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9. WEITER NACH WESTEN

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Wir erreichten den Lake Superior, den Oberen See. Der größte Süßwassersee der Erde ist mit 82.000 qkm doppelt so groß wie die Schweiz! Eine atemberaubende Wasserfläche...

Im Batchawana Bay Provincial Park, etwas nördlich von Sault Ste. Marie, übernachteten wir am Ufer dieses riesigen Gewässers. Einst war hier ein wichtiger Fischplatz der Ureinwohner und später der berühmten Northwest-Company, die zur Zeit der Voyageure - im 19. Jahrhundert - eine der größten, wenn nicht gar die größte Firma der Welt war. Noch ein Rekord gehört hierher: Anfang des 20. Jahrhunderts wurde ein schätzungsweise 90 Jahre alter Stör gefangen, der mit 2,25 m Länge und einem Gewicht von 140 kg als der größte Fisch gilt, der jemals in den Großen Seen gefangen worden war.

Nach 250 Fahrkilometern am folgenden Tag erreichten wir den Obatanga Provincial Park nördlich der kleinen Stadt Wawa. Der Ort ist ein Beispiel dafür, wie sich in diesem riesigen Land Arbeitsmöglichkeiten und Bevölkerungsdichte gegenseitig beeinflussen. Einst lockten Pelzhandel, Forstwirtschaft, Goldvorkommen und Bergbau die Menschen hierher. Sobald aber Minen oder holzverarbeitende Betriebe schlossen, sank die Bevölkerung drastisch.

In weitem Bogen führte uns der Trans-Canada-Highway an das Nordufer des Oberen Sees bis zum Neys Provincial Park. Wir blieben zwei Nächte auf einem großzügig angelegten Campingplatz. Damals war der Provincial Park gerade zwei Jahre alt und frei verfügbar. Heute kostet eine Übernachtung mindestens 30,- Dollar.


Am Nordufer des Oberen Sees beim Neys Provincial Park

Von 1941 bis 1946 war hier das Neys Camp 100, ein Kriegsgefangenenlager, in dem hauptsächlich Deutsche, zwischen 400 und 600 Personen, aber auch einige Japaner als POW (Prisoner of War) hinter Stacheldraht bewacht wurden. Die Kriegsgefangenen wurden in zwei Kategorien eingeteilt. Die Grauen galten als gewöhnliche POWs, die Schwarzen hingegen waren die hartgesottenen Nazis, denen man besonderes Augenmerk widmete, damit sie keine Unruhe verursachten und vor allem keine Fluchtversuche unternahmen. Viele Kriegsgefangene arbeiteten mit den kanadischen Holzfällertrupps zusammen. In dieser abgeschiedenen wilden Region waren Ausbruchversuche sowieso ziemlich sinnlos. Als allerdings nach dem Kriegsende die Wahrscheinlichkeit zunahm, nach Deutschland zurückgeschickt zu werden, suchten viele Landser mit einem Fluchtversuch in Kanada eine bessere Zukunft als ihnen das kriegszerstörte Deutschland hätte bieten können...

Die Reise ging weiter nach Westen. Bei Port Arthur und Fort William verließen wir den Trans-Canada-Highway. Seit 1970 haben sich diese Städte mit zwei weiteren kleineren Gemeinden zur 120.000-Einwohner-Stadt Thunder Bay zusammengeschlossen. Im heutigen Thunder Bay also bogen wir nach Südwesten auf den Highway 61, der uns nach Minnesota, in die Vereinigten Staaten von Amerika brachte.

Kurz vor der Grenze bestaunten wir noch die Wasserfälle des Pigeon River, dem Grenzfluss zwischen Ontario und Minnesota. Dort trafen wir ein schwäbisches Ehepaar, das uns wegen unserer deutschen Autonummer ansprach. Die beiden lebten seit 40 Jahren in den USA. Sie sprachen ein drolliges Gemisch aus Schwäbisch und Englisch. Wir tranken eine Tasse Kaffee zusammen und sie erzählten von ihren Erfahrungen in Amerika. Sie besaßen ein Haus in Florida, direkt am Strand, einen dicken Wagen, und machten nun eine Ferienreise mit Auto und Trailer durch die USA und Kanada. Mit 65 und 68 Jahren waren sie für uns natürlich bereits uralt, obwohl wir ihre jugendliche Freude am Campingleben bewunderten. Wie sich doch die Grenze, ab der man uralt zu sein hat, im eigenen Leben locker nach hinten schieben lässt!

Hildrun beschrieb ihre Eindrücke an ihre Familie folgendermaßen: ". . . Sie hatten sich natürlich schon sehr auf das amerikanische Leben eingestellt. Frau Schmidt trug ein Paar rosa Bermudashorts, obwohl sie ungefähr die Figur von Tante C…. hat. In Deutschland würden die Leute bei so einem Anblick wiehern vor Lachen. Hier stört sich niemand an so einem modischen Fauxpas. Im Gegenteil, man hat den Eindruck, dass die Bermudashorts hier Nationaltracht ist. Im Sommer laufen Männlein wie Weiblein von 2 bis 80 Jahren in diesen Buxen herum. Ja, die amerikanische Mode - viel ist darüber nicht zu berichten. Alles ist farbenfroh, mehr praktisch als schön, und man merkt, dass es im Dutzend hergestellt ist. Die Frauen tragen ihre Lockenwickler ungeniert beim Einkaufsbummel spazieren, keiner findet das komisch oder unpassend…"

Wie locker wir das mittlerweile sehen! Man merkt, dass wir zu jener Zeit in Deutschland noch von einer strengeren, sich um Schicklichkeit bemühte Weltanschauung geprägt worden waren.

Am 17. Juli 1967 überquerten wir die Grenze von Kanada in die USA bei Grand Portage am Pigeon River problemlos und fuhren auf dem amerikanischen State Highway 61 in Minnesota weiter Richtung Duluth.

Entsprechend zu den kanadischen Provincial Parks bieten die USA ihre State Parks an, die jeweils von den einzelnen Provinzen (die 10 Staaten Kanadas), oder von den einzelnen Staaten der USA verwaltet werden. Daneben gibt es auf beiden Seiten die großen und zum Teil weltberühmten Nationalparks. In den USA findet man aber auch sehr schöne Campingplätze in den Nationalwäldern, den National Forests. Diese Plätze haben oft die Bezeichnung Primitive Camping, sind andererseits gerade deshalb von besonderem Reiz. Wir lernten diese Art Campingplätze sehr zu schätzen. Oft haben sie nur sehr wenige Stellplätze, die sich dafür auf einem großzügigen Gelände verteilen. Ausgestattet mit einfachen Plumpsklos, aber immer mit einer Feuerstelle, Trinkwasser und Picknicktischen. Selbst in späteren Jahren, als man grundsätzlich bezahlen musste fürs Campen, waren dies die preisgünstigsten und meistens auch die landschaftlich am schönsten gelegenen Übernachtungsplätze.


Hildrun träumt am Rande eines 'primitiven' Campingplatzes

Unsere erste Nacht in den USA, vom 17. auf den 18. Juli, verbrachten wir auf so einem primitiven Campingplatz, dem Eckbeck Campground im Finland State Forest. Auf dem ganzen weiten Areal waren nur drei Plätze mit Zelten belegt.

Am nächsten Tag war ein Getriebeölwechsel für 8,53 US-Dollar (34,12 DM) in Two Harbors am Oberen See fällig. An einer Tankstelle bezahlten wir für 7,2 Gallonen (27 Liter) Benzin 2,50 Dollar (10,- DM), was einem Literpreis von 37 Pfennig entsprach.

Weiter ging's nach Duluth, der viertgrößten Stadt Minnesotas. Als Seemann war mir Duluth ein Begriff, denn der Ort liegt zwar 2.000 km von der Atlantikküste entfernt, ist aber der westlichste Atlantik-Hafen der USA. Über den kanadisch-amerikanischen Sankt-Lorenz-Seeweg und die großen Seen erreichen Seeschiffe Duluth nach 3.700 km Reisestrecke, was wegen der vielen Schleusen über eine Woche dauert.

Wir waren zugegebenermaßen nicht so sehr an den Städten, sondern an den weiten Landschaften des Kontinents interessiert. Also fuhren wir durch Duluth weiter nach Südwesten. Wir hatten unsere Route in den Westen Kanadas, mit einem Schlenker nach Süden durch die USA, so gewählt, um den kanadischen Prärieprovinzen mit ihren endlosen Getreidefeldern aus dem Wege zu gehen.

Je weiter wir allerdings nach Südwesten fuhren, umso landwirtschaftlicher wurde es auch in Minnesota. Langsam wichen die Berge zurück, die Landschaft war nicht mehr so schroff und gewaltig. Das Land wurde bewohnter, große Farmen mit riesigen Maisfeldern lösten die endlosen Wälder des Nordens ab. Wir fuhren noch lange in den Abend hinein, überquerten bei St. Cloud den Mississippi, der noch verhältnismäßig klein war, und verpassten es, einen Campingplatz zu finden.

Zwar hatten freundliche Farmer immer wieder unentgeltliche Picknick- und Campingplätze am Wegrand zur Verfügung gestellt, doch als es dunkel wurde, war kein gastfreundlicher Farmer mehr in Sicht. Dafür endlose Maisfelder. Wir drückten uns am Rande des Highways in so einen Acker und überstanden die Nacht unbeschadet.

Bereits am nächsten Tag erreichten wir bei Sioux Falls South Dakota. Nun ging es auf dem großartigen Interstate Highway 90 wirklich nach Westen, durch eine schier endlose hügelige Prärielandschaft.

In Sioux Falls hatte uns zum ersten Mal Post von unseren Lieben erreicht. Es schien gut zu klappen mit den postlagernd an uns adressierten Briefen! Bei Chamberlain, am Ufer des breiten Missouri, hatten wir dann bei hochsommerlichen Temperaturen von weit über 30 Grad Gelegenheit, auf unsere Korrespondenz einzugehen. Es waren leider auch ärgerliche Neuigkeiten dabei.

Vom Oberkreisdirektor des Landkreises Wiedenbrück (von wo damals noch die Stadt Gütersloh verwaltet wurde), erreichte mich eine Ordnungsverfügung wegen mangelnden Versicherungsschutzes unseres Campingwagens. Mir wurde ein Fahndungsverfahren angedroht, sollte ich nicht umgehend einen Versicherungsschutz für unser Fahrzeug nachweisen können. Oh du elender Amtsschimmel, was wieherst du so grausig falsch in die ferne Prärie von Süddakota! Es war echt zum Kotzen!

Ich hatte mich eingehend beim Straßenverkehrsamt, beim ADAC, bei unserer Versicherung erkundigt. Vermutlich war unser Ansinnen, mit einem VW-Bulli von Deutschland aus durch Amerika fahren zu wollen, noch zu ungewöhnlich gewesen. Klipp und klar sollten wir also die notwendige Vorgehensweise erst dann erfahren, als es zu spät war.

So hatte ich uns einen Versicherungsschutz für die USA und Kanada, wenn auch nur für einen begrenzten Zeitraum aus den bereits erwähnten Kostengründen, beim ADAC ein Carnet de Passages, bei den zuständigen Ämtern einen Internationalen Führerschein (den übrigens niemand sehen wollte), sowie eine Internationale Zulassung besorgt. Uns blieb letzten Endes nichts anderes übrig als unseren VW-Camper wieder in Deutschland versichern zu lassen. Alternativ hätten wir die entwerteten Nummernschilder nach Deutschland zurückschicken können, um dann was? Ohne Nummernschilder durch den amerikanischen Kontinent zu brausen?

Also fuhren wir ohne Versicherung durch Amerika und bezahlten artig die Kfz-Versicherung in Deutschland, die uns hier keinerlei Schutz gewährte. Ist man erst mal in den Fängen der Bürokratie, wird das Leben noch spannender.

Allerdings hatten wir daraus gelernt! Als wir Jahre später, 1977, nochmals viele Monate durch Amerika reisten, beantragten wir ein Zollkennzeichen, das 13 Monate lang gültig war. Ein Freund von uns, mit dem wir die ersten Monate gemeinsam durch die USA, Mexiko und Guatemala fuhren, war noch trickreicher. Er meldete zwar seinen VW-Bus in Deutschland ab und hatte ein Zollkennzeichen dabei. Doch er wollte es wissen und ließ sein Nummernschild kopieren. Mit diesem Nummernschild, ohne TÜV-Plakette und Siegel, und den entwerteten Fahrzeugpapieren schaffte er es an sämtlichen Kontrollen vorbei, steckte dann aber doch vorsichtshalber das Zollkennzeichen ins Rückfenster.

In der Gluthitze am Missouri hämmerte ich auf unsere Reiseschreibmaschine, um dem Amtsschimmel das nötige Futter über den Atlantik schicken zu können. Hier war es auch, dass wir zum ersten Mal von den Amis freundlich wegen unseres VW-Bullis geneckt wurden.

"Wieviel PS hat denn euer Bus?", fragte uns einer der amerikanischen Campingplatzbewohner neugierig. Als er hörte, mit welcher geringen Pferdestärke wir den amerikanischen Kontinent zu durchqueren wagten, traute er seinen Ohren nicht.

"Thirtyfour? You're kiddin' – du nimmst mich auf den Arm! Mein Wagen dort drüben hat 320 PS, damit komme ich allerdings auch über die Rocky Mountains. Wie wollt ihr das mit 34 PS denn schaffen? Hier, durch die flache Prärie, das mag ja noch angehen. Aber die Rockies?"

"Shifting gears", war meine schlichte Antwort. "Gänge schalten, im ersten Gang werden wir die Rockies schon bewältigen..."

"Gänge schalten? Wieso das denn, ihr habt keine Automatik?" Mein Gegenüber zeigte erste Anzeichen von Mitleid, und wünschte uns alles Glück dieser Erde, ohne Automatik und mit nur 34 PS das andere Ende von Gottes eigenem Land zu erreichen.

Es war mitunter ein lustiges Spiel, wenn wir mit unserer sparsamen Vortäuschung eines Kraftfahrzeugs den amerikanischen Glauben an das allmächtige Automobil ein wenig ins Wanken bringen konnten. Die echte Herausforderung an unseren Bulli erlebten wir erst viel später in Guatemala. Dort gab es tatsächlich Steigungen, wo unser Bulli schlapp machte und einer von uns – im Zweifelsfall immer der ohne Führerschein – anschieben, und hinterherrennen musste.

Das lag aber noch in weiter Ferne. Wir überquerten zunächst den majestätischen Missouri und waren nun wirklich, während wir auf der Interstate 90 durch eine traumhafte Prärie fuhren, auf dem Weg nach Westen.


Durch Minnesota, South Dakota, Wyoming, Montana

Noch hatten wir 6 Stunden Zeitunterschied zu Mitteleuropa. Ontario und Minnesota liegen in der gleichen Zeitzone, doch nun waren wir in South Dakota, und dort liegt die Grenze zwischen der Central Standard Time und der Mountain Standard Time mitten in der Prärie. Also bekamen wir auf dem Weg nach Westen eine Stunde geschenkt und drehten unsere Uhren zurück.

Seit wir die USA erreicht hatten, wurde auch unser Camping-Speisezettel etwas abwechslungsreicher. Inzwischen hatte sich Hildrun, die nach ihren eigenen Worten keine Ahnung vom Kochen gehabt hatte, ein gutes Repertoire an Campingrezepten angeeignet. Ich konnte nicht mehr lautstark mit meiner schlichten Lagerfeuerkochkunst angeben. Lebensmittel waren um einiges preiswerter als in Kanada. Daher gab's schon mal ein großes Steak mit Zwiebeln und Tomatensalat, oder ein pfiffiges Spaghetti-Eier-Curry, oder ähnliche Speiseplanverbesserungen. Was nicht hieß, dass es weiterhin am leichtesten war ein gemischtes Gericht mit Namen Zauberpfanne zu fabrizieren…

Schon in Kanada waren uns von Zeit zu Zeit silberglänzende Wohnanhänger aufgefallen. Es handelte sich um Airstream- Trailer, auffallend schöne, luxuriöse und trotzdem ein wenig spießig wirkende, extrem leichte Caravans aus purem Aluminium. Bereits in den 1930er Jahren waren diese komfortablen Anhänger entwickelt worden und erfreuten sich mittlerweile eines Kultstatus. Oft begegneten uns diese an ein Flugzeug-Cockpit erinnernden Anhänger in einer Karawane von mehreren Gespannen, alle mit einer großen roten Club-Nummer auf dem Chassis. Auf normalen Campingplätzen sah man sie sehr selten. Eher auf den teuren, aber sehr gepflegten KOA Plätzen. Es waren eben Hotels auf Rädern, für Menschen mit einem Bedürfnis nach Luxus konzipiert. Was war da unser Bulli für eine simple Kiste! Was uns ebenfalls auffiel, war, dass die meisten VW-Camper, die uns begegneten, aus Kalifornien kamen. Auf den endlosen Highways kamen wir beim Autozählen schon mal zu dem Ergebnis, dass 8 von 10 Campingbussen ein kalifornisches Kennzeichen hatten.

Wir fuhren durch die Grenzenlosigkeit der Prärie, einem rollenden, wogenden, windgepeitschten Grasmeer, wo einst Sioux und Cheyenne einen blutigen und aussichtslosen Kampf gegen den weißen Mann geführt hatten. Im Westen von South Dakota erreichten wir die Badlands. Diese eindrucksvolle Verwitterungslandschaft sieht aus wie ein pastellfarbenes Minigebirge, dessen Gipfel, Tafelberge, Türme und bizarren Formationen aus der grünen Prärie emporstreben. 1967 waren die Badlands noch ein National Monument, das erst 1978 zum Nationalpark aufgewertet wurde.


Für uns waren die Badlands eine erste Begegnung mit all den Attributen, die wir mit dem Westen Amerikas so gerne verbinden: grenzenlose Weite, Einsamkeit, ein scheinbar noch wildes, ungezähmtes Land in das man nur hinein tauchen musste, um nie gemachte Erkenntnisse zu erfahren, in eine Art wonniglichen Abenteuerrausch zu versinken... Nun ja, als Seemann hatte ich die Weite hinterm Horizont reichlich kennengelernt. Aber dieses köstliche Wildwestgefühl, das packte uns halt doch, hier, in der Prärie mitten in Amerika. Wir waren noch jung und romantisch genug, um es zu spüren!

Die Hitze in dieser Region war extrem! Das Thermometer erreichte Werte im Vierziggradbereich. Der Campingplatz bot in der baumlosen Landschaft kaum Schatten. Allerdings war man tagsüber sowieso unterwegs, so dass der Fahrtwind die Hitze erträglich machte. Klimaanlagen in Autos waren noch Zukunftsmusik. Zum Glück hatte der VW-Bus diese praktischen schwenkbaren kleinen Seitenfenster, mit denen man den Fahrtwind wunderbar umleiten und dosieren konnte. Fast so genial wie eine Klimaanlage!

Die amerikanische Lebensart war noch voller neu zu entdeckender kleiner Eigenarten. Fast hatten wir uns bereits daran gewöhnt, dass Frauen und Mädchen beispielsweise tagsüber völlig selbstverständlich mit einem Kopf voller Lockenwickler unterwegs waren.


Zur amerikanischen Lebensart gehörte auch die selbstverständliche Hilfsbereitschaft, die wir im Laufe unserer Reise immer wieder antrafen. Auf einem Parkplatz im Badlands National Monument bemerkten wir, dass unser Bulli plötzlich Öl verlor. Wir waren ziemlich ratlos, denn wohin in diesem weiten Land? Vor allem war ein VW ein immer noch selten anzutreffendes Fahrzeug, und es gab nur wenige, weit im Land verstreute VW-Werkstätten. Wie selbstverständlich kümmerte sich ein junges Ehepaar um uns. Wie sich herausstellte, waren die beiden deutsche Auswanderer.

"Wir haben selber schon so oft die Hilfsbereitschaft der Amerikaner bei Pannen erlebt, dass wir das jetzt gerne selber praktizieren", erklärten sie uns, und schleppten uns ab bis zu einer Werkstatt außerhalb des Monuments.


Uns drängte es weiter. Aus der Prärie, aus den Badlands, wuchsen vor uns die Black Hills in die Höhe. Grün, bewaldet, wunderschön! Wir blieben gleich drei Tage am Pactola Lake und schauten uns das amerikanische Heiligtum Mount Rushmore an. Hier waren die Köpfe der vier US-Präsidenten George Washington, Thomas Jefferson, Theodore Roosevelt und Abraham Lincoln in den Berg gemeißelt worden. Die im Jahre 1941 fertiggestellten 18 Meter hohen Häupter im schroffen Fels des Berges sind tatsächlich sehr beeindruckend, auch wenn sich ein lästiger Nebengeschmack nach Gigantismus und politischer Heiligsprechung einstellt. Man kann die Lakota-Indianer verstehen, die das Ganze als Entweihung dieser für sie heiligen Berge empfinden.


Hinter Rapid City und kurz vor Custer blieben wir zwei Nächte im Black Hill National Forest auf dem Oreville Campground, einem malerischen Flecken mit etwa zwei Dutzend Campplätzen. Und dann, drei Wochen nach Abfahrt von Toronto und 3.700 zurückgelegten Kilometern, erreichten wir echtes Cowboy-Country: Wyoming...

VON KANADA NACH PANAMA - Teil 1

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