Читать книгу Tax Compliance - Markus Brinkmann - Страница 80

4. Voraussetzungen wirksamer Delegation

Оглавление

Allgemeines

26

Der Gegenstand einer Delegation kann grundsätzlich frei gewählt werden. Delegiert werden können einzelne Pflichten oder Pflichtenbündel, sei es mit unmittelbar zu erfüllenden Pflichten oder mit Pflichten, die nur unter bestimmten Voraussetzungen zu erfüllen sind, z.B. bei Eintritt bestimmter Bedingungen. Delegiert werden können auch lediglich einzelne Bestandteile von Pflichten, d.h. Teilaufgaben, die vorgeschaltet oder in sonstiger Weise ergänzend zur Erfüllung der (Gesamt-)Pflicht durch den Delegierenden beitragen.

27

Die Richtung der Delegation ist ebenfalls frei wählbar. In Betracht kommen Delegationen „nach unten“, d.h. an in der Organisationshierarchie nachgeordnete Stellen (z.B. den direkt zugeordneten Mitarbeiter), Delegationen „nach oben“, d.h. an in der Organisationshierarchie übergeordnete Stellen (z.B. ein sog. Shared Service Center in der Obergesellschaft im Konzern), oder Delegationen „nach außen“, d.h. an außerhalb des Unternehmens und des Konzerns befindliche Dritte (z.B. externe Steuerberater- oder Steueranwaltskanzleien).

28

Je nach rechtlicher Stellung und Befugnis der Beteiligten kann eine rechtswirksame Delegation einseitig per Weisung erfolgen, oder sie setzt Einvernehmen zwischen Delegierendem und Delegationsempfänger, d.h. Angebot und Annahme, voraus.

Eindeutige Zuordnung

29

Erforderlich ist eine eindeutige und klar verständliche Beschreibung der Pflicht bzw. der Tätigkeit, die der Adressat der Delegation übernehmen soll.[22] Der Delegierende hat seine Erwartungshaltung unmissverständlich zu transportieren. Der Adressat der Delegation muss aufgrund der Beschreibung imstande sein, den Delegierenden „beim Wort zu nehmen“. Dies sollte an sich selbstverständlich sein, ist es aber in der Praxis häufig nicht.

30

Die Beschreibung muss zudem hinreichend präzise sein. Dies ist insbesondere wichtig, wenn im Einzelfall nicht die ganze Pflicht, sondern ausschließlich einzelne Tätigkeiten, die für die Erfüllung der Pflicht von Bedeutung sind, delegiert werden sollen. In diesem Sinne ist beispielsweise festzulegen, ob der Delegationsadressat bestimmte Informationen lediglich zu beschaffen hat oder ob er diese von ihm beschafften Informationen – nach bestimmten Vorgaben – auch auszuwerten hat. Desgleichen ist festzulegen, ob der Adressat der Delegation einen wahrgenommenen Missstand abzustellen oder lediglich an eine andere Stelle zu berichten hat.

31

Auch eine eindeutige Klärung der Frage, wer Stellvertreter ist (oder wer den Stellvertreter bestimmen darf), gehört hierher. Zu empfehlen ist für jede Delegation eine geeignete Dokumentation; diese bringt Sicherheit, Transparenz und Effizienz nicht nur für den Delegierenden und den Adressaten, sondern für jeden anderen Interessierten, der berechtigterweise auf eine tragfähige Organisation vertraut und einen kompetenten Ansprechpartner sucht.

32

Die Zuweisung der betreffenden Pflicht bzw. Tätigkeit an den Adressaten sollte passgenau „eins zu eins“ erfolgen. In diesem Sinne ist ratsam, eine bestimmte Aufgabe ausschließlich einer Person zuzuweisen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Unklarheiten entstehen, die Beteiligten in ihrem Bemühen einander behindern oder sich irrigerweise auf den jeweils anderen verlassen und die Aufgabe am Ende unerledigt bleibt. Vor diesem Hintergrund besteht die Möglichkeit, bei z.B. zwei Adressaten eine Tätigkeit vertikal in zwei (Teil-)Tätigkeiten zu unterteilen und diese jeweils eindeutig zuzuweisen oder horizontal ein Vorrang-/Nachrangverhältnis zu definieren, indem der eine Adressat originär zuständig ist und der andere Adressat ausschließlich hilfsweise in einem eindeutig vordefinierten Szenario und Umfang einzuspringen hat.

Richtige Auswahl und Einweisung

33

Der Delegierende hat als Adressaten der Delegation eine geeignete Person auszuwählen, die für die jeweilige Aufgabe eine hinreichende berufliche Qualifikation, persönliche Eignung und ggf. Erfahrung mitbringt. Sofern und soweit er dies nicht selbst beurteilen kann, hat sich der Delegierende fachkundigen Rat bei der Beurteilung des potentiellen Adressaten einzuholen. Auch in der Zeit nach erfolgter Delegation hat der Delegierende sicherzustellen, dass der Adressat bei Bedarf die erforderliche Weiterbildung erhält.

34

Der Delegierende hat dafür zu sorgen, dass der Adressat hinreichend in seine neue Aufgabe und sein neues Tätigkeitsumfeld eingewiesen wird. Je nach Umfang und Bedeutung der Aufgabe ist eine Mitteilung durch den Delegierenden an die Organisation oder zumindest an ausgewählte, im Rahmen der Aufgabenerfüllung besonders relevante Personen sinnvoll. Auf diese Weise kann der Delegierende den Delegationsadressaten in seiner neuen Rolle bekannt machen, ihm den nötigen „Rückenwind“ geben und darum bitten, dass man ihn bei der Erfüllung der Aufgabe unterstützen möge. Je nach Aufgabe bietet eine solche Mitteilung durch den Delegierenden zugleich die – in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzende – Gelegenheit, die Wichtigkeit der betreffenden Aufgabe in das kollektive Gedächtnis zu rufen, verstärkt mit einem persönlichen Bekenntnis der Führungsebene („tone from the top“).

Angemessene Ausstattung

35

Der Adressat hat die für die Erfüllung der Aufgabe erforderliche Ausstattung mit materiellen und ggf. personellen Ressourcen zu erhalten. Auch sind ihm die für die Aufgabenerfüllung erforderlichen Befugnisse (Vollmachten, Weisungsbefugnisse, Informationsrechte und dergl.) zu gewähren.[23] Idealerweise regelt der Delegierende in diesem Zusammenhang sogleich das Ob und das Wie einer möglichen Weiterdelegation von Pflichten(-bestandteilen) durch den Adressaten mit.

Verbleibende Überwachung durch den Delegierenden

36

Nach der ins Werk gesetzten Delegation der Pflicht oder des Bestandteils einer Pflicht endet die Verantwortung des Delegierenden diesbezüglich nicht. Der Delegierende bleibt im Außenverhältnis gegenüber der Steuerbehörde verpflichtet, z.B. nach § 34 AO. Allerdings beschränkt sich aus Haftungssicht die maßgebliche Pflicht des Delegierenden fortan nur auf eine Compliance-Pflicht im prozessualen Sinne (siehe sogleich Rn. 55 ff.). Eine Pflichtverletzung durch den Delegationsempfänger löst auf Seiten des Delegierenden ausschließlich dann noch eine Haftung aus, wenn ihm eine Verletzung seiner prozessualen Compliance-Pflicht vorzuwerfen ist.

Nur in diesem Fall kann Vorsatz, grobe Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit i.S.v. § 69 S. 1 AO oder §§ 370, 378 AO gegeben sein.

Rückmeldung durch den Delegationsadressaten

37

Der Delegationsadressat hat fortan neben der Erfüllung der jeweiligen Aufgabe eine Obliegenheit. Er muss dem Delegierenden Rückmeldung geben, sobald er zusätzliche Unterstützung für die Erfüllung seiner Aufgaben benötigt, er also seine Aufgabe nicht (mehr) ohne Weiteres erfüllen kann, sei es z.B. aufgrund fehlender eigener Expertise oder sei es aufgrund mangelnder Ausstattung oder Befugnisse. Die Rückmeldung an den Delegierenden dient dazu, die erforderliche zusätzliche Unterstützung (z.B. Weiterbildung oder weitere Ressourcen) zu erhalten.

38

Zugleich führt die Rückmeldung dazu, dass die Delegation auf den Delegierenden zurückfällt, dieser also wieder für die Aufgabe zivilrechtlich zuständig und steuerlich haftbar wird, wenn die Unterstützungsanfrage tatsächlich berechtigt ist und der Delegierende die Unterstützung nicht gewährt. Meldet der Delegationsadressat trotz des Defizits nicht, bleibt er zuständig und verstößt sehenden Auges, also vorsätzlich, gegen seine Aufgabe. Der Delegierende wird dann allenfalls im Rahmen seiner Überwachungspflicht dem Missstand auf die Spur kommen.

Typische Beispiele unternehmensinterner Delegationen

39

Wesentlich ist die Unterscheidung zwischen (i) der Delegation von Pflichten und Pflichtbestandteilen im Innenverhältnis des Unternehmens sowie (ii) der Begründung von steuerlichen Pflichten im Außenverhältnis gegenüber den Finanzbehörden. Steuerrechtliche Folgen können beide haben, (i) die Delegation im Innenverhältnis mittelbar für den Delegierenden bei der Frage nach dessen Haftung im Falle von Rechtsverstößen durch den Delegationsempfänger und (ii) die Begründung von Pflichten gegenüber den Finanzbehörden, insbesondere über § 35 AO, für den Delegationsempfänger zweifelsohne unmittelbar. Dies vorausgeschickt, sind ausgewählte Beispiele unternehmensinterner Delegation zu nennen.

Dezentrale Geschäftsleitungen

40

Insbesondere in großen international aufgestellten Unternehmensgruppen weist die Aufbauorganisation oftmals eine sog. Matrix-Struktur auf. Hiernach gibt es in der Organisation Einheiten, die die einzelnen Geschäftsmodelle oder Geschäftsbereiche abbilden, und Einheiten, die in den einzelnen Ländern verortet sind, in denen und von denen aus das Unternehmen geschäftlich tätig wird. Innerhalb dieses Rahmens, typischerweise in den Ländereinheiten, gibt es Zentralfunktionen (sog. Shared Services), die geschäftsbereichsübergreifend Aufgaben übernehmen, z.B. aus den Themengebieten Recht, Steuern, Compliance und Personal. Die geschäftsbereichsbezogene Abgrenzung von Einheiten muss nicht der gesellschaftsrechtlichen Sichtweise entsprechen, d.h. mehrere Geschäftsbereiche (wirtschaftliche Einheiten) in einem Land können auf entsprechend viele Rechtseinheiten verteilt oder unter dem Dach einer gemeinsamen Rechtseinheit zusammengefasst sein. Auch kann eine Rechtseinheit den Shared Service für eine andere Rechtseinheit übernehmen.

41

Diese Vielschichtigkeit innerhalb der Aufbau- und Ablauforganisation führt zwangsläufig zu einer entsprechend vielschichtigen Struktur und Häufung von Delegationen. Hierbei können Delegationen „klassisch“ in der Folge des hierarchischen Weisungsverhältnisses, d.h. vertikal „nach unten“, ablaufen. Möglich sind daneben aber auch – einvernehmliche – Delegationen von Aufgaben an „benachbarte“ Stellen gleicher Hierarchiestufe oder an Stellen höherer Hierarchiestufe, ggf. sogar vertikal „nach oben“ (z.B. an Fachabteilungen der Konzernobergesellschaft).

42

Ist die Geschäftsleitung zugleich gesetzlicher Vertreter einer Rechtseinheit hat sie die steuerlichen Pflichten der Rechtseinheit zu erfüllen (§ 34 Abs. 1 AO). Demgegenüber kommt eine Verpflichtung nach § 35 AO insbesondere für die Leitungen in Betracht, die einem Geschäftsbereich, aber keiner eigenen Rechtseinheit vorstehen, wenn sie entsprechend ihrer wirtschaftlichen Stellung als Verfügungsberechtigte nach außen auftreten. Desgleichen ist § 35 AO ein Fall für die Mitarbeiter in den gebündelten Zentralfunktionen, wenn z.B. der Leiter der zentralen Steuerabteilung für eine oder mehrere Rechtseinheiten die Steuererklärungen abgibt. Delegieren diese Personengruppen die Aufgaben in der Hierarchie nach den genannten Kriterien wirksam weiter, beschränkt sich ihre Haftung nach § 69 AO fortan nur noch auf vorsätzliche oder grob fahrlässige Verstöße gegen ihre prozessuale Compliance-Pflicht (siehe hierzu sogleich Rn. 60 ff.). Neben der üblichen (Weiter-)Delegation vollständiger Pflichten für größere Themengebiete kann sich in großen Unternehmen mit komplexer Struktur eine Delegation ausgewählter Spezialthemen an dezentrale, auf die einzelnen Einheiten verteilte Experten („Leuchttürme“, Personalkapazität nach Bedarf der jeweiligen zugeordneten Einheit) empfehlen, wie z.B. Officer für Umsatzsteuer, Officer für Verrechnungspreise, Officer für Betriebsstätten, Officer für Zölle usw.

Steuerabteilung

43

Ein geradezu klassischer Delegationsempfänger für steuerliche Pflichten im Unternehmen ist die unternehmensinterne Steuerabteilung. Deren Leiter ist auch typischer Adressat von § 35 AO, wenn er nämlich entsprechend gegenüber den Steuerbehörden für das Unternehmen auftritt und z.B. Steuererklärungen unterschreibt. Neben der Geschäftsführung stellt sich insbesondere für den Leiter der Steuerabteilung die Frage, wann er ausreichende organisatorische Vorsorge getroffen hat, um nicht dem Vorwurf eines Organisationsverschuldens ausgesetzt zu sein. Nach der jüngst konkretisierten Lesart des Vorsatzbegriffs durch das BMF[24] ist spätestens bei jeder Nachmeldung gegenüber den Finanzbehörden zu fragen, inwieweit eine „saubere“ Delegation der steuerlichen Aufgaben erfolgt und damit ein angemessenes innerbetriebliches Kontrollsystem implementiert ist, um so dem Vorwurf zu entgehen, bei der ursprünglichen – unzutreffenden – Erklärung leichtfertig oder gar vorsätzlich gehandelt zu haben (siehe auch Rn. 71).

44

Eine Auswahl der typischerweise an die Steuerabteilung delegierten Aufgaben:

laufende Risikoanalyse im Hinblick auf die spezifische Ausprägung und Verteilung der steuerlichen Risiken im jeweiligen Unternehmen, ausgehend von den jeweiligen Geschäftsmodellen, Branchen und Ländern, in denen das Unternehmen tätig wird;
Konzeptionierung von Strukturen und Prozessen zur Absicherung des Flusses der für die Steuererklärungen relevanten Informationen innerhalb des Unternehmens und zur Verhinderung von – bewussten oder unbewussten – Verstößen gegen die steuerlichen Pflichten, Nachjustieren bei erkannten Problemen oder Anfälligkeiten; ggf. IT-gestütztes Vorgehen mit Zugriffskontrollen sowie Rollen- und Berechtigungskonzepten;
Schaffung unternehmensinterner Regelungen zur Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen für die betroffenen Unternehmensmitarbeiter;
Beratung und Schulung der Mitarbeiter in den für ihre Arbeit relevanten steuerlichen Themen;
Durchführung risikobasierter (Stichproben-)Prüfungen und Kontrollen zur Aufdeckung von Regelverstößen (ggf. IT-gestützt, sog. Big Data-Analyse), Übergabe von Prüfkriterien an die Interne Revision;
Einrichtung eines Systems zur Erlangung von Hinweisen auf mögliche Regelverstöße;
Untersuchung und ordnungsgemäße Abarbeitung von erhaltenen Hinweisen auf mögliche Regelverstöße, inkl. Überführung in einen Lernprozess („Remediation“);
laufende Unterrichtung der Geschäftsführung über die wesentlichen Entwicklungen, Unterstützung beim sog. tone from the top.

Compliance-Abteilung

45

Im Hinblick auf eine im Unternehmen vorhandene dedizierte Compliance-Abteilung hat die delegierende Geschäftsleitung zu bestimmen, inwieweit diese Abteilung auch das Thema Tax Compliance zu bearbeiten hat. Die Aufgabenabgrenzung zwischen Steuerabteilung und Compliance-Abteilung hat auf allen Ebenen der Compliance-Arbeit zu erfolgen, d.h. auf der Ebene der Prävention von Regelverstößen wie auch auf der Ebene der Aufklärung möglicher Regelverstöße. Idealerweise existieren für die beiden Abteilungen aufeinander abgestimmte dokumentierte Zuständigkeitsbeschreibungen, die in der Summe weder zu einer für Missverständnisse anfälligen doppelten Abdeckung derselben Aufgabe noch zu einer Nichtabdeckung relevanter Themenstellungen im Bereich Tax Compliance führen.

46

Eine Zuständigkeit der Compliance-Abteilung im präventiven Bereich der Tax Compliance ist eher unüblich. Typischerweise übernimmt die Steuerabteilung die Themen interne Regelsetzung, Beratung und Schulung. Im Bereich der Aufklärung möglicher Regelverstöße, insbesondere mit Blick auf größer angelegte interne Untersuchungen, kann es demgegenüber sinnvoll sein, der Compliance-Abteilung die Federführung zu überantworten und die Rolle der Steuerabteilung auf die eines die Untersuchung unterstützenden Fachexperten zu beschränken. Die Compliance-Abteilung bietet dem Unternehmen die Gelegenheit, die Ermittlungs-Expertise, -Ressourcen und -Werkzeuge für Compliance-Untersuchungen jeglicher Fachmaterie zu bündeln und das Ermittlungs-Know How nachhaltig an einer Stelle aufzubauen. Hierzu gehören auch die sinnvollerweise an einer Stelle zentral anzubindenden Systeme zur Entgegennahme interner und externer Hinweise auf mögliche Regelverstöße (Compliance Officer, externer Ombudsmann, Whistleblower-Hotline, ggf. auch offen für anonyme Hinweisgebung) sowie das sorgfältige Management der Schnittstellen (Compliance-Ansprechpartner) zu den relevanten anderen Fachabteilungen im Unternehmen, wie z.B. Personalabteilung, (Arbeits-)Rechtsabteilung, Datenschutzabteilung, Interne Revision, Abteilung für Risikomanagement und Kommunikationsabteilung. Der Compliance Officer als einheitliche Instanz und Anlaufstelle für die Unternehmensmitarbeiter hat den Vorteil, dass er aufgrund seiner gesteigerten Bekanntheit effektiv das Dunkelfeld aufzuhellen hilft und insofern als gute Erkenntnisquelle und geschätzter Ansprechpartner von Behörden dienen kann. Die Etablierung einer separaten Einheit für Compliance-Untersuchungen sichert zudem bestmögliche Neutralität, um dem Risiko vorzubeugen, dass aufgrund der laufenden steuerlichen Beratung vorbefasste Personen mit der Aufarbeitung der Sachverhalte betraut sind, zu denen sie oder enge Vertraute einst beraten haben.

47

Werden die internen Untersuchungen möglicher Verstöße gegen das Steuerrecht federführend nicht der Compliance-Abteilung, sondern der Steuerabteilung zugewiesen, ist ein enger Austausch der beiden Abteilungen umso wichtiger. Insbesondere bei Hinweisen auf Korruption, Scheinselbstständigkeit oder Schädigungen mittels Scheinrechnungen ist der Compliance-Abteilung aufzugeben, die Steuerabteilung rechtzeitig einzubinden, um eine Anzeige nach § 153 AO zu ermöglichen.

Rechtsabteilung

48

Einer im Unternehmen vorhandenen Rechtsabteilung wird typischerweise die Aufgabe zugewiesen, die Steuerabteilung bei vertragsrechtlichen Fragen, die im Zusammenhang mit der steuerlichen Beratung auftreten, zu beraten und bei steuerlich relevanten Transaktionen, wie z.B. Unternehmenskäufen, Unternehmensfusionen und Umstrukturierungen, einzubinden. Der Arbeitsrechtsabteilung ist aufzugeben, die Steuerabteilung zu informieren, wenn sie Sachverhalte berät, die lohnsteuerlich relevant sein könnten. Aus Sicht der Steuerabteilung erscheint sinnvoll, der Rechtsabteilung konkrete Kriterien und Kategorien an die Hand zu geben, bei deren Vorliegen sie informiert werden möchte.

Finanzbuchhaltung

49

Die wesentliche Aufgabe, die an die Finanzbuchhaltung delegiert wird, ist, ausgehend von den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) eine Steuerbilanz zu erstellen und alles in allem eine saubere und transparente Erfassung und Aufbereitung der für die Steuererklärungen erforderlichen Informationen zu betreiben. Zentrale Finanzabteilungen können darüber hinaus die Aufgabe erhalten, die ihnen zugänglichen Datenvolumina („Big data“) IT-gestützt auf Auffälligkeiten und Signifikanzen zu untersuchen, um steuerlich relevante Vorgänge, wie z.B. Scheinrechnungen, aufzuspüren.

Personalabteilung

50

Der Personalabteilung werden typischerweise Aufgaben delegiert, die sich auf die Entlohnung der Mitarbeiter beziehen. Steuerlich relevant sind hierbei insbesondere die Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer (§ 41a EStG) und die damit zusammenhängend die Ermittlung von Brutto- und Nettoentgelten. Zudem gehört in dieses Aufgabengebiet regelmäßig die zutreffende Behandlung von Werk- und Dienstverträgen und von evtl. Arbeitnehmerüberlassungen.

Exportkontrolle

51

International tätige Unternehmen haben das Thema Exportkontrolle abzudecken, d.h. sie müssen den sicherheitspolitisch relevanten grenzüberschreitenden Austausch von Gütern und Dienstleistungen überwachen. Der hierfür zuständigen Stelle ist sinnvollerweise mit aufzugeben, dass sie ihr bekannt werdende steuerrelevante Vorgänge im Bereich Export, insbesondere betreffend Zölle und andere Einfuhrabgaben, der Steuerabteilung mitteilt. Der Steuerabteilung wiederum ist sinnvollerweise aufzugeben, dass sie der für die Exportkontrolle zuständigen Stelle einen Katalog mit Kriterien an die Hand gibt, woran bei Exportgeschäften steuerrelevante Vorgänge als solche zu erkennen sind.

Risikomanagement

52

Dem Risikomanagement kann aufgegeben werden, steuerliche Risiken zu identifizieren, zu analysieren und zu bewerten sowie Gegenmaßnahmen zu definieren, anzustoßen und nachzuhalten. Ein enger Austausch mit der fachkompetenten Steuerabteilung ist hierbei unverzichtbar. Öffentlich wahrnehmbare Entwicklungen in der Steuerrechtspraxis sowie die Erfahrungen aus den vergangenen Betriebsprüfungen haben in die Risikoidentifizierung und -analyse einzufließen.

Interne Revision

53

Der Internen Revision wird typischerweise aufgegeben, im Rahmen ihrer Tätigkeit die wesentlichen Themen des Steuerrechts mit einzubeziehen. Im Verhältnis zu den operativ tätigen Geschäftseinheiten und der Steuerabteilung agiert die Interne Revision ergänzend als sog. Dritte Verteidigungslinie. In diesem Sinne obliegt ihr die unabhängige und objektive Beratung sowie risikogerechte und stichprobenartige Prüfung der Prozesse im Unternehmen mit dem Ziel, dass die unternehmerischen Entscheidungen (auch im Hinblick auf steuerliche Delegationen und Gestaltungen) und steuerrechtlichen Vorgaben (z.B. auch die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung) tatsächlich umgesetzt werden. Den fachlichen Input betreffend das Steuerrecht sowie die hierauf basierenden unternehmensinternen Regelungen hat regelmäßig die Steuerabteilung zu geben.

Externe Dritte

54

Unter Umständen bietet sich an, einzelne steuerliche Aufgaben an Dritte außerhalb des Unternehmens zu delegieren. Ein solches Outsourcing dient unzweifelhaft dazu, fachliche Expertise und/oder Arbeitskapazität „einzukaufen“. In Betracht kommen Delegationen steuerlich relevanter Aufgaben insbesondere an Steuerberatungskanzleien und Zollagenturen, aber auch externe Buchhalter, Rechtsanwaltskanzleien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Die Gründe für eine solche Delegation an Außenstehende und nicht an – ggf. hierfür einzustellende – Mitarbeiter sind (a) die höhere Flexibilität, vor allem um vorübergehende Belastungsspitzen zu bewältigen, (b) die Nutzung einer unternehmensübergreifenden Kenntnis der aktuellen Steuerrechtspraxis und (c) in Einzelfällen die besondere fachliche Qualität des Außenstehenden als solche. Oftmals wird mit dem Outsourcing auch ein Signal erhöhter Neutralität im Hinblick auf die erhaltene Beratungsleistung verbunden.

Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen3. Kapitel Verantwortliche für Tax Compliance › IV. Die prozessuale Compliance-Pflicht

Tax Compliance

Подняться наверх