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2.2.2 Vom Genuss der Genügsamkeit

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Menschen, die langfristig freiwillig auf etwas verzichten, werten herkömmliche Werte um. »Sie negieren das, was für uns der Inbegriff der Lebensqualität geworden ist, also Wohlstand, Komfort, Sicherheit, mein Haus, mein Auto, mein Boot«, sagt der Theologe und Buchautor Hermann Detering. Asketen orientieren ihr Leben jenseits des Konsums und finden Erfüllung und Sinn abseits des Mainstreams. Asketen sind durchwegs hart zu sich selbst, entziehen sich aber auch dem gesellschaftlichen Spiel von Macht und Einfluss. In früheren Zeiten wurde Askese meist mit religiöser Motivation und Transzendenz begründet. Heute können, je nach eigener Sichtweise, auch jene als Asketen gelten, die grundsätzlich soweit wie möglich auf Konsum verzichten, vegan leben, sich nur von Lebensmittelabfällen ernähren oder einen ökologischen Lebensstil pflegen …

Was lässt sich von Hardcore-Asketen vergangener Tage wie Wanderasketen oder Bettelmönchen abschauen? »Man kann lernen, dass der Weg zur inneren Freiheit immer über den Verzicht geht. Verzicht auf übermäßiges Essen und übermäßigen Alkoholgenuss und alles, was uns abhängig und unfrei gemacht hat, ist ein guter Anfang«, so der Theologe Detering. Die kleine Schwester der Askese ist übrigens die Genügsamkeit: Es muss also nicht immer völliger Verzicht sein – wissen, wann es genug ist, genügt auch.

Wie wichtig zeitweiliger Verzicht für das Genießen ist, veranschaulicht auch die Sage »Speck und Erbsen« aus dem Jahr 1926:

»Der Kurfürst Jan Willem hatte sich einmal auf der Jagd im Königsforste zu Bensberg verirrt und wußte sich gar nicht zurechtzufinden. Er ging viele Stunden lang bis über Mittag und wurde bei der Anstrengung gewahr, wie der Hunger tut. Der ist bei so vornehmen Leuten ein höchst seltener Gast, und der Kurfürst hat ihn wohl zum erstenmal kennengelernt. Doch mußte er noch bergauf, bergab in dem großen Walde gehen, ehe er an ein Haus kam. Da sank er vor Ermüdung zusammen und bat um Essen. Die Bäuerin hatte Speck und Erbsen gekocht und setzte das dem Kurfürsten vor in der Meinung, er sei ein fremder Jägersmann, wie er angab. Das Speck- und Erbsengericht und das Haferbrot der Bäuerin aber schmeckten ihm so wohl, wie ihm noch nie eine Speise gemundet hatte, und als er nach Düsseldorf in sein Schloß zurückgekehrt war und ihm die leckeren Speisen der Fürstentafel nicht schmecken wollten, da befahl er, Speck und Erbsen zu kochen; denn das sei, sagte er, das köstlichste Essen von der Welt. Aber wie es der Küchenmeister auch anrichten wollte, der Kurfürst sagte, im Königsforst habe er das besser gegessen.

Schließlich mußte ein Eilbote hinausreiten zum Königsforst und die Bäuerin bestellen, die von Bensberg im landesherrlichen Wagen nach Düsseldorf abgeholt wurde, damit sie die Lieblingskost dem Kurfürsten so schmackhaft zubereiten sollte, wie er sie in ihrem Hause genossen hatte; auch mußte sie auf seinen Befehl ein Bauernbrot mitbringen. Aber was die gute Frau ihm kochte, das wollte ihm ebensowenig schmecken wie das Haferbrot, das sie mitgebracht hatte; denn die Hauptwürze, der Hunger, fehlte ihm, der bei der Ermüdung im Königsforste die Speisen so gewürzt hatte. Da wurde er denn klug daraus und pries die Arbeiter glücklich, daß ihnen bei naturgemäßer Bewegung in ihrem Arbeitsleben jede Mahlzeit munde.

Davon hatte man im Bergischen ein Sprüchlein, das lautet: Wer sich durch Arbeit nicht tut schrecken, dem wird’s wie dem Jan Willem schmecken.

Auch gelten seit jenem Begebnis Speck und Erbsen im Bergischen als Heimatkost und Leibgericht.«

- Zuccalmaglio II, 34.

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