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3.5 Kokain 3.5.1 Hintergrund
ОглавлениеKokain wird aus den Blättern des Kokastrauches gewonnen. Man geht davon aus, dass der Kokastrauch bereits in vorkolumbianischer Zeit, eventuell sogar schon vor 5000 v. Chr. im heutigen Peru als Kulturpflanze angebaut und genutzt wurde. Als heilige Pflanze war er zunächst vornehmlich den Priestern und dem Adel vorbehalten, die die Blätter im Rahmen ritueller Feste konsumierten (Geschwinde 2013: 474; Scherbaum 2017: 108). Zurzeit der Eroberung Perus durch die Spanier war der Konsum allerdings im Volk schon weit verbreitet. Im Umgang mit der Kokapflanze zeigten die Spanier eine Doppelmoral: Auf der einen Seite verboten sie vor ihrem christlichen Hintergrund Anbau und Konsum, auf der anderen Seite wurden Minenarbeiter und Sklaven von den Spaniern sogar mit Kokablättern entlohnt, um so über die gesteigerte Arbeitskraft höhere Profite aus Plantagen und Bergwerken zu erwirtschaften (Geschwinde 2013: 474; Scherbaum 2017: 108).
In der Mitte des 19. Jahrhundert wurde Kokain erstmalig chemisch isoliert und im Jahr 1863 durch die deutsche Firma Merck auf den Markt gebracht. Kokain fand zum einen Verbreitung als Arzneimittel, beispielsweise bei Husten, Depressionen und Entzündungen, aber auch in der Lokalanästhesie. Zum anderen wurde es damals als Zusatzmittel bei Erfrischungsgetränken wie Coca-Cola eingesetzt, wo es auch namensgebend war (Scherbaum 2013: 108; Geschwinde 2013: 474f).
Sigmund Freud, der selbst auch Kokain konsumierte, empfahl zeitweise Kokain als ein Mittel gegen die Entzugserscheinungen des Morphinismus und beim Alkoholentzug – diese Behandlungsart wurde jedoch sehr schnell wegen Erfolglosigkeit wieder aufgegeben (Geschwinde 2013: 476). Im Ersten Weltkrieg wurde Kokain u. a. zur Steigerung der Risikobereitschaft von deutschen und französischen Jagdfliegern konsumiert, später von Radrennfahrern als Dopingmittel bei der Tour de France eingesetzt (Geschwinde 2013: 475).
Kokain wird als Modedroge häufig mit den 1920er Jahren in Verbindung gebracht. Damals kam Kokain aus den Heeresbeständen des Ersten Weltkrieges, wo es zur Lokalanästhesie eingesetzt wurde, in großen Mengen auf den illegalen Markt. Als »Champagner- und Künstlerdroge« war Kokain in dieser Zeit allerdings weitgehend auf die »Bohème« in Großstädten wie Berlin oder Paris beschränkt. Mit der Wirtschaftsdepression endete diese »Kokain-Welle«. Seit 1925 ist Kokain in Deutschland verboten (Geschwinde 2013: 476f; Thoms 2012: 161).
Kokain geriet ab den 1930er Jahren in Europa und den USA weitgehend in Vergessenheit. Erst ab Mitte der 1970er Jahre war wieder ein Anstieg des Konsums in den USA und wenig später auch in Europa zu beobachten (Geschwinde 2013: 478). Mitte der 1980er Jahre begann mit dem Rauchen konzentrierter Kokainpräparate (Crack, Freebase) eine neue Ära des Kokainmissbrauchs, die durch hohe Konsumdosen, schnellen Wirkungseintritt und ein rasches Einsetzen einer Abhängigkeit gekennzeichnet ist (Thoms 2016: 174).
Heute kann man drei verschiedene Gruppen bzw. Konsumententypen unterscheiden: Eine Gruppe konsumiert vornehmlich in Partykontexten, oft in Kombination oder im Wechsel mit anderen Partydrogen wie z. B. Ecstasy. Darüber hinaus gibt es eine Gruppe, die ausschließlich Kokain konsumiert und dabei schwere Abhängigkeitsformen entwickelt. Kokain hat den Ruf, die Droge für die Aufsteiger, Erfolgreichen, Arrivierten und Starken zu sein. Damit geht die Vorstellung einher, dass der Kokainkonsum in bestimmten Berufsgruppen wie etwa Schauspielern, Schauspielerinnen, Models, Managern bzw. Managerinnen weit verbreitet sei. Dies ist epidemiologisch jedoch nur schwer nachweisbar (Scherbaum 2017: 109; Geschwinde 2013: 506). Verlässliche Aussagen sind auch deswegen nur schwer zu treffen, weil der Kokainhandel in Europa weitgehend abgeschottet und nicht auf den Straßenhandel angewiesen ist (Geschwinde 2013: 469).