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1. Aktives Tun, insbesondere die Beteiligung an Gremienentscheidungen

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Findet der Grundsatz der Generalverantwortung und Allzuständigkeit Anwendung auf das aktive Tun, wird auf dieser Grundlage die Zurechnung eines straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlich relevanten Erfolges auf sämtliche Mitglieder eines Leitungsorgans vorgenommen. Sofern der Vorwurf an ein außerhalb des Abstimmungsverhaltens liegendes Tun anknüpft, ergeben sich im Prinzip keine Probleme, da die Zurechnung in diesem Fall auf das konkrete Ausführungsverhalten gestützt werden kann.[10] Allerdings vollziehen die in der Leitungsebene eines Unternehmens angesiedelten Personen im Regelfall nicht selbst die rechtsgutsschädigende Handlung, sondern wirken lediglich an Entscheidungen eines Gremiums mit, die erst über ihre Umsetzung durch hierarchisch untergeordnete Mitarbeiter in die eigentliche Rechtsgutsverletzung münden. Die Leitungspersonen können dabei den Inhalt des ihnen in der Regel als Vorlage zukommenden Gremienbeschlusses nur als Ganzes zustimmen oder ablehnen und nicht individuell beeinflussen.[11] Was die Abstimmungsregeln anbelangt, reichen nach den Bestimmungen der einschlägigen Gesetze oder Satzungen üblicherweise bloße Mehrheitsbeschlüsse aus. Selbst dort, wo das Gesetz wie im Falle des Vorstands einer Aktiengesellschaft in § 77 Abs. 1 S. 1 AktG eine einstimmige Entscheidung des Kollegialorgans verlangt, sind zahlreiche Ausnahmen von diesem Grundsatz vorgesehen, da Unternehmen anderenfalls de facto handlungsunfähig wären.

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Können Unternehmen nur über Kollegialentscheidungen einen gemeinsamen Willensentschluss bilden und betätigen, ergibt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein konkretes Abstimmungsverhalten zu individueller Schuld oder Vorwerfbarkeit führt. Obwohl die Willensbildung und -betätigung durch das Leitungsorgan als Ganzes erfolgt, muss der Erfolg einem innerhalb dieses Gremiums angesiedelten und an der Abstimmung beteiligten Individuum zugerechnet werden, sofern man das dem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht zugrunde liegende Konzept individueller Schuld oder Vorwerfbarkeit nicht komplett verabschieden will. Demgegenüber bildet die bloße Zugehörigkeit zu einem Gremium ebenso wenig wie die mit der Teilnahme an der Abstimmung herbeigeführte Beschlussfähigkeit eine ausreichende Grundlage für die Zurechnung.[12]

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Die zentrale Entscheidung BGHSt 37, 106 ff. bezog sich zwar auf die Unterlassungshaftung, kann aber in gleicher Weise im Hinblick auf das aktive Tun Geltung beanspruchen. Für die Einordnung des Verhaltens ist nicht auf den Abstimmungsakt selbst abzustellen. Aufgrund des mit einer Zustimmung verbundenen Energieeinsatzes würde aus einer naturalistischen Sichtweise regelmäßig ein aktives Tun vorliegen; im Übrigen hinge die Einordnung des Verhaltens von der Formulierung der Vorlagefrage ab. Es kommt stattdessen darauf an, ob das durch das Leitungsorgan beschlossene Verhalten normativ als aktives Tun oder Unterlassen zu werten ist und der Beschluss somit in ein aktives Tun oder Unterlassen einmündet.[13] Eine solche Betrachtungsweise rechtfertigt sich daraus, dass das Beschluss- und anschließende Ausführungsverhalten wertungsmäßig eine Einheit bilden und das Ausführungsverhalten nur Folge des Beschlussverhaltens ist.

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Unter Zurechnungsaspekten steht im Zentrum vor allem die Frage, ob das individuelle Abstimmungsverhalten für einen Erfolg kausal geworden ist oder nicht. Auf dem Boden der Äquivalenztheorie bzw. der condicio sine qua non-Formel ist kausal jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.[14]

An diesem Punkt sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden.

Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung

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