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THEORIEN ÜBER DIE GÖTTER

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Zwei Götter stehen im Gegensatz zu Thor: Loki und Odin. Während Loki in vielerlei Zügen Thors Gegenspieler ist, hebt sich Odin von Thor vor allem durch seinen Einflussbereich und die hierarchische Position ab. Doch in beiden Fällen ist es Thors Schlichtheit, die im Vergleich mit deren Komplexität am stärksten ins Auge fällt. Dieser Unterschied wird nicht allein durch verbale Schläue und politische Tricks angezeigt, die für Loki und Odin charakteristisch sind, sondern liegt auch in ihrer Beherrschung der magischen Künste, die auf ihren Ursprung in schamanischen Ritualen hinweist; damit mag auch zusammenhängen, dass sie ‚in alten Tagen beide das Blut mischten’, wie Loki in der ‚Lokasenna’ (Lokis Zankreden) unwidersprochen behauptet.13 Diese magischen Künste wurden mit dem altnordischen Begriff ‚seiðr’ zusammengefasst, der Gestaltwandel, die Anwendung von Zaubersprüchen und Prophezeiungen bezeichnen kann; die ersteren beiden dieser Praktiken gelten sowohl als schändlich wie auch als schädlich. Auch wenn Thor durch Gegenstände mit übernatürlichen Eigenschaften – insbesondere durch Mjöllnir – sowohl sich selbst als auch anderen Vorteile verschafft, gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass er auf andere Kräfte gegen seine Feinde zurückgriffe als auf seine ungeheure Stärke.

Thor und Loki

Keine Gestalt der altnordischen Mythologie ist schwieriger zu verstehen als Loki. Er wurde verschiedentlich interpretiert als Gott des Feuers oder der Luft, als Trickster-Gott, ähnlich jenen, die wir in den Mythen der Ureinwohner Nordamerikas und Afrikas finden, und sogar als die symbolische Vergöttlichung einer Spinne, wie es der abergläubische Vorstellungen und volkstümliche Redensarten andeuten, die im ländlichen Skandinavien gesammelt wurden.14 Ein zentraler Aspekt des Problems ist bei Loki, dass er keine gleich bleibende Rolle in den Mythen einnimmt. Wie wir an seiner Verbindung zu Thor sehen können, verändert sich Loki über die Zeit hinweg von einem Gott, der Probleme schafft und diese dann – manchmal mit unvorhergesehener Hilfe – erfindungsreich wieder löst, bis zu jenem, der offen und unversöhnlich auf den Niedergang Asgards und all dessen, was damit verbunden wird, hinwirkt. In dieser Wandlung vom Mutwillen zur Böswilligkeit, der gewissermaßen den allmählichen Verfall der Welt widerspiegelt, tritt sein Gegensatz zu Thor noch deutlicher hervor. Es scheint, als gebärde sich Loki zunehmend im Sinne seiner väterlichen und mütterlichen Herkunft: folglich als Riese und deswegen als Stellvertreter des Chaos und des Todes.

Als der Riese im eigenen, inneren Bereich veranschaulicht Lokis Niedertracht und destruktive Intelligenz die Verletzbarkeit der Götter. Wie sehr Thor in seinem unablässigen Kampf gegen die Unholde die Grenzen auch zu schützen sucht, so kann er doch nichts gegen das Krebsgeschwür im Herzen Asgards bewirken. Loki ist alles, was Thor nicht ist. Während dieser die personifizierte Männlichkeit darstellt, ist jener ein sexueller Grenzüberschreiter – ein Unterschied, der, nebenbei bemerkt, noch zu der Komik von Thors Crossdressing in der ‚Þrymskviða’ beiträgt. Ähnlich verhält es sich mit der Klarheit von Thors Absichten, wohingegen Loki größtenteils undurchsichtig bleibt; und während Thor beständig und eindeutig auf der Seite der Kultur steht, ist Loki nach seinem Stellvertretermord an Baldur in vollem Umfang als Erfüllungsgehilfe der destruktiven Natur erkennbar. Mit Blick auf die psychische Dynamik des Mythos scheint es verlockend, den einen als das alter ego des anderen zu betrachten, wobei ihre Paarbildung die fundamentale Zweiheit lebensbejahender und lebensverneinender Prinzipien verkörpert.

Thor und Odin

Ein grundlegender Unterschied zwischen Odin und Thor wird im ‚Hárbarðsljóð’ (Harbardslied) aufgezeigt und durch eine Beleidigung ausgedrückt, die Odin, der sich als der Fährmann Harbard verkleidet hat, gegen Thor richtet:

Das Knechtsvolk hat Thor,

doch die Könige hat Odin,

die da fallen im Feld.15

Hieraus können wir folgern, dass Odin der Gott der höheren Stände und der gesellschaftlichen Eliten ist, Thor hingegen der Gott der ‚kleinen Leute’: der Bauern, Fischer und einfachen Krieger. Angesichts dessen, dass Thor unstrittig der am meisten verehrte Gott der späten heidnischen Zeit war, kommt der Beleidigung keinerlei Gewicht zu, was die jeweilige Popularität der beiden Götter betrifft; eher wird mir ihr beabsichtigt, die Aufmerksamkeit auf Thors untergeordnete Position gegenüber Odin in der sozialen Hierarchie zu lenken. Der Verwandtschaftsstatus der Götter ist außerordentlich wichtig, um ihre besonderen Funktionen, und damit auch ihr Bedeutungsspektrum, identifizieren zu können. Dies ist definitiv nicht nur für die altnordische Mythologie charakteristisch, sondern wird für die Ursprünge des gesamten mythologischen Systems in Betracht gezogen, zumindest in historischer und geographischer Hinsicht.

Thor

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