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KAPITEL DREI

DAS HOCHSTAPLER-SYNDROM


Wenn sie wüssten, wie ich wirklich bin …

Ich habe elf Bücher geschrieben, aber jedes Mal denke ich, „Oje oje, diesmal werden sie es merken. Ich habe allen etwas vorgespielt und jetzt ertappen sie mich.“

MAYA ANGELOU

Ein gängiges Beispiel für die Allgegenwärtigkeit des inneren Kritikers ist das Phänomen des „Hochstapler-Syndroms“ – das Gefühl, das man nicht verdient, im Leben da zu stehen, wo man steht. Nach Schätzungen leiden 70 Prozent der Bevölkerung am Hochstapler-Syndrom6. Wie oft haben Sie schon vor einer Klasse gestanden, sind gebeten worden, als Autorität auf irgendeinem Gebiet einen Vortrag zu halten, bei einem Konzert mitzuspielen, oder wurden für das beste Sportteam ausgewählt und haben sich dabei wie ein Betrüger gefühlt? Wie steht es mit all den Malen, wo Sie als vermeintlicher Spezialist ein Interview gaben, sich aber wie ein Blender vorkamen?

Das Hochstapler-Syndrom taucht üblicherweise als die Stimme auf, die sagt: „Was glaubst du, wer du bist?“ Diese Stimme des Selbstzweifels und der Geringschätzung verfolgt Millionen. Sie erschien sogar dem Buddha in der Nacht seiner Erleuchtung. Als ich davon zum ersten Mal hörte, dachte ich: „Dann bin ich wenigstens in guter Gesellschaft!“ Ein zeitgenössischeres Beispiel für dieses überall verbreitete Muster ist Meryl Streep7, die Schauspielerin mit den meisten Oscar-Nominierungen in der Geschichte. Sie sagte in einem Interview: „Warum würde mich irgendjemand noch einmal in einem Film sehen wollen? Und ich kann sowieso nicht schauspielern, warum tue ich das überhaupt?“

Manchmal kommt man sich wie ein Betrüger vor, wenn man den Job tatsächlich bekommt. Haben Sie je das Gefühl gehabt, dass, wenn die Leute herausfänden, wer Sie wirklich sind, sie enttäuscht wären, oder man Sie auf der Stelle feuern würde? Ob Hausmeister oder Firmenchef – wir alle sind anfällig für dieses Gefühl, ein Hochstapler zu sein.

Gegen Ende seines Lebens gab Einstein zu8, dass er sich wie „ein unfreiwilliger Schwindler“ vorkomme. Fast alle berühmten Persönlichkeiten haben da ihre eigene Version. „Ich bin gar kein Schriftsteller. Ich habe mir und anderen etwas vorgemacht“, schrieb John Steinbeck9 1938 in sein Tagebuch. Die Geschäftsführerin von Facebook, Sheryl Sandberg10 meinte einmal: „Es gibt immer noch Tage, da wache ich auf und fühle mich wie eine Hochstaplerin.“ Und natürlich, wenn wir auf die Einflüsterungen und Sticheleien unseres inneren Kritikers hören, liegt es nahe, zu glauben, dass wir Schwindler seien und es nicht verdienten, da zu sein, wo wir sind.

Viele Leute haben dieses Gefühl auch in Beziehungen. Vielleicht haben Sie den Partner oder die Partnerin Ihrer Träume. Und so gut das ist, werden Sie von einer gespenstischen Befürchtung heimgesucht, die diese Form annimmt: „Wenn sie/er nur wüsste, wie ich wirklich bin, würden sie/er mich verlassen.“ Wenn wir solchen Gedanken Glauben schenken, können derartige Selbstherabsetzungen gerade die Beziehung gefährden, die uns besonders am Herzen liegt.

In mir löst nichts stärker dieses Gefühl der Hochstapelei aus, als wenn ich als Achtsamkeitslehrer auftrete. Wie oft bin ich schon erschienen, um eine Meditationsklasse zu leiten oder einen Vortrag über Geduld zu halten, nachdem ich eine Stunde zuvor noch auf der Autobahn im Stau stand, frustriert über den Verkehr und geplagt von der Sorge, ob ich es rechtzeitig zur Klasse schaffe? Ganz sicher habe ich da kein Bild heiterer Gelassenheit abgegeben, wie es viele Meditationsschüler vielleicht erwarten würden. Ich schwebte nicht auf Wolken, als ich dasaß und die Abgase einatmete! Oder wenn ich einen Vortrag darüber zu halten hatte, wie uns Achtsamkeit zu Aufmerksamkeit im gegenwärtigen Moment verhilft und wie sie das Gedächtnis und die Raumwahrnehmung verbessert. Gut möglich, dass ich trotzdem, bevor die Klasse begann, fünfzehn Minuten lang damit verbracht habe, im Geiste meine Wege an dem Tag zurückzuverfolgen, weil ich meine Schlüssel um alles in der Welt nicht finden konnte!

Glücklicherweise habe ich genug über Achtsamkeit gelernt, um zu verstehen, dass es nicht darum geht, perfekt zu sein, sondern darum, wie man sich auf die Erfahrung jedes Momentes bezieht und gegenwärtig bleibt, und das mit einer freundlich-verständnisvollen Aufmerksamkeit. Und für mich bedeutet das manchmal, einfach präsent zu sein für die Ängste, Frustrationen oder Verwirrungen, die jeder von uns erlebt.

ÜBUNG

Das Hochstapler-Syndrom erkennen

Was wäre, wenn Sie dran glauben könnten, dass Sie die richtige Person für den Job sind oder die ideale Wahl für Ihren Seelenpartner? Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie vor einem Publikum stünden und alles Recht der Welt hätten, genau dort zu stehen, kompetent und voller Selbstvertrauen? Können Sie sich vorstellen, Ihren Platz im Vorstand einzunehmen und zu wissen, dass Sie allen Grund haben, dort zu sein?

Es ist möglich, das Hochstapler-Syndrom zu überwinden. Und zwar so:

SCHRITT 1: Seien Sie achtsam, um das Hochstapler-Syndrom zu erkennen, sobald es aktiv ist. Wenn wir etwas bewusst wahrnehmen, hat es uns nicht mehr so im Griff wie vorher, als es unbewusst geschah. Es mag zwar wehtun, das Muster zu erkennen, aber es ist der Beginn, um sich aus diesen Fesseln zu befreien.

SCHRITT 2: Achten Sie darauf, wann Sie diese schwächenden Gedanken haben. Versuchen Sie, die Stimmen aufzuspüren, die Ihre Autorität, Ihre Erfahrungen oder Fähigkeiten anzweifeln. Nehmen Sie wahr, was sie sagen. Erst wenn wir diese Gedanken klar erkennen, können wir uns von ihnen distanzieren und ihren Einfluss eindämmen.

SCHRITT 3: Hinterfragen Sie stets die Gedanken, die gerade da sind. Gedanken selbst haben kein Monopol auf die Wahrheit, und je weniger wir ihnen glauben, umso eher werden sie in Vergessenheit geraten. Dann können wir den Schwerpunkt unserer Aufmerksamkeit von ihnen weg verlagern und uns stattdessen etwas anderem zuwenden, das wahrer, gegenwärtiger und positiver ist.

SCHRITT 4: Erinnern Sie sich an Ihre Fähigkeiten, Erfahrung und Talente, die zu Ihren Selbstzweifel in direktem Widerspruch stehen. Da der Kritiker überall durchdringen kann, ist es wichtig, seinem Hohn und Spott Objektivität entgegenzusetzen. Statt all den Gründen zu lauschen, warum Sie den Vortrag nicht halten oder den Job nicht bekommen sollten, richten Sie Ihre Aufmerksamkeit lieber auf Ihre einzigartigen Stärken und Fähigkeiten, die Sie in Bezug auf eine Situation, eine Person oder ein Team haben. Es ist wesentlich, das ständig zu tun, damit Ihr Blickwinkel sich an der Wirklichkeit und nicht an verzerrten Sichtweisen orientiert.

Schließe Frieden mit Dir selbst

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