen Mund?


Ich frage nicht. Mein Geist wie gierig

Hat diesen Traum besiegt in sich.

Den zehnjährigen Jungen lieb ich

In dir, den göttlichen! verehre ich.


Den Fluss entlang, dem bunten wirren

Glasperlenspiel der Lichter nah,

Will ich dich nun zum Platz hinführen

Der schon die Knabenzaren sah …


Den jungenhaften Schmerz – für immer

Hinaus, das Herz zur Hand, nun geh

Mein Kaltblut du, mein Ungestümer,

Mein Freigelassener – ade!


18. Februar 1916

4

Woher nur solche Zärtlichkeit?

Die ersten sind’s nicht, die Locken

Die ich dir streichle, auch Lippen

Hab ich schon dunklere gekannt.


Gehen auf und verlöschen Sterne,

Woher nur solche Zärtlichkeit?

Gehen auf und verlöschen Augen

Ganz nah mir an den meinen.


Hab so viele andere Hymnen schon

Gehört in den dunklen Nächten,

Getraut – vor Zärtlichkeit! –

An ihn, an den Sänger geschmiegt.


Woher nur solche Zärtlichkeit?

Und was mit ihr tun, du Junge

Und Schelm, hergereister Sänger

Mit Wimpern die’s länger nicht gibt.


18. Februar 1916

5

Zerflogen zu silbernen Scherben

Der Spiegel und in ihm – der Blick.

Schwäne, o meine Schwäne

Sie fliegen nach Hause zurück!


Aus wolkiger Höhe eine Feder

Die still auf mich niederfällt.

Ich streute im Traum, alles gebend

Feines Silbergeld.


Ein silberner Ruf – sacht verklungen.

Befiehlt, dass ich silbern – sing!

Mein Nestling! Mein Schwanenjunges!

Fliegst du, wo fliegst du hin?


Ich gehe und sag es keinem

Nicht Mutter, nicht allen Verwandten.

Ich gehe und bet zu den heiligen

Knechten Gottes und seinen Gesandten

Um einen jungen Schwan.


1. März 1916

6

Unheil kommt von einer Frau. In der Hand

Steht dir, Jüngling, das Zeichen.

Die Augen gesenkt! Bete! Nie gebannt

In der Nacht wachen Feinde.


Das Himmelsgeschenk Lied – keine Frist,

Keine Rettung dir, deinen hochmütigsten Lippen.

Darum muss ich dich lieben

Weil du himmlisch bist.


Ach, dein zurückgeworfener Kopf,

Halboffene Augen – was? – verbergend,

Ach, zurückgeworfen einst dein Kopf

Von ganz anderen Schergen.


Mit nackten Händen packen sie dich – Starrkopf! Gehetzt!

Von deinem Schreien wird die Nacht weithin hallen!

Die Flügel in alle vier Winde – zerfetzt,

Lichtengel! Junger Adler!


17. März 1916

7

Es geschah, er war sonderbar krank

Und fiel in den süßesten Schrecken.

Steht da und schaut nur hinauf

Und sieht nicht Sterne noch Morgenröten

Der Knabe mit seinem scharfen Aug.


Er fällt in Schlaf – mit reißendem Schrei

Fliegen her zu ihm schwirrende Adler

Und führen herrlich um ihn Streit.

Der eine – Felsengebieter – zerzaust

Ihm die Locken mit seinem Schnabel.


Die dunklen Augen zu – er schläft

Den Mund noch halb geöffnet …

Und hört nicht die nächtlichen Gäste

Und sieht nicht: den goldäugigen Vogel

Seinen sehenden Schnabel schärfend.


20. März 1916

8

Seltsamer Bruder, nimm aus meiner Hand

Die Stadt, die nicht von Menschenhand entstand.


Vierzig mal vierzig Kirchen schenk ich dir

Und über jeder: Tauben, flatternd, wirr.


Nimm das Erlöser-Tor – mit Blumen – wo

Der Gläubige den Hut zieht seelenfroh.


Die Sternkapelle soll vor Asche schützen,

Ihr Boden abgewetzt – von all den Küssen!


Fünf Kathedralen – wundervoller Kreis –

Nimm an, uralter Freund du, göttlich-heiß.


Zur Unverhofften Freude ohne Hast

Führe ich meinen fremden, fremden Gast.


Die rötlichgoldnen Kuppeln geben Glanz,

Schlafloser Glocken lauter heller Tanz.


Von Purpurwolken lässt herab auf dich

Die Muttergottes ihren Schutz, ihr Licht,


Und du stehst auf voll Wunderkraft von neuem …

Dass du mich liebtest, wirst du nie bereuen.


31. März 1916

9

Vorbei an Türmen den stillen

Haben die Plätze uns gejagt.

Ach, dieses schreckliche Brüllen

Junger Soldaten bei Nacht!


Du Herz, schlag schon, lauter!

Küss heiß, wie die Liebe es tut!

Ach, dieses Tierbrüllen, schaudernd

Das freche – ach! – das Blut.


Mein Mund brennt lodernd,

Mag die Miene – heilig sein.

Es glüht, ein Kästchen, golden

Die Iwerskaja-Kapelle mein.


Lass den Übermut, entzünde

Eine Kerze für uns still,

Damit uns beiden in der blinden

Nacht nicht werde, was ich will.


31. März 1916

Lob der Aphrodite

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