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4. VORBEREITUNGEN

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Es folgten Jahre, 1963 bis 1967, in denen Hildrun erfahren musste, dass das Zusammenleben mit einem Seemann alles andere als einfach ist. Zunächst brachte sie ihr Studium in Bielefeld zu Ende, während ich das mitunter wilde Leben an fernen Küsten zu meistern versuchte. Verliebt, aber für viele Monate getrennt zu sein, ist eine harte Erfahrung. Da gehen viele brave Vorsätze und gutbürgerliche Regeln über Bord. Wer aber all das übersteht, der hat das gefunden, was man vielleicht gemeinhin als Glück bezeichnen mag...

In diese Jahre fiel leider auch der plötzliche und viel zu frühe Tod von Hildruns Vater.

Nach einer abenteuerlichen Ostafrika-Reise auf dem Schlepper Rotesand, hatte ich dann im Januar 1967 abgemustert, um unsere weiteren gemeinsamen Lebenswege zu planen und vorzubereiten. Wir hatten ernsthaft vor, eine längere Reise mit einem VW-Bus durch den amerikanischen Kontinent zu machen. Wer übrigens meine und unsere gemeinsamen Seefahrtsjahre nachvollziehen möchte: es gibt bei www.neobooks.com drei E-books über diese Zeit unter dem Titel 'Seefahrt - Abenteuer oder Beruf?', oder gleich die Printausgaben als Taschenbücher, die man überall dort bestellen kann, wo man Bücher bekommt.

Im März 1967 heirateten wir.

Zunächst standesamtlich, damit wir unsere persönlichen Reisepapiere rechtzeitig in Ordnung bringen konnten. Hildrun verlor ja ihren sogenannten Mädchennamen. Und ich war eigentlich arbeitslos. Ich hatte am 4. Januar 1967 nach rund 5 Monaten Fahrtzeit von meinem letzten Schiff, dem besagten Schlepper Rotesand, abgemustert und bekam noch bis zum 9. Januar Urlaub angerechnet. Tja, das waren noch sparsame Zeiten auf dieser Seite des Sozialsystems! Also musste ich mich rasch freiwillig krankenversichern lassen und irgendeinen Übergangsjob an Land finden. Es waren leider magere Zeiten für sogenannte Studentenjobs, die Bundesrepublik hatte eine Million Arbeitslose. Davon träumen wir allerdings heute, nicht wahr?

Wir benötigten Zeit für unsere Vorbereitungen. Zunächst musste ich den Führerschein machen. Den gab's damals noch nicht zum 18. Geburtstag von Papi geschenkt, außerdem war mein Vater noch 1945 in diesem Irrsinn von Weltkrieg geblieben...

Während meiner Seefahrtzeit hatte ich fleißig gespart, und Hildrun arbeitete seit dem Frühjahr 1965 als Grafik-Designerin in einer Werbeagentur in Bielefeld. Um unsere Ersparnisse für die Amerikareise zu schonen, nahm ich den Job eines Zeitungsverteilers an. Kein Führerschein, kein Auto, also per Fahrrad. Und dann noch das Westfalen-Blatt, dessen weit verstreute Kunden meist weit draußen in den Bauernschaften rund um Gütersloh wohnten. Zum Glück gelang mir die Führerscheinprüfung nach wenigen Fahrstunden, was unserem Budget gut tat. Am 1. April 1967 bekam ich den Lappen. Das war der beste Aprilscherz meines Lebens!

Zwei Wochen später kauften wir einen schlichten gebrauchten VW-Campingbus. Das Fahrzeug war wirklich spartanisch. Baujahr 1960, 34 PS, keine Isolierung, also das blanke Blechgehäuse, innen weiß, außen rot mit weißem Dach. Der VW-Bulli hatte einen Austauschmotor mit 4.000 km Fahrleistung und kostete 3.000,- DM. Die Innenausstattung bestand aus zwei Bänken mit Stauraum. Eine in Längsrichtung und eine quer. Ein großer Tisch wurde an der Rückseite der durchgehenden Fahrkabinenbank - es gab keine Einzelsitze - eingehakt. Abends wurde diese Tischplatte zwischen die Bänke eingepasst, die Sitz- und Rückenkissen entsprechend verteilt, und fertig war das Bett, welches fast den gesamten hinteren Raum des Bullis ausfüllte.

Hinter der hinteren Querbank war eine Ablagefläche, darunter ein Stauraum in den unsere zwei Koffer, meine Gitarre, Campingtisch und Campingstühle und allerlei Kleinkram passten. Hinter dem Beifahrer, gleich bei der hinteren Doppeltür, befand sich ein kleines Schränkchen, in dem Küchenutensilien untergebracht waren. In eine selbstgebastelte Hockerkiste passte alles, was im weitesten Sinne Kochgeschirr war, und ein Dachgepäckträger vervollständigte das Fahrzeug, mit dem wir über 30.000 km durch den amerikanischen Kontinent fahren sollten.

Auf unseren langen Reisen merkten wir bald, dass so eine einfache Ausrüstung wirklich die beste Lösung ist, wenn man preiswert und unabhängig die Welt kennen lernen will. Eingebaute Wassertanks, Wasseranschlüsse, Gas für Küchenherd, Kühlschrank und Heizung, Toilette, eventuell sogar Dusche, das mag alles erwünscht sein - ist aber ehrlich gesagt auf langen Touren platzraubend und unpraktisch. Handliche Wasserkanister kann man überall auffüllen und überall hinstellen. Ein Campingkocher ist an jedem Ort einsetzbar - auch mal weit vom Auto auf einem Picknicktisch im Schatten. Eis für eine Eisbox findet man in jedem Supermarkt, an jeder Tankstelle, und oft reicht kluges Stauen, um das Verderben von Lebensmitteln zu vermeiden. Toiletten, oft auch Duschen, sind auf den meisten Campingplätzen vorhanden. Weil wir vor allem in Mexiko und Mittelamerika fast ausschließlich wild campten, war der Gang zur Toilette sowieso naturverbunden urig, allerdings mitunter eine Erfahrung für sich. Ausschlaggebend war letztendlich, dass wir uns all diesen Luxus einfach nicht leisten konnten.

Wir hatten vor, quer durch Kanada und die USA, durch Mexiko, Guatemala, El Salvador, Honduras, Nicaragua, Costa Rica und Panama zu reisen. Daher war es nötig, sich rechtzeitig über die Ein- und Ausreisebestimmungen all dieser Länder zu erkundigen. Heute ist das Internet eine große Hilfe. 1967 mussten wir per Brief die einzelnen Botschaften, Fremdenverkehrbüros und Automobilclubs anschreiben und um Unterlagen bitten. Und die Adressen dieser Institutionen mussten wir uns vorher aus den dicken Telefonbüchern im Postamt heraussuchen. Es gab dann einiges an Formularen und Erklärungen auszufüllen. Weil Hildrun Deutsche ist, ich aber Österreicher bin, damals also Angehöriger eines neutralen Staates war, benötigten wir nicht immer beide ein Visum. In manche Staaten durfte Hildrun ohne Visum einreisen, oder es war umgekehrt. Das alles war zeitraubend - aber wir hatten ja genügend Vorbereitungszeit einkalkuliert.

Zu den Vorbereitungen gehörten auch Informationen über notwendige Impfungen und gesundheitliche Fragen, zumal wir ja in die Tropen reisten. Ich befolgte den Tipp eines Onkels, der nach dem Krieg an einer der ersten Expeditionen nach Westafrika teilgenommen hatte: "Schreibe große Firmen an und bitte sie um Proben ihrer Produkte. Die kannst du gut auch als Gastgeschenke bei Begegnungen mit den Einheimischen verwenden. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, nicht wahr?"

Wir beschränkten uns auf Bittschreiben an die großen Pharmakonzerne und erklärten unsere Reise als tatkräftigen Beitrag im Sinne der Verständigung zwischen den Völkern, was damals noch als ein ernsthaftes Bestreben empfunden wurde. Das Ende des Zweiten Weltkriegs war gerade mal 22 Jahre her. Und wir erhielten erstaunlich viel Hilfe: Pakete voller Medikamente und medizinischer Bücher, beispielsweise über Tropenkrankheiten. Unsere Hausärztin, an deren Adresse die Pharmafirmen die Pakete schickten, schlug die Hände überm Kopf zusammen: "Und das alles in den Händen von Laien!" Denn da waren nicht nur Kopfschmerztabletten, sondern auch Antibiotika, Sulfonamide oder Einwegspritzen dabei. Eine Ausrüstung im dreistelligen DM-Wert!

Was musste noch alles bedacht werden? Wir suchten nach einer preiswerten Möglichkeit, unseren VW-Bulli über den Atlantik transportieren zu lassen und selber möglichst umsonst mitzufahren. Als Seemann hatte ich zum Glück eine gewisse Möglichkeit, an entsprechende Türen zu klopfen. Wir benötigten Kartenmaterial und Reiseführer. Über die Automobilclubs mussten wir diese bestellen - und bezahlen. Günstiger war das vorzügliche Kartenmaterial des Ölkonzerns Texaco, nämlich großzügig umsonst.

Schwieriger war es, eine preiswerte Krankenversicherung zu finden. Auch eine Autoversicherung für Kanada und die USA abzuschließen war ein Problem. Die Prämien waren so extrem hoch, dass wir unsere Reise hätten nicht durchführen können. Da in den USA, und seinerzeit wohl auch in Kanada, eine Autoversicherung nicht vorgeschrieben war, riskierten wir in blauäugiger Zuversicht die lange Reise zum großen Teil ohne Versicherung. Immer mit der gebetsmühlenartigen Formel im Kopf: Wenn etwas passiert, dürfen wir niemals die Schuldigen sein!

Wir versicherten unseren VW-Camper trotzdem für die ersten zwei Monate und bezahlten dafür 500,- DM an Prämie. Der durchschnittliche Monatslohn lag damals bei rund 640,- DM!

Und wie sollten wir unsere Finanzen regeln? Wir konnten ja schlecht Bargeld für einen Zeitraum von 6 bis 12 Monate mit uns schleppen. Einen gewissen Betrag nahmen wir in Form von Dollar-Traveller-Schecks mit. Über meine Hausbank, Deutsche Bank, konnte ich Geldbeträge an eine befreundete Bank z.B. in Vancouver und Mexiko-City vorausschicken, um sie dann dort abzuholen. Kreditkarten waren noch so gut wie unbekannt, ebenso Bankautomaten, wo man heutzutage ganz locker seine Bargeldreserven auffüllen kann.

Eigentlich wollten wir eine ökumenische Trauung zelebrieren. Leider waren auf kirchlicher, vor allem katholischer Seite, zu viele kleinkarierte Bedenken und pedantische Vorschriften im Wege. So entschlossen wir uns zu einer evangelischen Trauung in Gütersloh, und setzten den 31. Mai 1967 als Termin.

Wir ließen uns auch gegen Typhus impfen, was seinerzeit noch per Injektion gemacht wurde. Hildrun war als erste dran - und reagierte mit einer unerwartet heftigen und schmerzhaften Entzündung im Bereich Gallenblase und Leber. Sie musste rasch ins Krankenhaus, wo sie vom 29. Mai bis zum 2. Juni behandelt wurde. Unser Hochzeitstermin fiel ins Wasser. Hildruns Impfreaktion war natürlich ein Schock. Dank der medizinischen Pamphlete, die uns die Pharmafirmen hatten zukommen lassen, erfuhr ich, dass es eine ganz neue Schluckimpfung gegen Typhus gab. Das war unserer Hausärztin noch gar nicht bekannt. Aber sie bestellte die Schluckimpfung und ich konnte sicher gehen, nicht auch noch mit einem Impfschock zu reagieren.

Endlich, am 8. Juni 1967, fand im kleinsten Kreise und in einem nach heutigen Maßstäben sehr schlichten Festakt unsere kirchliche Trauung statt. Eine Nachfeier mit meinen katholischen Lieben in Süddeutschland, einschließlich eines von einem befreundeten Pfarrer vollzogenen Segens, besänftigte alle Gemüter, die vielleicht befürchtet hatten, ich sei in die Hände eines heidnischen Mädchens gefallen!

Es war schon ein unverständlicher Zeitgeist, der damals noch das Leben zwischen Evangelen und Katholen belastete. Man sollte sich aber daran erinnern, wenn wir wieder mal die Nase rümpfen über das Verhalten unserer Mitbürger mit, beispielsweise, islamischem Hintergrund!


Und dann ging alles sehr schnell - endlich!

Am Donnerstag, den 22. Juni 1967, brachten wir einen vollgepackten VW-Bulli nach Bremen.

VON KANADA NACH PANAMA - Teil 1

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