Читать книгу VON KANADA NACH PANAMA - Teil 1 - Mario Covi - Страница 9
7. DIE ERSTE ETAPPE
ОглавлениеReiseroute durch Kanada und USA
Der Trans-Canada-Highway ist ein Straßensystem, das von Neufundland bis Britisch Kolumbien durch ganz Kanada und folglich quer durch den nordamerikanischen Kontinent führt. Er ist rund 8.000 km lang und gilt als drittlängste Straßenverbindung der Welt. Unsere erste Reiseetappe führte uns zehn Tage lang rund 1.600 km weit durch die Provinz Ontario.
Die Nummerierung der Autostraßen in Nordamerika ist sehr logisch. In Kanada sind alle ungeraden Ziffern eine Ost-West-Verbindung, alle geraden Highway-Nummern führen nach Norden oder Süden. In den USA ist es genau umgekehrt. Freundlicherweise sind bei den Wegweisern zu den Highways auch immer Himmelsrichtungen angegeben, so dass man, wenn da 69-West steht auch sicher sein kann, dass man weiter nach Westen kommt. Wir waren nämlich auf der Nr.69 unterwegs, allerdings nach Norden, genauer - seemännischer - nach Nord-Nord-Westen! Doch, keine Bange, weiter nördlich, bei Sudbury, sollten wir auf den Highway Nr.17 gelangen, der von Ottawa kommend stur nach Westen führt. Wenn die Topographie, also die Beschaffenheit des Geländes es verlangt, dann führen eben Ost-West-Verbindungen auch mal nach Norden oder Süden, nur in der Prärie kann man die Straßenführung rechtwinklig planen. Wir hätten sonst quer über die Großen Seen fahren müssen.
Die zweite Nacht verbrachten wir im Bayfield Inlet Park an der malerischen Georgian Bay, danach zwei Nächte im Grundy Lake Provincial Park. Wir machten uns schlau über das System der Provincial Parks, der Nationalparks und wie das mit den Campingplätzen funktionierte. Sehr hilfreich waren die Reise- und Campingführer des sogenannten Triple-A - der American Automobile Association (AAA) - die in späteren Jahren gemeinsam mit dem kanadischen Automobilclub CAA herausgegeben wurden - und werden. Sie sind übrigens, einschließlich einer üppigen Auswahl von Kartenmaterial für ADAC-Mitglieder kostenlos.
Viele Campingplätze, beispielsweise in den Provincial Parks, waren gebührenfrei. Wir waren erstaunt, wie großzügig alles angelegt war. Oft war so ein Stellplatz größer als manches Grundstück in Deutschland, pro Zelt oder Wohnwagen wohlgemerkt! Meistens war eine Trinkwasserstelle direkt vor Ort oder ganz nah erreichbar. Es gab immer einen rustikalen Picknicktisch und eine Feuerstelle. Und nicht selten gab es sogar das Feuerholz umsonst! Das alles wird heutzutage leider nicht mehr so freigebig gehandhabt. Mancherorts sind die Campinggebühren mittlerweile so teuer, dass man bei schlechtem Wetter besser in einem billigen Motel absteigt...
Selbstverständlich waren rustikale Toilettenhäuschen, so genannte Pit-Toilets, sprich Plumps-Klos, vorhanden. Die wurden uns allerdings immer sympathischer, da man in Ruhe und allein seinen Bedürfnissen nachkommen konnte. In den komfortableren Toiletten mit Wasserspülung und Waschgelegenheiten waren die Einzelzellen, wie auch in den USA üblich, nur durch knappe Wände getrennt. Wenn man da so auf der Schüssel hockte, konnte man locker in die runtergelassene Hose seines Nebenmannes, seiner Nebenfrau gucken. Die Kanadier und Amerikaner nehmen es in diesen Dingen halt gelassen, da pupst und plätschert es eben locker und gemeinschaftlich vor sich hin. Aber das Wort Toilette auszusprechen ist vor allem bei den Amis tabu! Puh, was sind die da prüde! Deshalb gibt es wunderbare schöngefärbte Wortschöpfungen, um den Lokus zu umschreiben: Where can I wash my hands?... Restroom, Comfortstation, Washroom, aber bitte nicht Toilet, pfui!
Es war gleich auf einem dieser ersten Campingplätze, da begegneten uns eine allem Anschein nach amerikanische Mutter mit Teenager-Tochter, und fragten uns nach dem Weg zu den Washrooms.
"Washrooms?", sagte ich verdattert, "There are no washrooms, hier gibt's keine Waschräume."
"No washrooms?" -
Entsetzen im Blick der beiden Frauen. Da begriff ich endlich, dass die beiden die Toiletten suchten und sagte in meiner etwas flapsigen Art: "Oh, you're looking for the toilets? There are some pit-toilets over there..."
Puh! Die Blicke hätten Sie sehen sollen! Aber ich hatte dazu gelernt.
In diese Seiten wird bestimmt noch die eine oder andere Toiletten-Geschichte einfließen. Es ist, seien wir ehrlich, einfach ein allgegenwärtiges Thema auf Reisen: wo kann ich ungestört meine Hose runterlassen.
Im Grundy Lake Provincial Park lernten wir auch, wie kontaktfreudig die kanadischen und amerikanischen Feriengäste sein können. Wir waren natürlich ziemlich auffällig mit unserem kleinen VW-Camper und dem fremdartigen Nummernschild. Auch unsere spartanische Ausrüstung wirkte bestimmt exotisch, vielleicht sogar bemitleidenswert. Wir fummelten mit einem Spirituskocher herum, hatten Kerzen und Petroleumlampe, während die Nordamerikaner längst die zweckmäßigen und rustikalen Coleman-Produkte einsetzten. Wir staunten vor allem über die luxuriösen Camper und Zelt-Trailer. Auch die in Europa unbekannte Art von Zelten war beeindruckend. Die Zeltplane wurde einfach in ein äußeres Metallgestänge eingehängt und nicht, wie bei uns, zeitaufwendig abgespannt. Als wir bei Regengüssen sahen, wie undicht diese schlappen Zelte sein konnten, waren wir wieder mit der altmodischen Technik versöhnt.
Einen besonders netten Kontakt hatten wir mit unseren Campingplatznachbarn, einer amerikanischen Familie. Andy und Carolin waren in unserem Alter und hatten zwei Kinder, den sechsjährigen Marc und die zweijährige Linda. Sie luden uns gleich zu einem unterhaltsamen Abendessen in ihren Campinganhänger.
Begeistert schrieb Hildrun davon an ihre Mutter und Schwestern: ". . . Wir bewunderten ihren Campinganhänger, eine richtige Wohnung mit Gasherd, vielen Schränken, Essecke, Schlafecke und eigener Toilette. Der Mythos, dass die Amerikaner so reich seien, muss schon irgendwie wahr sein. Andy ist Drucker, hat aber ein eigenes Haus, zwei Autos und den großen Wohnanhänger. Carolin hat alles, was sich eine Hausfrau wünschen kann. Vollautomatische Waschmaschine, Geschirrspüler, alle Küchenmaschinen, Trockner und, und, und. Sogar die Zähne werden mit einer elektrischen Zahnbürste geputzt."
Wie sich die Vorstellung von Luxus inzwischen verschoben hat!
Hildrun schrieb weiter: "Sie waren sehr wissbegierig, wie alles in Deutschland sei, wie wir da leben, und sie schwärmten uns von Schnitzel und Sauerkraut vor, die sie sooo liebten! Während wir jeden Tag zwei- bis dreimal Geschirr spülen müssen, benützt Carolin nur Einweggeschirr, das sie nach dem Essen wegwirft. Wir kamen uns ganz hinterwäldlerisch vor…"
Dass wir als Individualreisende aus Deutschland - so nannte man das seinerzeit - so exotisch waren, lag auch daran, dass Pauschalreisen nach Nordamerika gerade erst möglich gemacht worden waren. Das galt als Sensation. Ein Flug nach New York beispielsweise kostete noch rund 2.400,- DM. Nun aber sollte es 14-tägige Pauschalreisen für rund 1.400,- DM geben. Bei einem durchschnittlichen Monatslohn von 640,- DM wohlgemerkt! Der Preiskampf um den billigsten Transatlantikflug hatte noch nicht begonnen. Andere Reisende aus Deutschland oder Europa zu treffen war also noch sehr unwahrscheinlich!
In Sudbury, der größten Stadt im Norden Ontarios, erlebten wir, wie gigantisch nordamerikanische Supermärkte sein können. Wir waren allerdings auch über die Preise für beispielsweise so simple Freuden wie ein paar Tomaten erstaunt, eigentlich sogar entsetzt. Ein Pfund für 3,20 DM! Das war nicht in unserem Budget drin. Unsere Provianteinkäufe beschränkten sich zunächst auf Eier - das Dutzend für 25 Cent - auf Luncheonmeat (Frühstücksfleisch) in Dosen - drei oder vier Dosen für einen Dollar - und Hühnerleber, die ebenfalls sehr preisgünstig zu kaufen war. Mit Reis oder Nudeln und Zwiebeln und preiswerten vegetarischen Teilen gemischt, war das unsere Alltags-Küchenkunst. Hildrun musste sich ihre Kocherfahrung oft hart erkämpfen. Sie versuchte dann in unserem billigen Alu-Campingkochgeschirr an einem offenen Feuer eine leckere Mahlzeit zuzubereiten. Ja, wir waren mittendrin im einfachen Leben.
Sudbury liegt am Rande eines Meteoriteneinschlagkraters mit reichhaltigem Nickel- und Kupfervorkommen. Wir waren allerdings nicht so sehr am städtischen Kanada interessiert. Uns zog es in die ursprüngliche Natur, und vor allem nach Westen. Also weiter... On the road again!