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2. Die Pflichten des Delegierenden

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Allgemein gilt im bilateralen Verhältnis desjenigen, der eine Pflicht oder einen Bestandteil einer Pflicht delegiert, zum Adressaten dieser Delegation: Der Delegierende muss sich auch bei Einhaltung der zuvor genannten Kriterien für eine erfolgreiche Delegation weiter kümmern und in diesem Sinne die Aufgabenerfüllung durch den Delegationsempfänger angemessen überwachen.

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Hierzu hat der Delegierende eine geeignete Berichterstattung an sich selbst einzurichten. Das Ziel der Berichterstattung muss sein, die wesentlichen Informationen regelmäßig und im Falle der Dringlichkeit sofort zu erhalten. Hierzu zählen aus Compliance-Sicht insbesondere Erkenntnisse, die auf eine systemische Anfälligkeit der Organisation für bestimmtes Fehlverhalten hinweisen und die dem Delegierenden ermöglichen würden, die ihm möglichen Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Zugleich dient die Berichterstattung dem Delegierenden dazu, die Erfüllung der übertragenden Pflicht im Wege der Plausibilitätsprüfung allgemein nachzuhalten. Die Berichterstattung hat so intensiv und in so enger Taktung zu erfolgen, dass der Delegierende unter den ihm erkennbaren Umständen damit rechnen kann, die für seine eigene Tätigkeit wie auch die für die Beurteilung der Pflichterfüllung des Delegationsempfängers wesentlichen Informationen rechtzeitig zu erhalten.

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Im Falle einer Weiterdelegation der Aufgaben oder Teilen hiervon durch den Delegationsempfänger hat der Erstdelegierende darauf hinzuwirken, dass er über die wesentlichen Entwicklungen aus den Tätigkeiten der entsprechend nachgeschalteten Delegationsempfänger erfährt („Führung einer Führungskraft“). In der Summe entsteht auf diese Weise ein kaskadierendes System von Berichterstattungen, das sich über die gesamte Aufbauorganisation erstreckt.

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Geben die Auskünfte oder das Verhalten des Delegationsempfängers hierzu Anlass, hat der Delegierende nachzufassen, d.h. die Berichte und die Tätigkeit des Delegationsadressaten beispielsweise durch intensiveres Nachfragen oder im Wege stichprobenhafter Kontrollen weiter zu plausibilisieren. Das gleiche gilt, wenn im betreffenden Bereich in der näheren Vergangenheit bereits Unregelmäßigkeiten zutage getreten sind, z.B. im Rahmen von Außenprüfungen.[25] Auch eine angespannte wirtschaftliche Lage des Unternehmens kann – soweit dem Delegierenden bekannt – Grund sein für eine intensivere Plausibilisierung gegenüber dem Delegationsempfänger.[26] Soweit der Delegierende die für die Plausibilisierung erforderliche fachliche Expertise nicht hat, muss er sie sich anderweitig verschaffen, z.B. durch Hinzuziehung externer Spezialisten. Welche Maßnahmen der Überwachung und Plausibilisierung in welcher eskalierenden Folge erforderlich sind, ist Frage des Einzelfalls und anhand der jeweiligen erkennbaren Umstände zu entscheiden.[27] Generell gilt: Je wichtiger, dringlicher oder unplausibler die aus der Berichterstattung erhaltenen Informationen dem Delegierenden erscheinen müssen, desto intensiver und enger getaktet haben die Berichterstattungen fortan zu erfolgen. Wichtig zu wissen hierbei: Unbenommen der Frage, welche Überwachungsmaßnahmen im Einzelfall angezeigt sind, wird eine mangelhafte Überwachung regelmäßig als grob fahrlässige Pflichtverletzung (,,Überwachungsverschulden“) angesehen.[28]

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Erkennt der Delegierende einen Missstand, der die zukünftige Aufgabenerfüllung durch den Delegationsadressaten nicht unerheblich zu beeinträchtigen droht, muss der Delegierende handeln und dem Missstand schnellstmöglich abhelfen. Macht er dies nicht, misslingt die Delegation fortan, und die delegierte Aufgabe fällt – jedenfalls für die Dauer des anhaltenden Missstands – haftungsrelevant wieder auf den Delegierenden zurück. Dies hat zur Folge, dass bei der Frage der strafrechtlichen, bußgeldrechtlichen und steuerrechtlichen Haftung des Delegierenden regelmäßig grobe Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz anzunehmen sein wird.

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Beispiele mangelhafter Überwachung:

BFH/NV 91, 283: In einer GmbH ist dem Geschäftsführer, der die Steuerangelegenheiten an eine angestellte Buchhalterin delegiert hat, unbemerkt geblieben, dass über einen Zeitraum von etwa einem Jahr die einbehaltene Lohnsteuer nicht ordnungsgemäß an das Finanzamt abgeführt wurde. Diesen Umstand nimmt der BFH bereits für sich genommen als entscheidendes Indiz für mangelhafte Überwachung und grobe Fahrlässigkeit des Geschäftsführers.
BFH/NV 09, 362: In einer KG hat der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH die Buchhaltung an Mitarbeiter und zur Kontrolle an externe Steuerberater delegiert. Eine Überwachung der betreffenden Mitarbeiter und Steuerberater durch den Geschäftsführer unterblieb ganz. So blieb dem Geschäftsführer unbemerkt, dass die Buchhaltung über Jahre gravierende Mängel aufwies und insbesondere die Auslandsgeschäfte wegen fehlender Konten- und Belegnachweise nicht nachvollziehbar dargestellt waren. Der BFH wertet das Verhalten als grob fahrlässige Verletzung der Überwachungspflicht; egal um wen es sich bei dem Delegationsempfänger im Einzelnen handelt, der Geschäftsführer dürfe nicht „blind“ auf dessen ordnungsgemäße Aufgabenerledigung vertrauen und auf eine Überwachung gänzlich verzichten.
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