Читать книгу Quallen - Mario Markus - Страница 9

Оглавление

Pflanze oder Tier?

Aristoteles (384–322 v. Chr.), der einen Teil seines Lebens an der Ägäischen Küste verbrachte, hatte oft die Gelegenheit, Quallen zu beobachten. Er nannte sie Aealephs, was auf Griechisch »Nadeln« bedeutet, anspielend auf die giftigen Nadeln der Quallen. Er stellte die Frage, ob es sich um Pflanzen oder Tiere handele und ließ die Frage offen. Was ihn verwirrte war, dass er keine Blutgefäße sah, wie es auch bei Pflanzen der Fall ist, aber eine erstaunliche Empfindlichkeit bei Berührungen, wie bei Tieren.

Plinius der Ältere (24–79 n. Chr.) schloss sich der incertae sedis, das heißt dem Rätsel von Aristoteles an und dies tat sogar auch noch viel später Carl von Linné (1707–1778). Ein philosophisches Urteil kam dann von dem Naturforscher Georges-Louis Leclerc de Buffon (1707–1788), der die Trennung von Tieren und Pflanzen verneinte und angesichts der Quallen, Anemonen und Korallen, so wie einzelnen, getrennt betrachteten Eigenschaften von Tieren und Pflanzen, ein Kontinuum zwischen Tieren und Pflanzen postulierte.

Der nächste Schritt wurde 1800 durch Napoleon möglich. Er schickte ein Schiff um die damals noch unerforschte Terra Australis, der heutigen Antarktika, unter der Leitung von Francois Péron (1775–1810). Von der Besatzung mit 24 Mann kamen nur sechs zurück. Péron und auch Napoleon interessierten sich unter anderem für die rätselhaften Quallen, die während dieser Fahrt untersucht wurden. Péron hatte drei Jahre Medizin studiert und brach das Studium ab, doch er besaß genug Kenntnisse, um Quallen zu sezieren und festzustellen, dass sie zwar ein Netz von Nerven besitzen, aber kein dichtes Netzwerk, dass man als Gehirn bezeichnen kann. Auch haben sie kein Körperteil, dass man, physiologisch betrachtet, als Kopf bezeichnen könnte.

Es folgten die Untersuchungen von Christian Ehrenberg (1795–1876), Professor der Zoologie in Berlin. Er stellte als erster fest, dass Quallen einen Muskelring besitzen und – bis dahin übersehen – typischerweise 24 Augen. Diese befinden sich in symmetrisch angeordneten Gliedern rund um die Mundöffnung. Meistens sind es sechs Augen pro Glied, so dass ein für den Menschen beneidenswerter Überblick möglich ist. Es gibt allerdings auch Arten, bei denen ein Auge am Ende eines jeden Tentakels ist. Sein definitives Urteil war: Es sind Tiere.

In der Reihe der Quallenforscher war dann der norwegische Geistliche und Biologe Michael Sars (1805–1869) an der Reihe. Ihm verdanken wir das Wissen über die Metamorphose der Quallen: Die ausgewachsene, schöne Meduse, die Eier freilässt, die daraus entstehenden Larven, sie sich zu Polypen wandeln und die Abtrennung von Scheiben (Strobilation) im oberen Teil der Polypen. Jede Scheibe entwickelt sich zu einer Meduse. Dabei pflanzen sich die Medusen meistens geschlechtlich und die Polypen durch Knospung fort. Sars bestätigte das Urteil von Ehrenberg, dass es sich bei Quallen um Tiere handelt.

Doch ein neuer Grund für Streit trat auf: Die beeindruckende Eigenschaft von Quallen riesige Kolonien zu bilden. Ein Beispiel ist die sehr giftige Portugiesische Galeere Physalia physalis. Dies wird detaillierter im Kapitel »Ein Staat von Quallen« in diesem Buch besprochen. In diesen Kolonien übernehmen die einzelnen Individuen verschiedene Aufgaben: Bewegung, Vermehrung, Verdauung, Reaktion auf äußere Berührung und Schwimmen. Die Individuen sind über Kontakte ihrer Nerven vernetzt. Hier stellt sich nicht mehr die alte Frage »Pflanze oder Tier?«, sondern eine völlig neue Frage: »Individuen oder Verband?« Man diskutierte dies mit einer quasi-soziologischen Haltung, die nicht weit entfernt von der Soziologie des Menschen liegt. Thomas Henry Huxley (1825–1895), der für die Akzeptanz des Darwinismus eintrat und dadurch für viele Menschen bekannt wurde, vertrat die Ansicht, dass es sich um Individuen handelt, die zweckmäßig kooperieren. Louis Agassiz (1807–1873), einer der ersten renommierten US-Wissenschaftler, sprach von der Kolonie als wäre sie ein einziger, großer Organismus. Der Deutsche Mediziner und Naturforscher Ernst Haeckel versuchte den Streit zu schlichten, indem er von der Existenz eines Kontinuums zwischen Individuum und Verband sprach. Solch einem Kontinuums-Gedanken begegneten wir schon weiter oben bei der Frage »Mensch oder Tier?« in den Gedanken des Forschers Georges-Louis Leclerc de Buffon.


Quallen

Подняться наверх