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c) Beschlussfassung mit einer Mehrheit von mindestens zwei Stimmen

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Die Kausalität wird zum Problem, wenn ein Beschluss mit einer – soliden – Mehrheit von mindestens zwei Stimmen ergeht. Wendet man die condicio sine qua non-Formel an, könnte jeder positiv Votierende darauf verweisen, bei Hinwegdenken seiner Stimme wäre der Erfolg angesichts der Stimmenmehrheit ohnehin eingetreten. Hiergegen wird vorgebracht, dass ein solcher Verweis mit den Prämissen der Formel nicht im Einklang stehe: Denn mit dem Hinwegdenken des Positivvotums sei immer ein Hinzudenken von Gegenstimmen oder Enthaltungen verbunden; stelle man allein auf den Wirkmechanismus der Stimmabgabe ab, sei also Kausalität gegeben.[17] Allerdings wird bei Hinwegdenken einer Bedingung stets eine Welt ohne diese Bedingung hinzugedacht,[18] weshalb das Argument am Ende nicht überzeugt. Die Kausalität kann ebenso wenig mit dem Hinweis auf die konkrete Gestalt des Erfolges angenommen werden, obwohl das Mehrheitsbild bei Hinwegdenken der Einzelstimme modifiziert würde: Denn der für die Kausalitätsfrage maßgebliche Erfolg ist nicht das modifizierte Abstimmungsergebnis, sondern die Schädigung des Rechtsguts; das Gesamtvotum bildet nur einen Zwischenerfolg.[19] Hierfür ist die überzählige Stimme nicht notwendig und kann deshalb entsprechend den Grundsätzen der condicio sine qua non-Formel durchaus hinweggedacht werden.

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Gleichwohl wird bei einer soliden Mehrheit ganz überwiegend Kausalität angenommen. Dies ist schon deswegen einleuchtend, weil ansonsten ungeachtet eines Positivvotums und Mehrheitsbeschlusses niemand für den Erfolg kausal verantwortlich wäre. Über die Begründung besteht jedoch keine Einigkeit.

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Teilweise wird auch in diesem Zusammenhang von kumulativer Kausalität ausgegangen, da nicht die einzelne Stimme, sondern erst das Zusammenwirken mit den anderen Stimmen den Erfolg herbeiführe.[20] Allerdings besteht ein zentraler Unterschied zu den klassischen Fällen kumulativer Kausalität, in denen etwa zwei Täter unabhängig voneinander eine für sich genommen nicht ausreichende Menge Gift in das Glas des Opfers schütten, das dann an der Addition der Giftmengen stirbt. Anders als in diesem Beispiel – der Tod tritt erst als Folge der Kumulation der Tatbeiträge ein – kommt es bei solider Mehrheit gerade nicht auf die einzelne Stimme an,[21] zumal die Votierenden nicht unabhängig voneinander handeln.

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Andere ziehen die Figur der alternativen Kausalität heran, bei der mehrere unabhängig voneinander gesetzte Bedingungen zeitgleich wirken, die für sich bereits den Erfolg herbeigeführt hätten.[22] Wenn unabhängig voneinander zwei Täter eine jeweils tödlich wirkende Giftmenge in das Glas des Opfers schütten, könnte sich bei Anwendung der condicio sine qua non-Formel jeder von ihnen darauf berufen, dass der Tod des Opfers wegen der Giftmenge des anderen eingetreten wäre. Um einen solchen Einwand abzuschneiden, wird die gängige condicio sine qua non-Formel in der Weise abgewandelt, dass von mehreren Bedingungen, die alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele, jede für den Erfolg ursächlich ist.[23] Eine vordergründige Parallele zur Kausalität bei soliden Mehrheitsentscheidungen ist gegeben, da sich jeder Positivvotierende auf die weiteren Positivvoten berufen könnte. Ein zentraler Unterschied zu klassischen Fällen alternativer Kausalität liegt jedoch darin, dass jede Stimme für sich genommen nicht genügt, um den Erfolg herbeizuführen.[24] Im Übrigen handeln die Abstimmenden auch nicht unabhängig voneinander.[25]

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Soweit die Problematik über ein Zusammenspiel hinreichender und notwendiger Bedingungen gelöst werden soll,[26] ist einzuwenden, dass ein plausibles Kausalurteil ausscheidet, solange das konkrete Zusammenspiel dieser formallogisch unterschiedlichen Bedingungsarten unklar bleibt.[27] Ebenso sind Ansätze abzulehnen, welche Überlegungen der alternativen und kumulativen Kausalität kombinieren, indem für die mehrheitsbeschaffenden Stimmen von kumulativer und für die darüber hinaus reichenden Stimmen von alternativer Kausalität ausgegangen wird.[28] Denn hier lassen sich bezogen auf beide Formen der Kausalität jene Einwände vorbringen, die gegen die ausschließliche Verwendung dieser Kausalitätsformen sprechen. Auch die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung hilft nicht weiter, nach der Kausalität vorliegt, wenn zwischen der Handlung und dem Erfolg ein nach bekannten Naturgesetzen erklärbarer Zusammenhang besteht und die konkrete Handlung deshalb im konkreten Erfolg wirksam wurde.[29] Zwar ist das Positivvotum im Erfolg wirksam geworden, jedoch wird der Umstand ausgeblendet, dass bei solider Mehrheit eben jener Stimmenüberschuss vorliegt und es auf diese Stimme gar nicht ankam – das Grundproblem bleibt bestehen. Ein Rückgriff auf die Risikoerhöhungslehre scheidet gleichfalls aus,[30] da der Rekurs auf die durch die Stimmabgabe bewirkte Risikoerhöhung die Bejahung eines Kausalzusammenhanges voraussetzt. Anders wäre es, wenn man auf das Erfordernis der Kausalität komplett verzichtet und allein die durch das Positivvotum herbeigeführte Risikoerhöhung die Zurechnung tragen soll; dies läuft freilich de facto auf bloße Verdachtsstrafen hinaus, so dass die generell gegen die Risikoerhöhungslehre sprechenden Kritikpunkte wie die Aushöhlung des in dubio pro reo Grundsatzes sowie die Uminterpretation von Verletzungs- in Gefährdungsdelikte nur umso stärkeres Gewicht bekommen.

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Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, auf § 25 Abs. 2 StGB zurückzugreifen und jedem der Zustimmenden die Stimme der anderen zuzurechnen; Kausalität ist dann zwischen der durch das solide Mehrheitsvotum begründeten Gesamttat und dem Taterfolg gegeben.[31] Dem Gebot individueller Zurechnung wird dadurch Rechnung getragen, dass an die in dem soliden Mehrheitsvotum enthaltene einzelne Stimmabgabe angeknüpft wird. Akzeptiert man ferner die Figur einer fahrlässigen Mittäterschaft,[32] kann die Vorschrift auf Vorsatz- wie auf Fahrlässigkeitstaten angewendet werden. Dennoch wird kritisiert, der Rekurs auf § 25 Abs. 2 StGB enthalte einen Zirkelschluss, da Mittäterschaft die Erbringung eines kausalen Tatbeitrages voraussetze und diese Kausalität gerade zweifelhaft sei.[33] Die Kausalität muss aber allein, und dies verkennt gerade der Einwand, zwischen der durch das solide Mehrheitsvotum begründeten Gesamttat und dem Erfolg, nicht aber zwischen der in der Gesamttat enthaltenen Einzelstimme und dem Erfolg bestehen.[34] Denn die eigentliche Pointe der Mittäterschaft liegt darin, dass die Beteiligten die Tat „gemeinschaftlich“ begehen und ihre Tatbeiträge in jene „Gesamttat“ eingehen, die ihnen in toto zugerechnet wird. Eine Besonderheit bei Gremienentscheidungen besteht freilich: Die beiden für eine Mittäterschaft zentralen Voraussetzungen – die gemeinsame Tatausführung und der gemeinsame Tatplan – fallen im Akt des Beschließens zusammen, was aber nicht entscheidend gegen die Konstruktion spricht.[35] Die Kausalität des Einzelbeitrages ist dabei aus einer ex ante-Perspektive zu bestimmen: Auf der Grundlage des gemeinsamen Tatentschlusses muss der Beitrag für das Gelingen der Tat prospektiv von zentraler Bedeutung sein.[36] Selbst wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass es angesichts der soliden Stimmenmehrheit gar nicht auf die Einzelstimme ankam, war jedenfalls im Zeitpunkt der Abstimmung die abgegebene Stimme für das Gelingen der Tat wesentlich. Über § 25 Abs. 2 StGB wird schließlich auch keine Kausalität Unbeteiligter begründet, indem im Anschluss an die Behauptung der Mittäterschaft eine Zurechnung der Kausalbeiträge der anderen sein Kausalwerden begründen sollen.[37] Denn die Zurechnung darf von vornherein nur auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplanes stattfinden.[38]

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