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6. ES KANN LOSGEHEN

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Wir hatten unseren VW-Bulli mit allerlei Campingausrüstung, Bettwäsche, Schlafsäcken, Wassertanks etc. voll gestaut, was uns freundlicherweise von der Verladefirma erlaubt worden war. Normalerweise sollen die Fahrzeuge nicht mit unnötiger Zusatzfracht, unter Umständen noch fahrlässig gestaut, belastet werden. Ich beobachtete den Löschvorgang der Fahrzeuge und war ziemlich geschockt, mit welcher fast arroganten Brutalität die Schauerleute die nagelneuen VW-Fahrzeuge entluden und dann in Parkposition brachten. Die Jungs bretterten erbarmungslos über das Hafengelände. Wie Rallyefahrer auf Höllenpisten durch die Steinwüste. Wahnsinn!

Unser Camper stand ziemlich weit unten in einem der Laderäume und ich sah, dass der Schauermann, der sich unseres Fahrzeugs annahm, Schwierigkeiten mit der Gangschaltung hatte. Schnell war ich unten in der Luke und fuhr unseren Bulli selber auf die Löschvorrichtung, jeweils zwei Metallstangen zwischen denen die Vorder- und Hinterräder beim Hochhieven hineinrutschten. Der Kranführer fragte mich, ob ich gleich im Fahrzeug sitzen bleiben wollte.

"Sure, na klar", sagte ich, und schon flog ich hoch aus der Luke, und dann recht sanft wieder an die Pier, wo ich schnell den Motor startete und nach achtern zur Gangway des Schiffes fuhr.

"Das lief ja super", dachte ich und freute mich, unser Fahrzeug mit dem restlichen Gepäck vollpacken und endlich starten zu können. Ich schloss das Fahrzeug ab und wollte mich gerade vom Camper abwenden als mich ein Mann anfauchte: "Don't touch that car! - Fass bloß das Fahrzeug nicht an!"

"Das ist unser Camper, ich bin der Besitzer..."

"Don't touch that car! Hier hat niemand etwas anzufassen! Es sei denn Sie gehören zu der Löschmannschaft der Hafengesellschaft!"

Ein Schauermann, der das in der Nähe beobachtet hatte, flüsterte mir zu: "Sei vorsichtig! Das ist der Chief Checker von der Gewerkschaft, hau besser ab!"

Puh! Da hatte ich in ein Wespennest gestochen. Zum Glück war diesem Typ entgangen, dass ich höchstpersönlich den Campingbus aus der Luke gebracht hatte. Wir hätten uns eine Menge Ärger eingehandelt, denn er verlangte zunächst eine Genehmigung des Zolls.

Wir hatten bereits am Morgen alles mit dem Zoll verhandelt und verstanden nicht, was man nun noch von uns wollte. Es stellte sich heraus, dass die bürokratischen Wege auch in Kanada recht kompliziert sein können.

Zum Glück schaltete sich ein freundlicher Vertreter der Reederei ein und half uns auf eine fast väterliche Art. Wie sich herausstellte war Herr Petrenko ein wichtiger Mann bei der Frankfurter Metallgesellschaft, zu der die Unterweser Reederei gehörte. Er fuhr uns mit seinem dicken Wagen von Pontius zu Pilatus. Zunächst zur Spedition, die für die gesamte VW-Ladung zuständig war. Wir bezahlten eine Speditionsgebühr von 11,- Dollar. Mit dieser Quittung ging es weiter zum Zoll, der uns eine Bescheinigung ausstellte, mit der wir das Hafengelände würden verlassen dürfen.

Aber da war noch der Chief Checker, der mit der Bescheinigung vom Zoll gar nicht zufrieden war. Wir hatten zwar den nötigen Fetzen Papier - aber keinen Durchschlag!

Wir schafften es dann bis 16.30 Uhr tatsächlich, offiziell den Hafen verlassen zu dürfen. Eine halbe Stunde später, und wir hätten unseren Bulli über das gesamte Wochenende bis Montag nicht anrühren dürfen. Wir sind Herrn Petrenko bis heute dankbar für seine selbstlose Hilfe!

Endlich konnte es losgehen!

Am Freitag, den 7. Juli 1967, verließen wir erwartungsvoll das Hafengelände von Toronto und gerieten prompt in den Freitag-Feierabendverkehr einer völlig unbekannten Millionenstadt. Wow! Ich hatte erst vor drei Monaten meinen Führerschein gemacht, war klägliche 1.400 km Auto gefahren und musste nun im Bewusstsein, keine Kfz-Versicherung zu haben, möglichst heil in Richtung Norden aus Toronto herauskommen. Hildrun hatte noch keinen Führerschein, aber sie bemühte sich, eine gute Kartenleserin zu sein und wurde im Laufe der Reise eine Navigations-Expertin. Unerfahren wie ich war, fuhr ich auch gleich bei der ersten Ampelkreuzung voll in die Kreuzung hinein und wurde hupend als Störenfried geoutet. Von Deutschland so gewohnt, hatte ich direkt vor der roten Ampel halten wollen. Zum Glück merkte ich noch rechtzeitig, dass in den USA und Kanada viele Ampeln vorzugsweise auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen, was bei uns noch nicht üblich gewesen war. Au weia! Aber wir schafften es, auf den Highway 400 Richtung Barrie zu gelangen...

Uns erfasste ein berauschendes Gefühl der Freiheit, als wir auf diesem großzügigen Highway Richtung Norden brausten. Irgendwo nördlich von Barrie merkten wir, dass es Zeit wurde, einen Übernachtungsplatz zu suchen. Einen Campingplatz fanden wir natürlich nicht auf die Schnelle. Aber in Nordamerika gibt es an den Highways wunderschöne Picknickplätze mit großen rustikalen Tischen, Trinkwasserbrunnen, oft auch Feuerstellen und Toilettenhäuschen. Dass man dort vermutlich auch schon 1967 eigentlich nicht campieren durfte, war uns nicht bekannt. Damals wurde dieses Verbot wohl noch nicht überall und strikt eingehalten. Jedenfalls jubelten wir: "Toller Platz, hier übernachten wir!"

Hildrun war, was Camping und Outdoor-Life anbelangte, ein echtes Greenhorn. Ich hatte zum Glück schon viele Nächte im Freien, und beispielsweise in der ostafrikanischen Wildnis, auch ohne Zelt, zugebracht. Eigentlich hatten wir immer vorgehabt, noch in Deutschland eine Probenacht in unserem Camper zuzubringen. Nun standen wir also im Dämmerlich auf diesem Picknickplatz und fingen an, unseren vollgestauten Bulli umzubauen. Schließlich sollte eine Liegefläche, sprich Bett, entstehen. Wir hatten ja keine Ahnung, was Ontario im Frühsommer an Plagegeistern, vor allem im Dämmerlicht, zu bieten hatte! Blutgierige Moskitos überfielen uns in solchen Schwärmen, dass wir nur noch fluchend und uns gegenseitig Vorwürfe machend irgendwie unser Nachtlager aufbauten. Es war furchtbar! Hildrun zählte nach dieser Feuertaufe allein an den Beinen mehr als 80 Stiche. Sie war ziemlich stinkig, da sie sich wie mit Pockennarben übersät vorkam - als Flitterwöchnerin auf noch nicht urlaubsbrauner bleicher Haut.

Die Weiterreise versöhnte uns mit unserem juckenden Schicksal. Wir erreichten den südlichen Teil des Trans-Canada-Highways, der uns in den folgenden Tagen in einem weiten Bogen um die Großen Seen (Lake Huron und Lake Superior) führen sollte. Das Autofahren war ein Traum! Weite, Großzügigkeit, eine phantastische Landschaft mit Wäldern, Wäldern, Wäldern - und Seen, Seen, Seen - und vor allem wenig Verkehr. Abstandhalten? Locker konnte man mitunter mehrere Kilometer hinter seinem Vordermann dahingleiten und einfach Kanada genießen. Hinzu kam etwas, was manchen verbissenen deutschen Autofahrer fluchen lässt: Geschwindigkeitsbegrenzung. Wir empfinden das bis heute als eine geniale Erleichterung, eigentlich das Idealrezept für stressfreies Reisen. Wenn man locker mit 100 km/h auf diesen großzügigen Highways dahingleitet, ist man vier Stunden später 400 Kilometer weiter - wo ist das Problem?

Natürlich war die Geschwindigkeitsbegrenzung damals für unser Auto keine Herausforderung. Auch hatte unser einfacher Bulli kein Autoradio. Aber ein kleines Transistorgerät auf der vorderen Ablage versorgte uns mit Musik. Es bleibt dabei: das Autofahren war ein Genuss!

Seit zwei Jahren hatte Kanada die allbekannte Nationalflagge mit dem roten Ahornblatt. Aber das Land war noch lange nicht metrisch sondern pflegte die alten imperialen Maßeinheiten, wie Meilen, Gallonen, Pounds oder Feet. Wir lernten schnell, die Geschwindigkeitsangaben von Meilen in Kilometer umzurechnen, und wenn ein Warnschild auftauchte: "Letzte Tankmöglichkeit für die nächsten 150 Meilen!", dann kalkulierten wir rasch, dass unser Sprit noch mindestens 240 km weit reichen musste. Unser kleiner 34-PS-Motor schluckte zwischen 10 und 12 Liter Benzin auf 100 Kilometer, Sparsamkeit war noch kein Begriff im Wörterbuch der Autohersteller.

Wir sollten noch oft von den Kanadiern und Amerikanern wegen unserer 34 Pferdchen belächelt werden, fuhren die doch mit riesigen Pferdestärkenherden von 300, 400 Stück! Und 20 bis 30 Liter Spritverbrauch war kein Thema - Benzin, Gas, kostete doch nicht viel! Wir tankten zum ersten Mal, nachdem wir 294 Kilometer seit unserer Abfahrt von Toronto zurückgelegt hatten. Für 3,28 kanadische Dollar bekamen wir 6,6 imperiale Gallonen in den Tank, was genau 30 Litern entsprach. Der kanadische Dollar hatte einen Gegenwert von rund 3,70 DM, also bezahlten wir 12,14 DM für 30 Liter, macht einen Literpreis von etwas mehr als 40 Pfennig. Wow! Das waren noch Preise! Wenn man allerdings den damaligen durchschnittlichen Tagesverdienst von rund 21,- DM dagegenhält, relativiert sich dieser Eindruck aus heutiger Sicht.

VON KANADA NACH PANAMA - Teil 1

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