Читать книгу Circles of Fate (3). Schicksalskampf - Marion Meister - Страница 5
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Jin betrat pfeifend den Blumenladen nahe Covent Garden und sah sich um. Das Geschäft war in einem dieser altmodischen Häuser untergebracht, deren bunt gestrichene Holzfassaden und große Schaufenster zur Straße zeigten. Sah man von außen hinein, glich der Innenraum einer Fototapete von einem Dschungel.
Jin hielt nicht viel von diesen menschlichen Riten, sich zu allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten Blumen hinzustellen. Aber irgendwie wollte er doch ein Zeichen setzen. Eine letzte große Geste, bevor er die Welt in ihren Untergang schickte.
Außerdem konnte er Misano durchaus diesen Gefallen tun, denn ohne ihn wäre der Weltuntergang kaum möglich gewesen. Mit hochgeschobenen Sakkoärmeln, die Hände in den Taschen, schlenderte Jin durch die überwucherten Regalreihen. Der Laden war nicht gerade geräumig und ziemlich altmodisch mit all den hölzernen Regalen und Anrichten, auf denen Topfpflanzen und Schnittblumen untergebracht waren. Ein kleiner Urwald, eine wahre Explosion aus Farben und Formen. Der aufdringliche Geruch von Kräutern oder Heu, oder was auch immer es war, nervte ihn schon nach wenigen Sekunden. Aber dieser Laden war ihm empfohlen worden, da der Inhaber ein besonders gutes Händchen für erlesene Blumenarrangements hatte. Und genau das suchte er. Er wollte protzen. Er wollte, dass Misanos Heim in Blumen ertrank.
Misano hatte ihn gebeten, für Zara einen kleinen Empfang vorzubereiten. Vermutlich hatte er sich etwas anderes vorgestellt: romantischer, intimer. Doch es war der Vorabend des Weltuntergangs! Jin fand, da durfte man sich nicht lumpen lassen. Zara hatte Opulenz verdient, schließlich war sie Teil des großen Finales.
Denn der Tod kommt zu den Lebenden. Dieser Teil des Orakels war bereits erfüllt. Aleph bringt das Ende … – war dies vielleicht ein Friedensangebot von Äon? Es hatte seine Erstgeborenen so schändlich vernachlässigt. Immerhin erlaubte es ihnen nun, diesen Zirkus hier zu beenden. Leben ist Gift, es besiegelt das Schicksal. Genau so war es! Die Zeit springt, denn was immer war, ist nicht mehr. Zwar hatte Jin sich vorgestellt, dass die Welt gleich nach dem Einflechten von Zaras Totenfaden mit einem Paukenschlag endete, aber auf ein paar Stunden mehr oder weniger kam es auch nicht mehr an. Der Countdown lief. Das war alles, was jetzt noch zählte.
Jin schlenderte an den Pflanzen entlang Richtung Verkaufstresen, der irgendwo tief in diesem Dickicht verborgen sein musste.
Äon hat sich in Sachen Artenvielfalt durchaus etwas einfallen lassen, dachte er beim Anblick der Blattformen und Grünschattierungen. Aber es hat versagt. Das allmächtige Wesen, der Ursprung von allem, hatte seine Schöpfung verlassen. Davon war Jin inzwischen felsenfest überzeugt. Es hatte sie alleingelassen, vergessen … gestraft mit Geschenken wie der Unsterblichkeit, die er und seinesgleichen in dieser unendlichen Langeweile zu fristen hatten. Was hatten die Unsterblichen Äon getan, dass es sie so verdammte? Jin schnaubte.
»Kann ich Ihnen helfen?« Ein junger Mann trat aus dem Blätterwald auf ihn zu. Jin zuckte zusammen. Er war so sehr in seine bitteren Gedanken vertieft gewesen, dass er den Ladenbesitzer gar nicht bemerkt hatte. Mit seinem grünen Samtsakko trug er nicht gerade dazu bei, in all diesem Grün aufzufallen. Selbst sein rotes Haar stach optisch nicht hervor, sondern schien bei einem flüchtigen Blick auch nur eine der vielen Blüten zu sein.
Der junge Mann verbeugte sich leicht. »Es ist mir eine Ehre, Jin. Was führt Sie in meinen bescheidenen Laden?«
Verdutzt musterte Jin den Mann. »Du bist ein Kami«, stellte er überrascht fest.
»Mein Name ist Faine. Ich habe ein ausgesprochen gutes Händchen für die Schöpfung in all ihren Formen und Farben.« Lächelnd deutete er auf den Urwald um ihn herum. »Einen grünen Daumen, wie die Menschen sagen.«
»Na wunderbar.« Jin seufzte. Ein Kami! Davor hatte ihn keiner gewarnt. Aber vielleicht war er sogar hilfreich, denn Menschen waren noch schwerer von Begriff als diese unnützen guten Geister. »Ich brauche Blumen.«
Faine nickte mit einem feinen Lächeln. »Es ist möglich, dass ich Ihnen bei Ihrer Suche helfen kann.«
»Schön. Es sollen viele sein. Ich will ein ganzes Wohnzimmer damit vollstopfen.«
»Eine wunderbare Idee. Zu welchem Anlass?«
Unschlüssig sah sich Jin um. »Das ist das Knifflige daran. Der Hausherr möchte die Unsterblichkeit feiern, die Wiederkehr von den Toten. Aber ich, ich will das Ende zelebrieren.«
»Das Ende?«
Der Kami klang unsicher und Jin verdrehte genervt die Augen. »Ja, das Ende. Das Ende von Leid und Erbärmlichkeit.«
Für einen Moment kam Jin der Gedanke, der Kami könnte zickig werden, denn er warf ihm einen strafenden Blick zu. Doch dann neigte er gehorsam den Kopf und winkte Jin, ihm zu folgen.
»Also feiern Sie Anfang und Ende zugleich?« Faine führte ihn zu einigen Vasen, in denen puschelige, orangefarbene Blumen blühten. »Für diese besondere Situation schlage ich Ihnen Tagetes vor. Bei manchen Völkern werden die Blumen verwendet, um den Seelen der Toten den Weg nach Hause zu zeigen. Eine passende Symbolik, oder? Das eine Leben hat geendet und eine neue Lebensform beginnt.«
Missmutig starrte Jin die fröhlich wirkenden orangefarbenen Blüten an. Nichts da mit neuer Lebensform. Er würde Äon persönlich heimsuchen, wenn dieses Mistdings sich ein Leben nach dem Tod ausgedacht hatte. Dennoch gefiel ihm die Idee, den Toten den Weg zu weisen. Er grinste in sich hinein. Dank Hannas Leichtsinnigkeit hatte er eine detaillierte Wegbeschreibung, wie er sich endlich selbst von der Unerträglichkeit seiner Existenz befreien konnte. Er hatte sie Schritt für Schritt befolgt und konnte nun entspannt dem Untergang zusehen. Und das musste gefeiert werden. Diese Blümchen schienen ihm allerdings zu gewöhnlich, um das große Ende gebührend zu feiern! »Ich hatte an etwas Dramatischeres gedacht. Schwarz zum Beispiel.«
Faine runzelte die Stirn. »Mit reinem Schwarz kann ich nicht dienen. Allenfalls tiefes Purpurviolett. Aber das wird nicht Ihrer Vision entsprechen.«
»Und wieder eine Lücke in dieser ach so wunderbaren Schöpfung.« Grummelig zupfte Jin eine der orangefarbenen Blüten aus dem Strauß. »Wie ist das eigentlich, Kami, redet ihr über euren Schöpfer? Oder ist er euch genauso egal, wie ihr ihm egal seid?«
Verwundert zog Faine die Augenbrauen hoch. »Sprechen Sie über Äon?«
Jin schnippte die Blume weg, sie landete irgendwo im grünen Dickicht. »Gibt es noch ein anderes überhebliches Trottelwesen, das sich Welten ausdenkt und sie dann vergisst?«
Offensichtlich nahm ihm der Kami die respektlose Behandlung der Pflanzen übel, denn er bedachte ihn mit einem finsteren Seitenblick. »Nun, ob es uns vergessen hat, ist nicht bewiesen …«
»Ach? Kaffeekränzchen mit seiner Obrigkeit gehabt? Wohl kaum. Es lässt sich ja nicht mal bei uns, seinen Erstgeborenen und Erben, blicken.« Nachdenklich starrte Jin die orangefarbenen Blumen an. Sie waren ihm viel zu fröhlich. Andererseits hatte er ja durchaus etwas zu feiern. Seine Laune war so gut wie seit hundert Jahren nicht mehr. Er zupfte eine zweite Blume aus der Vase und drehte sie zwischen den Fingern.
»Wen wollen Sie denn mit den Blumen beglücken? Äon? Sich selbst?« Der Kami versuchte, sachlich und geschäftig zu wirken.
»Ich will meine große Freude über die Wiederkehr einer ganz reizenden Frau ausdrücken. Die Lady mochte Blumen immer sehr. Es wäre eine letzte, nette Geste. Sie hat sie verdient.« Ohne sie würden wir schließlich alle hier auf ewig verrotten. Er hob die Blume an, um an ihr zu riechen. »Die stinkt!«, bemerkte er freudig überrascht.
»Nun, diesen Ausdruck würde ich nicht verwenden, doch Sie haben recht. Tagetes gehört nicht zu den lieblich duftenden Sorten.«
Wie wunderbar! Ein Haufen stinkender Blumen, die den Toten den Weg nach Hause zeigten. »Perfekt!« Jin steckte sich die Blüte in ein Knopfloch seines Jacketts. Damit hatte sich dieses Gewächs endgültig als Willkommensgruß für Zara und Deko seiner Weltuntergangsfeier qualifiziert. »Liefer eine Wagenladung der Dinger in Misanos Loft!«
Der Kami verbeugte sich. »Sehr wohl. Die Rechnung stelle ich Ihnen zu.«
Jin, der sich schon abgewandt hatte, hielt inne. »Die Rechnung …« Er verkniff sich ein Lachen. Er würde wohl keine Gelegenheit mehr haben, sie zu begleichen. Und dem Kami bliebe auch keine Zeit, sich etwas von dem Geld zu kaufen. Denn bis dahin lag die Welt schon in Asche und dieser dumme Zirkus hatte geendet.
»Wo bekomme ich eigentlich den besten Champagner?«, murmelte er zu sich selbst und schlug ein paar Palmenblätter zur Seite, um den Ausgang zu finden.