Читать книгу Triathlon - Erfolg auf der Langdistanz - Mario Schmidt-Wendling - Страница 8
2 QUO VADIS TRIATHLON?
ОглавлениеTriathlon stellt immer noch eine sehr junge Sportart dar. Die Geschichte dreier amerikanischer Marinesoldaten, die aus einer Bierlaune heraus den Ironman®-Triathlon auf Hawaii ins Leben gerufen haben, ist gerade mal etwas älter als 40 Jahre und sollte den meisten Triathleten bekannt sein. Seit den rauen Anfängen hat die Professionalisierung des Triathlons unglaublich an Fahrt aufgenommen und es gibt wohl kaum eine andere Sportart, die eine derart rasante Entwicklung vollzogen hat.
Als ich Ende der 1980er-Jahre die ersten Bilder vom Triathlon auf Hawaii gesehen habe, waren für mich Triathleten Exoten in viel zu schrillen und knappen Klamotten. Die Ecke der Randsportarten wurde recht schnell verlassen und mit der Aufnahme ins olympische Programm haben weltweit Sportverbände finanzielle Mittel von Staatsseite zur Verfügung gestellt bekommen. Die Deutsche Triathlon Union (DTU) ist fester Bestandteil des Deutschen Olympischen Sport Bunds (DOSB) und stellt die weltweit mitgliederstärkste Dachorganisation dar.
Mich hat die Offenheit neuen Dingen gegenüber und der unbändige Drang nach Innovationen im Triathlon schon immer sehr fasziniert. Doch nicht jede Innovation war und ist von dauerhaftem Erfolg, manches ist nach kurzer Zeit direkt wieder in der Versenkung verschwunden.
Dinge wie beispielsweise der Seat Shifter, mit dem man den Sattel in der Horizontalen verschieben und während der Fahrt die Sitzposition der jeweiligen Topografie anpassen konnte oder der Fahrradrahmen ohne Sitzrohr, dafür aber mit einem federnden Oberrohr, konnten sich, ähnlich wie die 26-Zoll-Laufradgröße, nicht bis heute durchsetzen.
Aber nicht nur in Sachen Equipment waren und sind Triathleten bis in die heutige Zeit sehr innovativ und immer auf der Suche nach Leistungssteigerung. Auch die Trainingswissenschaft im Ausdauersport und speziell im Triathlon hat enorme Erkenntnisse in den letzten Jahren erlangt. Neue und immer günstiger werdende Messgerätschaften und Methoden und deutlich größere Forschungsbudgets sorgen für mehr Power in der Trainingswissenschaft.
Gerade in den letzten 5-8 Jahren wurden diese Erkenntnisse durch die sozialen Medien einem größeren Personenkreis zugänglich und aus diesem Kreis haben manche daraus sogar ein Geschäftsmodell in den Dienstleistungssegmenten Trainingsplanung, Leistungsdiagnostik oder Bike-Fitting gegründet. Einige davon haben eine Art Gurustatus erlangt, allerdings ohne eine solide Ausbildung im Bereich Sport genossen zu haben.
Die Tatsache, selbst aktiver und erfolgreicher Triathlet zu sein oder auf eine solche erfolgreiche Karriere zurückblicken zu können, macht prinzipiell noch nicht einen guten Trainer oder Coach aus. YouTube®-Tutorials und das Lesen mancher Printmagazine können und dürfen nicht eine solide Ausbildung ersetzen. Für mich ist es nach wie vor unverständlich, dass das Berufsbild des Trainers auch heute immer noch nicht geschützt ist. Ein jeder kann sich so nennen, ohne auch nur einen einzigen Nachweis der Qualifikation führen zu müssen.
In anderen Berufsgruppen, die mit Menschen bzw. mit deren Gesundheit umgehen, wird eine Berufsausbildung oder ein Staatsexamen verlangt, im Sport leider immer noch nicht. Oftmals stehen dabei finanzielle Interessen im Vordergrund, die Verantwortung über die Gesundheit der Sportler spielt erschreckenderweise recht schnell eine untergeordnete Rolle. So kommt es immer mehr dazu, dass wissenschaftliche Erkenntnisse teilweise fehlinterpretiert und im Internet beworben werden.
Abb. 2: Frank auf Facebook®
Die Deutsche Triathlon Union (DTU) hat 2020 eine Initiative gestartet, mit der von Verbandsseite lizenzierte Trainer ein digitales Logo erhalten, damit diese auf ihren Webseiten und weiterem Marketingmaterial sofort als qualifizierte Trainer sichtbar sind und sich dadurch von Trainern ohne fundierte Ausbildung abgrenzen können.
Abb. 3: Lizenz-Badge der Deutschen Triathlon Union (DTU)
Darüber hinaus greifen einige Printmagazine, Blogs und YouTube®-Channels vermeintlich neueste Erkenntnisse ebenfalls auf. Dabei wird nicht immer auf Sinnhaftigkeit und Evidenzen geprüft und es werden vorschnell Erkenntnisse publiziert, die dann urplötzlich 1-2 Jahre später wieder verschwinden.
Ich kann durchaus nachvollziehen, dass man als Betreiber oder Herausgeber eines Magazins oder einer Social-Media-Plattform immer wieder entsprechenden Inhalt liefern muss, um die Aufmerksamkeit der Besucher zu erhaschen und die Anzahl der Klicks zu steigern. Doch leider sorgt dies zusehends für Verwirrung unter den Sportlern.
Ich erlebe es immer wieder, dass Sportler sich an mich wenden, weil sie sich im Dschungel dieser Informationen nicht mehr zurechtfinden und nicht mehr selbst für sich erkennen können, welche Informationen richtig, falsch, wichtig, unwichtig oder schlichtweg ungeeignet sind.
Wie bereits in der Einleitung geschrieben, kann und sollte man als Trainer nicht von sich behaupten, dass nur der eigene Weg der allein richtige ist. Es gibt bekanntermaßen viele Wege, die nach Rom führen. Einige davon sind steiniger, also mit vielen Hürden gespickt, andere wiederum führen komplikationsfreier zum Erfolg.
Als Trainer steht man vor der Wahl, ob man „oldschool“ arbeitet, oder als innovativ gilt, weil man eben bei allen neueren Strömungen gleich mit auf den Zug aufspringt und unreflektiert und ohne Testphase neue Prinzipien mit Sportlern anwendet. Ich selbst bin da eher zurückhaltend.
Was das bedeutet und warum eine konservative Herangehensweise, die auf das Wesentliche beschränkt ist, nicht nachteilig ist, versuche ich, in den nachfolgenden Kapiteln zu erläutern.