Читать книгу Ottokar Heisenberg - Ein relativ unscharfer Typ - Mark Löschner - Страница 5
Der Nachbar
ОглавлениеTom kehrte nach der mehr oder weniger erfolgreichen Unterzeichnung des Mietvertrages zu seiner neuen Wohnung zurück. Er hatte sich nur kurz darüber geärgert, dass sein seit Tagen ausgetüftelter Plan zum Senken des Mietpreises nicht vollständig funktioniert hat. Während der Fahrt kam ihm aber in den Sinn, dass er doch irgendwie billiger aus der Sache herausgekommen war. Deswegen verbuchte er das Anmieten der Wohnung als teilweisen Erfolg.
‚Think positive’, dachte er und bemühte sich zu lächeln, was ihm auch leidlich gelang.
Er hakte die Episode im Geiste ab und konzentrierte sich auf den nächsten Schritt. Er wollte die Zimmer schnell vermessen und der Umzugsfirma, welche seine Möbel zwischengelagert hatte, eine Skizze geben, damit diese seine Möbel einräumen konnten, während er sich um andere Dinge kümmerte.
Als Tom im Stockwerk, in welchem sich seine neue Wohnung befand, aus dem Fahrstuhl steigen wollte, stand ein beeindruckend großer Mann vor ihm. Er trug moderne Arbeitskleidung mit dem riesigen Aufdruck ‚Hausmeister‘ darauf. Das Alter des Mannes war schwer zu schätzen, es lag gefühlt irgendwo zwischen 34 und 54 Jahren. Tom hätte auch 29 und 65 Jahre akzeptiert, da das Alter eben schwer zu schätzen war. Der Mann hatte ein freundliches bart- und brillenloses Gesicht, war von schlanker Statur und hatte sorgfältig kurzgeschnittenes, hellbraunes Haar.
„Oh! Hallo!“ begrüßte Tom den Mann leicht überrascht.
Der Mann lächelte freundlich.
„Guten Tag! Sie müssen der neue Mieter aus Nummer 21 sein“, sagte er. „Herzlich willkommen in ihrem neuen Zuhause! Ich bin der Hausmeister.“
„Vielen Dank! Das hat sich ja schnell herumgesprochen. Ich habe doch gerade erst den Mietvertrag unterschrieben. Wie haben sie das so schnell erfahren?“
„Nun ja, ich sah sie vorhin mit der Maklerin zusammen das Haus verlassen. Frau Harttisch hatte dieses Juhu-Vertragsabschluss-Lächeln im Gesicht und jetzt stehen sie hier vor mir.“
„Beeindruckende Kombinationsgabe.“
„Danke!“
Das Licht im fensterlosen Flur flackerte kurz.
„Ups, was ist denn das?“ fragte Tom überrascht und sah zu den Deckenleuchten auf.
„Ein kurzes Flackern der Lampen“, antwortete der Hausmeister ruhig ohne seinen Blick von Tom abzuwenden. „Nichts schlimmes, kommt ab und zu mal vor.“
Plötzlich stand wie aus dem Nichts ein weiterer Mann neben Tom und dem Hausmeister. Abgesehen davon, dass er etwas größer als Tom und etwas kleiner als der Hausmeister war, was somit seine Größe bei der anwesenden Bevölkerung zum Durchschnitt machte, bot er ansonsten ein nicht durchschnittliches Bild. Seine dunkelbraunen Haare waren mit grauen Strähnen durchsetzt und hingen ihm glatt und gepflegt bis auf die Schultern. Er trug einen beigen Trenchcoat offen über einem schwarzen T-Shirt. Die ausgeblichene Jeans wurde von knallroten Hosenträgern gehalten, die farblich überhaupt nicht zu den leuchtend gelben Sportschuhen passten. Der ungewöhnliche Gesamteindruck wurde von einem bart- und faltenlosem Gesicht mit beeindruckend hellblau leuchtenden Augen abgerundet.
„Hallo“, begrüßte der Mann Tom mit einem freundlichen Lächeln, ohne die Hände aus den Hosentaschen zu nehmen. „Ich bin Ottokar Heisenberg, und wohne dort am anderen Ende des Flurs. Wie ich unschwer überhören konnte, sind sie der Neue in der Wohnung Nummer 21. Fantastisch!“
Der Hausmeister legte ein säuerliches Gesicht auf, nickte Ottokar zu und sagte tonlos: „Herr Heisenberg.“
Ottokar antwortete ebenfalls mit einem Kopfnicken und sagte im gleichen Ton: „Hausmeister.“
Der Hausmeister stieg eilig in den Fahrstuhl und fuhr ins Erdgeschoss.
„Heisenberg?“ fragte Tom verwundert. „Wie der berühmte Physiker?“
„Nein, der hiess Werner. Ich heisse Ottokar. Ich wünsche ihnen noch viel Spass und Erfolg in ihrer neuen Wohnung. Man sieht sich sicherlich.“
Ottokar winkte kurz zum Abschied und ging dann zu der Seite des Flures, von wo er scheinbar gekommen war.
„Ich heisse übrigens Tom…“, versuchte Tom sich mit vollem Namen vorzustellen, kam aber nicht mehr zum Ende, da sein neuer Nachbar schon in einer der Wohnungstüren verschwunden war.
Tom zuckte mit den Schultern und ging in seine Wohnung.