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1.8 Die salutogenetische Perspektive
ОглавлениеEine Erweiterung des bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells wurde mit dem Konzept der Salutogenese von Antonovsky vorgelegt: Die Salutogenese fragt nicht danach, was den Menschen krankmacht, sondern versucht zu ergründen, warum Menschen trotz Belastungen und Risiken aus dem bio-psycho-sozialen Spektrum gesund bleiben. Neben diesem Blick auf Gesundheit hat die Salutogenese den entscheidenden Beitrag geleistet, Menschen nicht dichotom in gesund und krank zu klassifizieren, sondern ihre jeweiligen Zustände auf einem multidimensionalen Gesundheits-Krankheits-Kontinuum zu lokalisieren (Pauls 2013: 103). Damit ergeben sich auch entscheidende neue Perspektiven für die Betrachtung einer Suchterkrankung und ihrer Bewältigungs- und Genesungsmöglichkeit: Es mag sein, dass der Wille und die Steuerungsfähigkeit eines Menschen zu großen Teilen beschädigt sind, aber es gilt, die gesunden Anteile zu identifizieren, dem Bewusstsein zugänglich zu machen und diese zu stärken. Damit wird die Ressourcenorientierung zu einem zentralen Anknüpfungspunkt für eine Genesung.
Mit der dichotomen Festsetzung von Gesundheit und Krankheit als zwei sich gegenseitig ausschließende Zustände werden auch zugleich bestimmte Normwerte für Gesundheit und Krankheit festgelegt und kommuniziert. Wenn Krankheit als Abnormität definiert wird, wird damit zugleich Gesundheit als Normalität festgesetzt. Gleichzeitig manifestieren sich diese Normwerte in den diagnostischen Systemen des ICD-10 und DSM-5 ( Kap. 11). Dass die Festlegung dieser Normwerte gesellschaftlichen Einflüssen unterliegt und auch als ein Ergebnis gesellschaftlicher Macht- und Aushandlungsprozesse verstanden werden muss, wurde bereits im ersten Abschnitt dieses Kapitels unter dem Stichwort »Erfindung der Sucht« hervorgehoben.