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Traum

Der Wolf hat ein blaues Fell und dunkelgelbe Augen, die leuchten. Der Weg, auf dem ich gehe, ist steinig. Eigentlich kann ich gar nicht drauf gehen. Die Steine sind viel zu groß und scharfkantig. Die Frau da vorne ist nackt. Ich müsste sie eigentlich auf die Arme nehmen, damit ihre Fußsohlen nicht verletzt werden. Sonst denke ich nichts. Das Tor auf der Hochebene ist offen. Ich sehe alte, sonnengebleichte Steine mit kleinen Rissen drin. Ich trete hindurch und bin alleine. Dann stehe ich vor einem Abgrund. Ich stürze mich hinunter. Statt unten aufzuklatschen, fliege ich. Hoch und tief und weit in den Himmel hinein. Ich kann das einfach so. Szenenwechsel. In der Wüste sitze ich an einem Feuer. Mir gegenüber ein Beduine. Indigoblaues Tuch, schwarze Augen. Das ist die schwärzeste Nacht, die ich jemals gesehen habe. Ich habe ja auch noch nicht viel gesehen. Dann schwimme ich durch ein Meer. Die Sonne über mir, die Luft ist blau. Ich schwimme wie ein Delfin bis zum Horizont. Ein tolles Gefühl. Am Horizont finde ich mich direkt vor der Sonne wieder. Ich stelle ihr eine Frage, die sie mir beantwortet. Sie ist ganz schön hell. Wieder bin ich woanders. Diesmal ist es ein Urwald, durch den ein Fluss fließt. Da sitze ich lange und höre dem Wasser zu. Im Grand Canyon stehe ich auf einer ewig hohen Steinsäule, die sich ganz alleine im Tal befindet. Und wieder fliege ich. Ich bin der König der Lüfte, weil ich weiß, dass ich niemals abstürzen werde. So etwas habe ich noch nie erlebt. Dann ruft mich eine Stimme zurück. Mist, verdammter. Ich will noch nicht und sauge mich fest in meinem Traum wie eine Zecke. Da ruft mich die Stimme schon wieder. Ob ich ihr vertrauen kann? Ich wage es und bin zurück am Tor. Mir gegenüber taucht ein steinernes Standbild auf. Statt da zu thronen, bewegt sich die Gestalt und umarmt mich. Ich finde mich in den Armen meiner Frau wieder und bin ganz überrascht.

Herr Grünwaldt

Als ich den Kopf hebe, sehe ich einen flüchtigen Schatten und warte auf eine Reaktion in meinem Hirn. Aber es scheint zu früh für eine Verbindung zu sein und so schließe ich die Augen wieder. Das schmatzende Geräusch irgendwo in der Ferne ist hoffentlich eine Kaffeemaschine, denkt es in mir, während gleichzeitig ein bollernder Tsunami in der Wand explodiert und mein Herz in einen wilden Galopp versetzt. Was um Himmels willen …? Da setzt mein Gehirn schlagartig wieder ein und mir wird übel bei dem Gedanken, was in der letzten Nacht wohl passiert sein mag. Das jedenfalls ist nicht meine Wohnung. Die Matratze, die mich beherbergt, schwimmt inmitten eines Meeres aus Dosen, Einkaufstüten, Klamotten, Zeitschriften und Zigarettenschachteln vor dem Tsunami davon. Die Bettwäsche immerhin ist aus Satin und dunkellila. Ich bin also wenigstens bei einer Frau gelandet. Das Bollern aus der Wand wird leiser und ich drehe meinen Kopf in Richtung der kaffeeduftenden Küche, aus der sonst leider nichts weiter zu vernehmen ist. Dann wuchte ich meinen gepeinigten Körper ans andere Ende der Matratze und durchsuche die leeren Schachteln auf dem Boden nach einer Zigarette, werde allerdings nicht fündig. Enttäuscht stehe ich auf, stolpere über meine Hose in Richtung eines arg ramponierten Holztisches, auf dem neben Asti Spumante und mehreren Feuerzeugen eine Probierpackung Drum liegt, aus der ich mir mit steifen Fingern eine Fluppe bastele. Nach den ersten Zügen betrachte ich mein Umfeld näher, vor allem die Skyline aus zernagten Gründerzeitvillen jenseits des schlierigen Fensters, aus dem mir ein paar verlorene Sonnenstrahlen entgegenkommen. Die Plastikuhr an der Wand zeigt fast halb eins und der Zeiger wandert unaufhörlich weiter.

„Kaffee?“

Die Frage kommt von schräg hinter meinem Kopf und ist rauer als die rissige Tapete daneben. Sie gehört zu einer blond gefärbten Dauerwelle, die feucht über schmalen Schultern endet. Ich grinse zurück und vergesse zu antworten, weswegen sich die Augenbrauen meiner Gastgeberin fragend nach oben in die sonnenbankgegerbte Stirn ziehen. Sie trägt ein langes One-Shoulder-Shirt über ansehnlichen Brüsten, viel Gold an den Fingern und nackte Beine. Die Füße stecken in pinken High Heels und der Kaffee ist gut. Bevor ich wieder draußen auf der Straße stehe, hat sie sogar einmal gelacht. Wenn auch nur, als ich mich mit Martin vorstelle und sie nach ihrem Namen frage. Ich weiß so gerade noch, in welcher Gegend wir letzte Nacht gestrandet sind und schlingere zur nächsten Straßenbahnhaltestelle. Das Fragezeichen, ob noch Wochenende ist, verfliegt mit immer mehr hastigen Beinen, Aktentaschen und Einkaufstüten, die meinen Heimweg kreuzen. Als endlich warmes Wasser über meinen Körper läuft und die Klamotten sicher in der Wäsche verstaut sind, kehrt etwas mehr Erinnerung an den verlorenen Abend zurück. Nichts davon bleibt. Aus den Resten im Kühlschrank stelle ich mir ein Frühstück zusammen und nehme ein paar der Glückspillen, die mein Arzt mir unlängst gegen die Bitterkeit in meinem Herzen verschrieben hat. Dann lege ich mich nackt ins Bett und bin bereit zu sterben.

Im Wesentlichen Nichts

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