Читать книгу Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung - Markus Berndt - Страница 28

2. Unterlassen

Оглавление

46

Für Personen aus der Leitungsebene eines Unternehmens können sich Risiken einer horizontalen straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Haftung ferner unter dem Gesichtspunkt eines Unterlassens ergeben. Es kommt darauf an, ob und inwieweit sie verpflichtet sind, rechtlich relevante Erfolge abzuwenden. Nur bei Bestehen einer Garantenpflicht kann ihnen ein aus dem Unternehmenswirken resultierender Erfolg zugerechnet werden. Für die Zurechnung gilt eine abgewandelte condicio sine qua non-Formel, nach der kausal jede Bedingung ist, die nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der tatbestandsmäßige Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele (sog. Quasi-Kausalität).[59]

47

Die Relativierung der dem Konzept von Schuld und Vorwerfbarkeit an sich gemäßen individuellen Zurechnung nahm ihren Ausgang gerade bei der Unterlassungshaftung, anhand derer in BGHSt 37, 106 ff. der Grundsatz der Generalverantwortung und Allzuständigkeit statuiert wurde (siehe Rn. 21 ff.). Allerdings hat der BGH zugleich eine innerhalb von Leitungsorganen vorgenommene Aufgabenteilung nach konkreten Verantwortungsbereichen im Sinne eines Ressortprinzips anerkannt,[60] die aus Verteidigungssicht bedeutsam werden kann. Denn den auf die Gesellschaft als Ganzes bezogenen Pflichten wird auch auf horizontaler Ebene durch Arbeitsteilung begegnet, indem abgegrenzte Verantwortungsbereiche geschaffen werden, für die die jeweiligen Mitglieder des Leitungsorgans primär verantwortlich und zuständig sind; der Haftungsbereich der ressortunzuständigen Mitglieder endet an diesem Punkt, da sie darauf vertrauen dürfen, dass der Ressortzuständige die auf das Ressort bezogenen Pflichten erfüllt, worin eine Ausprägung des allgemeinen Vertrauensgrundsatzes liegt.[61]

48

Allerdings suspendiert das Ressortprinzip die sich aus dem Grundsatz der Generalverantwortung und Allzuständigkeit ergebenden Handlungspflichten nicht vollständig, sondern beschränkt sie allenfalls.[62] Dies bedeutet insbesondere, dass die den einzelnen Mitgliedern des Leitungsorgans obliegenden Pflichten in Überwachungs- und Kontrollpflichten umgeformt werden.[63] Indes folgt hieraus keine Pflicht zu einer fortwährenden Totalkontrolle der anderen Mitglieder des Leitungsorgans,[64] da dies nicht nur faktisch unmöglich, sondern auch wirtschaftlich dysfunktional wäre.

49

Eine zentrale Aufgabe der Verteidigung besteht darin, die Grenze derartiger Pflichten aufzuzeigen, zumal der Grundsatz der Generalverantwortung und Allzuständigkeit selbst nach dem BGH nur aufgerufen werden kann, wenn das Unternehmen als Ganzes betroffen ist.[65] Dies mag anzunehmen sein, wenn ressortüberschreitende Probleme auftauchen oder die Erfüllung zentraler öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen auf dem Spiel steht (Bsp.: Abführen von Steuern oder Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung).[66] Sofern im Falle der Gesamtgeschäftsführung entsprechende Maßnahmen nur durch alle Leitungspersonen gemeinsam getroffen werden können, ist diese Verpflichtung jedoch bereits aus Rechtsgründen begrenzt.[67] Sie erfährt eine inhaltliche Umgestaltung in der Weise, dass jeder nur das ihm Mögliche und Zumutbare tun muss, um die Erfüllung der Pflicht insgesamt zu sichern.[68]

50

Ein Sonderproblem ergibt sich mit Blick auf eine Majorisierung durch Mehrheitsbeschlüsse, wenn ein Mitglied des Kollegialorgans gegen einen rechtswidrigen Beschluss gestimmt hat (siehe Rn. 39 ff.). Das für sich genommen rechtmäßige Abstimmungsverhalten kann keinen Ansatzpunkt für eine straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Haftung bilden. Anderes gilt für die Frage, ob das Unterlassen einer rechtlich gebotenen Handlung außerhalb des Beschlusses einen Anknüpfungspunkt für die Zurechnung des Erfolges bietet.[69] Mehr als eine Gegenvorstellung und Information des Aufsichtsrates wird man dem in der Abstimmung Unterlegenen nicht abverlangen können.

Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung

Подняться наверх