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3. Die Pflichten der Geschäftsleitung

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Die Aufbau- und Ablauforganisation eines Unternehmens wird geprägt von einer Vielzahl einzelner, typischerweise bilateral gestalteter Delegationsverhältnisse. Vor diesem Hintergrund greifen für jede Führungskraft stets auch die vorgenannten Pflichten des Delegierenden, im Falle einer Weiterdelegation entsprechend über mehrere Stufen hinweg.

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Hinzu kommen standardisierte Aufsichtspflichten für die Geschäftsleitung, d.h. namentlich den oberen Führungskreis im Unternehmen. Die einzelnen Delegationsverhältnisse kulminieren in diesen Pflichten und werden in einer Gesamtbetrachtung auf Stringenz und Effektivität bei der Konzeptionierung sowie auf tatsächliche Umsetzung geprüft. Ihren Ausdruck finden diese Aufsichtspflichten insbesondere in der Bußgeldvorschrift § 130 OWiG (ggf. i.V.m. § 9 OWiG) sowie in der Haftungsvorschrift § 69 AO und in den Bußgeld- und Strafvorschriften §§ 370, 378 AO.[29] Während § 130 OWiG den Betriebsinhaber persönlich adressiert, werden über § 9 OWiG die Organe und Vertreter des Unternehmens (Abs. 1) sowie bestimmte Beauftragte erfasst. Die Erfassung dieser Personen über § 9 OWiG erfolgt auch dann, wenn die Rechtshandlung, welche die Vertretungsbefugnis oder das Auftragsverhältnis begründen sollte, unwirksam ist (Abs. 3). Weiter kann bei Verletzung der Aufsichtspflichten nach §§ 9, 30, 130 OWiG eine Geldbuße gegen das betreffende Unternehmen festgesetzt werden. Im Konzern kann eine starke Einflussnahme der Konzernmutter auf die Tochtergesellschaft eine entsprechende Aufsichtspflicht auslösen.[30]

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Die Aufsichtspflichten treffen auch die Geschäftsleitung, deren Mitglieder neu besetzt sind und die insofern eine Organisation mit Delegationsverhältnissen als bestehend von ihren Vorgängern übernimmt. Unter Umständen können diese Aufsichtspflichten auch dem Mitglied der Geschäftsleitung entgegengehalten werden, das laut Geschäftsordnung (d.h. Delegation innerhalb der Geschäftsführung) für den betreffenden Bereich nicht zuständig ist. In diesem Fall ist die fehlende Möglichkeit einer Einflussnahme dieses Mitglieds auf den betreffenden Bereich kein Verteidigungsargument. Im Gegenteil, diese fehlende Möglichkeit ist dann möglicherweise ein weiterer Aspekt der Aufsichtspflichtverletzung.[31]

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Die Geschäftsleitung kann diesen Aufsichtspflichten genügen, indem sie ein tragfähiges (Tax) Compliance-Management-System, das ein innerbetriebliches Kontrollsystem (IKS) einschließt,[32] einrichtet und unterhält. Dieses Compliance-Management-System kann bei kleineren und mittelständischen Unternehmen oftmals in bestehende „klassische“ Einheiten integriert werden, wie z.B. in die Interne Revision oder die (Steuer‑)Rechtsabteilung, und mit Hilfe der Delegation an Spezialisten außerhalb des Unternehmens auch relativ „schlank“ ausfallen. Die Bezeichnung einer Stelle oder sonstigen Organisationseinheit als „Compliance“ ist für sich genommen weder notwendig noch hinreichend. Entscheidend ist vielmehr die Abdeckung der betreffenden inhaltlichen Aufgaben.

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Bei größeren Unternehmen ist die Einrichtung einer eigenständigen (Tax) Compliance-Abteilung allerdings sinnvoll und üblich. Die erforderliche Größe, Struktur und konkrete Aufgabenzuweisung einer solchen Compliance-Abteilung (das „Wie“) ist von der jeweiligen Unternehmensstruktur und den unternehmensspezifischen Risiken (Branche, Produkte, Geschäfts- und Vertriebsmodelle, Länder, Verdachtsfälle aus der Vergangenheit usw.) abhängig.

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Die Frage, inwieweit tatsächlich eine Pflicht zur Einrichtung eines Compliance-Management-Systems besteht,[33] ist theoretisch interessant, aber für die Praxis nicht entscheidend. Entscheidend in der Praxis ist, dass

der Nachweis bestehender und im Wesentlichen funktionierender (Tax) Compliance-Strukturen die nach § 130 OWiG aufsichtspflichtigen Personen sowie das nach § 30 OWiG haftende Unternehmen entlasten kann,[34]
auch nach der Rechtsprechung des BGH für die Bemessung einer Unternehmensgeldbuße nach § 30 OWiG von Bedeutung ist, inwieweit das Unternehmen ein effizientes Compliance-Management installiert hat, das auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegt ist,[35]
die Einrichtung eines innerbetrieblichen Kontrollsystems zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten ein Indiz darstellen kann, das im Einzelfall gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder einer Leichtfertigkeit bei unrichtigen Steuererklärungen sprechen kann,[36]
bei international tätigen Unternehmen die jeweiligen Rechtsordnungen eine Unternehmensstrafbarkeit für den Fall einer Steuerhinterziehung bei Fehlen eines ausreichenden Compliance-Management-Systems vorsehen können (z.B. in Großbritannien die „Corporate Offences of Failure to Prevent Facilitation of Tax Evasion“).

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