Читать книгу Meconomy - Markus Albers - Страница 13

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Bloß nicht im mittleren Management vergammeln

Doch die Lebens- und Arbeitswirklichkeit verändert sich nicht nur für Mittzwanziger und Berufseinsteiger. Auch etablierte Führungskräfte und Unternehmer kommen angesichts des immer schnellern Wandels ins Grübeln. An einem sonnigen Vormittag im Konferenzraum eines Hamburger Designhotels sitzen 15 erfolgreiche Männer mittleren Alters und machen sich Sorgen. Um ihre Zukunft, ihre Karriere, über den Sinn des Lebens. Sie kommen aus allen möglichen Branchen: Banker sind dabei, Marketingleute, Controller. Ein Wissenschaftler, ein selbstständiger Architekt, ein Werbefilmregisseur. Was sie verbindet, ist diese diffuse Unzufriedenheit. Diese nagende Zukunftsangst. Angst, nicht vor Versagen oder Arbeitslosigkeit, sondern vor einem durchschnittlichen Leben, vor Mittelmäßigkeit und Langeweile. Davor, dass es das jetzt eigentlich schon war, dass da nicht mehr viel kommt. Dass da draußen spannende Sachen passieren, aber eben ohne sie.

Dies ist kein bezahlter Motivationskurs, sondern eine selbst organisierte Runde von Freunden und Bekannten. Manche kennen sich schon von Kindheit an, andere sind jetzt spontan dazugestoßen, weil die Idee sie angesprochen hat. Und was ist diese Idee? Einer der Teilnehmer bringt es auf den Punkt: „Wir sind alle gut in dem, was wir machen, verdienen Geld, haben etwas erreicht. Aber wenn wir jetzt nicht aufpassen, bleiben wir den Rest unseres Lebens genau auf diesem Level hängen. Wir versauern im mittleren Management.“ Und das darf nicht sein, nicht mitten in der Meconomy, die uns Selbstverwirklichung verspricht und dass wir für unsere Jobs brennen können. Also haben die 15 sich eine Mischung aus Selbstfindungswochenende, Fortbildungskurs und Gründernachhilfe organisiert, und heute geht es los.

In einer schnellen Vorstellungsrunde erzählt jeder, was er macht und was ihn antreibt. Schnell wird klar: Der Job ist allen wichtig, aber die weichen Faktoren zählen mehr. Der eine erzählt von seiner letzten Weltreise, für die er ein Sabbatical genommen hat. Der Nächste zeigt Bilder von sich beim Skifahren und auf einem Segelboot – Botschaft: Ich existiere nicht nur am Schreibtisch. Alle erzählen von Plänen und Träumen, von Dingen, die sie noch erleben und erreichen wollen. Diese 15 sind ein durchaus repräsentativer Querschnitt durch deutsche berufstätige Mitte 30. Und sie sind alle bereit, ja geradezu versessen darauf, sich neu zu erfinden.

Darum wollen sie jetzt herausfinden, wie andere das geschafft haben. Sie suchten sich eine Stadt aus – es wurde Hamburg – und riefen dort einfach mal bei den interessantesten und klügsten Köpfen an. Fragten: „Wie wär’s? Wir kommen vorbei. Und Sie plaudern eine Stunde lang hinter verschlossenen Türen aus dem Nähkästchen.“

Klingt unrealistisch, hat aber funktioniert. In den nächsten drei Tagen sprechen die 15 mit 20 Geschäftsführern, Chefredakteuren, Gründern und Start-up-Unternehmern – lange, intensiv und vertraulich. Lassen sich erzählen, was in deren Berufsleben und Business auch mal schiefgegangen ist. Was sie heute wieder so machen würden und was auf gar keinen Fall. Wie sich der Job auf ihr Privatleben auswirkt und welche Ziele sie noch haben.

Die Liste an Gesprächspartnern ist beeindruckend: Start-ups, Entrepreneure, spannende Persönlichkeiten. Von brand-eins-Chefredakteurin Gabriele Fischer bis zum Vapiano-Gründer Mark Korzillius. Von Thorsten Becker, dem Chef der „Management Angels“ bis zu Parship-CEO Arndt Roller. Auch potenzielle Geldgeber sind dabei, wie Jens Müffelmann, der die Investitionen des Axel-Springer-Verlages in Technologieunternehmen koordiniert, oder Christian Nagel, Gründer und Partner des Venturecapital-Gesellschaft Earlybird.

Ich war – als Teilnehmer und Referent – auch dabei und durchaus beeindruckt von der Liste an prominenten Gesprächspartnern, die die eigentlich ja namenlosen Teilnehmer aufgestellt hatten, mehr aber noch vom sympathischen Feuer, mit dem sie die erfahrenen Unternehmer aushorchten. Hier wollte eine Gruppe junger Manager wirklich wissen, wie man sich selbstständig macht, wie man Ideen präsentiert und die Finanzierung aufstellt, was alles schiefgehen kann. Ich habe kräftig mitgeschrieben und würde die wichtigsten Erkenntnisse so zusammenfassen:

1) Meistens geht viel mehr schief, als man von außen mitbekommt. Ohne zu viel zu verraten, denn ich habe – wie alle Teilnehmer – den Referenten Vertraulichkeit zugesagt: Man ahnt gar nicht, wie dramatisch die Fehler, die Pannen und die Irrwege sind, die viele Gründer gemacht und durchgestanden haben. Bloß, weil sie heute erfolgreich dastehen, heißt das nicht, dass sie immer alles gewusst und alles richtig gemacht haben. Manchmal hatten sie auch einfach nur Pech. Aber den Journalisten erzählen sie natürlich immer nur die Erfolgsstorys.

2) Manchmal muss man seine eigene Idee loslassen, damit sie funktioniert. Mark Korzillius gehört nur noch ein kleiner Anteil an Vapiano, obwohl er allein die Idee für diese weltweit erfolgreiche Restaurantkette hatte. Er ist zufrieden, sein Konzept wachsen zu sehen, sagt er.

3) Manchmal muss man gegen alle Widerstände an seiner Idee festhalten, damit sie funktioniert. Wer Gabriele Fischer einmal aus den schwierigen Anfangszeiten von brand eins erzählen hört, fragt sich: Warum in aller Welt hat sie sich und dem Team das angetan? Weil am Ende ein großer Triumph steht? Sagt sich in der Rückschau leichter.

4) Vielleicht muss man sein Geschäftsmodell infrage stellen, um es am Leben zu erhalten. Im Madsack Media Lab wurden kürzlich die ersten Zeitungen erfunden, die ausschließlich User-generated-Content drucken, also Artikel von Laien. Journalisten schreiben dort gar nicht mehr. Madsack verdient sein Geld aber eigentlich ganz klassisch mit Zeitungen. Wahnsinn? Oder Mut gegen den Branchentrend? Ein bisschen von beidem wohl …

5) Im Grunde weiß keiner vorher, was funktionieren wird. Earlybird weiß nicht, welches der von ihnen finanzierten Start-ups es schaffen wird. Madsack weiß nicht, ob sich die Investition in Internetradio unter www.radio.de refinanziert. Parship weiß nicht, ob Menschen in der Finanzkrise noch 30 Euro im Monat für Dating ausgeben werden. Die Planer der Hamburger Hafencity wissen nicht, ob sie einen lebendigen Stadtteil schaffen oder eine tote Betonwüste ohne Charme. Der Trick ist, irgendwann mit dem Rechnen, Abwägen und Prognostizieren aufzuhören und mit dem Machen anzufangen. In die Zukunft schauen kann keiner. Sich was trauen eigentlich jeder.

In der Krise mag das schwerer erscheinen. Aber für viele ist genau dann der richtige Zeitpunkt – denn geht es der Wirtschaft schlecht, sind Ressourcen und Mieten günstig, Personal verfügbar und man kann sich in Ruhe aufstellen, um dann – wenn die Krise vorbei ist – richtig durchzustarten.

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