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Anonyme Alkoholiker und ihr Suchtverständnis
ОглавлениеEine besondere, radikale Position in dieser Debatte um die Steuerungsfähigkeit des Menschen bei einer Suchterkrankung nehmen die Anonymen Alkoholiker ein. Sie folgen strikt dem bio-medizinischen Krankheitsmodell und gehen davon aus, dass der »Alkoholiker sein Trinken nicht kontrollieren kann« (Anonyme Alkoholiker: https://www.anonyme-alkoholiker.de/was-ist-al koholismus/).
Die Erkrankung im Verständnis der Anonymen Alkoholiker ergreift die körperliche, geistige und seelische Dimension des Menschen, ist fortschreitend, und vollständige Genesung und Gesundheit ist nicht mehr erreichbar. Alkoholismus trifft damit einen Menschen wie der Verlust eines Beines. Anonyme Alkoholiker bestreiten jede eigene Steuerungsfähigkeit über den Alkoholkonsum momentan und für die Zukunft: »Der Wahn, dass wir wie andere sind oder je wieder sein können, muss zerschlagen werden« (Anonyme Alkoholiker 2016: 35). Dabei muss aber trotzdem die Frage beantwortet werden, wie es sein kann, dass auf der einen Seite der Kontrollverlust und die Aufgabe der Selbstbestimmung als total beschrieben werden, auf der anderen Seite aber zugleich doch zumindest Linderung in Aussicht gestellt wird und diese für viele Menschen offensichtlich auch schon erreichbar war.
Dieses Problem wird im Konzept der Anonymen Alkoholiker derart gelöst, dass die eigene fehlende Steuerungskraft externalisierend spirituellen Kräften zugeschrieben wird: »Unser heutiges Dasein basiert auf der absoluten Gewissheit, dass unser Schöpfer auf eine wunderbare Art den Weg zu unseren Herzen gefunden hat und in unser Leben eingetreten ist. Er hat für uns Dinge vollendet, die wir aus eigener Kraft nie zustande gebracht hätten« (Anonyme Alkoholiker 2016: 30). So gelingt es, radikal am Konzept der permanent und unwiderrufbar aufgelösten eigenen Steuerungsfähigkeit festzuhalten und gleichzeitig Genesung möglich zu machen und zu erklären.