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9. DEVISENSCHIEBEREI

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Anfang März 1981. Die "Bernhard-S" lag wieder vor Constanta, Rumänien. Mit uns ankerten etwa vierzig Schiffe. Auch hier "congestion", Überfüllung des Hafens. Doch wir kamen bevorzugt an die Pier. Rumäniens Industrie war daran interessiert, ihre oftmals schludrig zusammengeschusterten Produkte so rasch wie möglich für harte Devisen loszuwerden. Die Ägypter hatten noch einige Schiffsladungen mit Eisenbahnwaggons zu erwarten.

In Rumänien herrschten noch der Autokrat Ceausescu und sein Geheimdienst mit harter Hand. Die Wirtschaft schien ziemlich darnieder zu liegen. Erdölpreisgeschädigt und planwirtschaftgebeutelt hatte sich das Land eine schweigend leidende Brut ausgebeuteter Staatsschädlinge herangezüchtet, brutal eingeschüchtert nach oben duckmäusernd, und nach unten schiebend und schachernd. Uns sollte es recht sein, als dekadente Westler hatten wir längst keine Ideale mehr zu verraten und solidarisierten uns mit den kleinen Leuten, die immer die Ausgebeuteten sind.

Kaum waren wir an der Pier fest und Lotse, Schlepperbesatzung und Behörden hatten ihr Bakschisch abgesahnt, kamen sie an Bord, die kleinen Schieber und Schmuggler. Die Schauerleute und die kleinen Gauner, die klauten wie die Raben, weil man ja irgendwie überleben musste in diesem verlogenen, maroden System. Für eine Stange "Marlboro", zollfrei eingekauft, gehortet und geschmuggelt, gab es 200 Lei. Eine Stange "Kent" brachte 250 Lei. Bei acht Stangen Kent hatte man 2000 Lei in der Tasche, den Durchschnittsverdienst eines Rumänen. So kosteten uns 100 Lei drei Mark fünfzig. Offiziell getauschte Devisen dagegen hätten den Preis für 100 Lei auf rund zwanzig Mark katapultiert!

Es war ein Samstag. Für die meisten arbeitsfrei, außer für den Wachhabenden von Deck und den sogenannten Schlüsselmatrosen. Der Schlüsselmatrose war ein Billigersatz für einen Bootsmann, aber er machte seinen Job bestens – vor allem scheffelte er Dollars. Denn die Beladung des Schiffes wurde mit bordeigenem Schwergutgeschirr vorgenommen, eine Präzisionsarbeit, die sich der Charterer harte Dollars kosten ließ.

Den anderen stand der Sinn eher danach, ihre Dollars auszugeben. So steuerte ich mit dem Ersten, dem Chief und Herbert (alle Namen meiner Kameraden geändert) Richtung "Orient", einer Kneipe mit Diskothek. Am Hafentor wurden wir von den ersten Geldwechslern angemacht, Devisenschiebern, die es drauf hatten, einen Seemann bösartig übers Ohr zu hauen.

Erst gestern hatte mir ein Decksmann geschildert, wie es ihm ergangen war: „Wir waren zu viert an Land gegangen. Und gleich beim ersten Geldwechsler hundert Dollars tschinschen. Schön zur Laterne hin, und dann 3.300 Lei vorgezählt bekommen. Noch mal vorgezählt, nachgezählt, noch mal vorgezählt, noch mal nachgezählt, in die Hand genommen, ihm die hundert Dollar gegeben, 3.300 Lei in die Jackentasche. Schön stolzgeschwellte Brust, Geschäft gemacht! Aber Scheiße! Steckte mir ne Zigarette an, mein Macker wollte auch eine, gab ihm eine, da fragte er mich: "Na, wie viel hast du gekriegt? Ich hab nur 2.800 gekriegt." – Da sagte ich: "Du Arsch, ich hab 3.300 gekriegt!", griff in die Tasche, um sie zu zeigen und – haha! – weg waren sie! Dreitausenddreihundert Lei einfach weg!“

Auf dem Weg in die Stadt bettelten uns Romamädchen an, schwarzlockige Schmuddelkinder mit traurigen Augen, die einen begrabschten und betasteten und theatralisch die Hände küssten. Man musste aufpassen, wohin die patschenden Händchen wanderten. Im Handumdrehen war Chief Teuchert Zigaretten und Feuerzeug los. Die Kinder rannten davon. Teuchert lachte, was hätte er anderes tun können?

Im "Orient" war nur das Café im Erdgeschoss geöffnet. Rumänen, in dicke Wintermäntel gehüllt, saßen an den Tischen, tranken Kaffee oder Kognak. Viele spielten Domino. Auch wir bestellten Kaffee und Weinbrand, der in riesigen Gläsern ausgeschenkt wurde. Bald sprachen uns Devisenschieber an. Der Chief wollte zweihundert Mark wechseln. Herbert, ein schwergewichtiger Matrose, sagte: „Lass mich mal machen!" Er deutete an, dass er sich mit den Tricks der Geld-Tschinscher gut auskannte. Als dann die Rumänen zu dritt Richtung Toilette verschwanden und Herbert einen Wink gaben, meldete ich Zweifel an: „Wenn die zu dritt sind, sollte doch noch einer von uns dabei sein!" – „Ach was, Herbert macht das schon!", war die Antwort.

Nach einer ziemlichen Weile kam Herbert selbstzufrieden lächelnd und lässig federnden Schritts an den Tisch zurück, grüßte die abziehenden Geldfüchse salopp und reichte dem Chief ein Bündel Banknoten: „Hier, dreitausend Lei!“ – Teuchert steckte die Scheine ein, zählte sie dann aber doch noch unterm Tisch nach und sagte: „Da fehlen aber tausend!“

Die Schliche der Devisenschieber waren vielfältig. Die einfachste Methode im Freien war, mit den leichtfertig gereichten Geldscheinen davonzurennen. Da es natürlich verboten war, Devisen schwarz zu tauschen, wäre eine Anzeige immer ein Eigentor gewesen. Vorsicht war angesagt, wenn übertrieben hohe Schwarzmarktkurse geboten wurden. Man bekam die 100-Lei-Scheine sorgfältig vorgezählt, wurde zum Nachzählen aufgefordert und steckte sie ein. Beim Zählen des nächsten Bündels wurden einem von einem Helfer die ersten Banknoten bereits wieder gestohlen. War dies nicht möglich, verzählte sich der Geldhai absichtlich und verlangte nochmals die ersten Scheine zurück. Er zählte sie, bestätigte, dass die Summe doch gestimmt habe, forderte aber gleichzeitig auf, die nächsten zehn Hunderter mitzuzählen. Also steckte man rasch das erste Geldbündel weg, ohne es nochmals nachzuprüfen. Dabei war einem mit Kartenspielergeschicklichkeit ein mit einem einzelnen 100-Lei-Schein umwickeltes Bündel Klopapier gereicht worden.

Man konnte Pech haben und es wurden einem gleich dreitausend Lei vorgelegt. Nachzählen und einstecken wäre dann alles gewesen. Doch der rumänische Geldfuchs verlangte in diesem Augenblick, sie zur Sicherheit nochmals auf der Fläche seiner Brieftasche vorzuzählen, man wollte doch niemanden betrügen! Seemann oder Tourist waren daraufhin immer sehr glücklich und zufrieden – für kurze Zeit. Der Geldwechsler hatte nämlich die Brieftasche blitzschnell gewendet, so dass das richtige Päckchen Geldscheine unten zu liegen kam. Auf der Brieftasche kam ein präpariertes Notenbündel zum Vorschein, nichts weiter als billigstes sozialistisches Scheißhauspapier, geziert von einer einzigen, teuer erstandenen Banknote!

Herbert wurde fuchsteufelswild. Der reichlich konsumierte Kaffee mit Kognak hatte ihn zusätzlich angeheizt. Er war in einer gefährlichen Stimmung, drohte den erstbesten Geldwechsler zusammenzuschlagen. Langhinrichs bestellte wieder eine Runde. Teuchert und ich hatten eigentlich vorgehabt, von der Hauptpost für billige Devisenschieber-Lei zu Hause anzurufen. Doch die Wut auf die geldwechselnden Landhaie verlangte nach noch mehr Herzschrittmacher-Gedecken, Rachepläne mussten geschmiedet werden, da man die Geld-Tschinscher schon des Öfteren im "Orient" gesehen hatte und am Abend in der Diskothek zu erwischen hoffte.

Abends traf ich meine drei Zechkumpane in der Disko, nachdem ich doch noch ein langes kognakfröhliches Ferngespräch mit meiner geliebten Frau geführt hatte. Sie machten einen ziemlich mitgenommenen Eindruck, schwerzüngig war die Begrüßung und meine Frage, ob sie denn die Devisenschieber erwischt hätten, wurde mit wütenden Grunzlauten beantwortet.

Meine Neugierde kann hartnäckig sein, und so erfuhr ich, dass der Erste und Herbert einen der Landhaie gestellt hatten. Es war zu einem Handgemenge gekommen im Verlaufe dessen einer der Ganoven Langhinrichs fünfhundert Dollars raubte. Ich wunderte mich nicht mehr über die trunkene Wut der Männer, war allerdings erstaunt, warum es denn so viel Geld hatte sein müssen, das man auf einen sonnabendlichen Landgang mitnahm! Ob da nicht ein wenig dummes Renommieren im Spiele war?

Als die von Weinbrand, Wut und Whisky vollen Männer schließlich an Bord waren, mussten wir die verkrampfte rechte Faust des Ersten mit Gewalt öffnen. Sie enthielt die restlichen, eisern verteidigten Dollars seines Landgangvermögens. Trotz volltrunkener Bettschwere lallte er noch: „Ssiehst du, die hamse nich erwischt, ds-iese S-weine!“

Seefahrt - Abenteuer oder Beruf? - Teil 1

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